Das X-15-Projekt

Bei der X-15 handelte es sich um eine Baureihe von Raketenflugzeugen, die von Juni 1959 bis Oktober 1968 für Versuche im Überschallbereich und in großen Höhen eingesetzt wurde. Vom Hersteller North American Aviation Inc. wurden drei flugfähige Raketenflugzeuge gebaut, die von zwölf Piloten bei insgesamt 199 Flügen geflogen wurden.
Wenn man den Beginn der Thermosphäre in etwa 80 km Höhe als Grenze zum All definiert, dann wurde bei 13 dieser Flüge diese Grenze überschritten und man kann die X-15 deshalb durchaus als Raumfahrzeug betrachten.

Raketenflugzeug X-15

Foto: NASA Dryden Flight Research Center

Im Juni 1954 traf die NACA (ein Vorläufer der NASA) mit der US Air Force und der US-Navy eine erste Vereinbarung über eine Zusammenarbeit beim X-15-Projekt. Im Dezember diesen Jahres wurde ein entsprechender Vertrag unterzeichnet und die NACA übernahm die Projektleitung. Im Oktober 1958 wurde das erste von insgesamt drei Raketenflugzeuge fertiggestellt.
Die X-15 war nicht in der Lage, aus eigener Kraft zu starten. Aus diesem Grund wurde sie von einem Trägerflugzeug, einer B-52, auf eine Höhe von etwa zehn bis zwölf Kilometer gebracht und dort ausgeklinkt.

X-15 kurz nach dem Ausklinken von der B-52

Foto: NASA Dryden Flight Research Center

Danach erst wurde das Triebwerk  vom Typ XLR-99-RM-1 gezündet. Für jeweils 60 bis 90 Sekunden entwickelte das Triebwerk, das von flüssigem Sauerstoff und flüssigem Ammoniak gespeist wurde, einen Schub von etwa 27 Tonnen. Nach Brennschluss schoss die X-15 weiter in die Höhe und überschritt am Gipfelpunkt bei vielen Flügen die Grenze zum Weltall. Im praktisch luftleeren Raum erfolgte die Lagekontrolle nicht mehr aerodynamisch, sondern mittels Kontrolldüsen. Danach kehrte das Raketenflugzeug im Gleitflug zur Erde zurück. Die Landung erfolgte wie bei einem herkömmlichen Flugzeug, wobei am Heck statt Räder Stahlkufen angebracht waren.

Folgende zwölf Piloten flogen die X-15:

Gruppe Auswahl  Pilot
1 1957  Armstrong, Neil
1 1957  Crossfield, Scott
1 1957  McCay, John
1 1957  Walker, Joseph
1 1957  White, Robert
2 1958  Peterson, Forrest
2 1958  Rushworth, Robert
3 1963  Engle, Joseph
3 1963  Thompson, Milton
4 1965  Knight, William
4 1965  Dana, William
5 1966  Adams, Michael

In der ersten Auswahlgruppe, die im Jahre 1957 zusammengestellt wurde, befand sich auch Neil Armstrong, der zwölf Jahre später als erster Mensch den Mond betreten sollte. Joseph Engle flog später noch zweimal das Space Shuttle (im November 1981 mit der Columbia die Mission STS-2 und im August 1985 mit der Discovery die Mission STS-51I).

Neil Armstrong vor einer X-15

Foto: NASA Dryden Flight Research Center

Die größte, jemals mit einer X-15 geflogene Geschwindigkeit, erzielte William Knight beim Flug Nr. 188 mit der X-15 No. 2 am 3. Oktober 1967. Die Höchstgeschwindigkeit betrug 7.273 km/h oder 2.020 m/s (das entsprach Mach 6,7).
Die größte Höhe erreichte am 22. August 1963 Joseph Walker mit der X-15 No. 3. Ihm gelang es, beim Flug Nr. 91 eine maximale Höhe von 108,0 km zu erreichen.

Bei folgenden 13 Flügen wurden Flughöhen von mehr als 80 km erzielt und damit die Grenze zum Weltall überschritten:

Flug-Nr.  Datum  Pilot X-15 No. maximale 
Flughöhe 
maximale 
Geschwindigkeit 
62  17.07.1962  White, Robert 3 95,9 km  6.166 km/h 
77  17.01.1963  Walker, Joseph 3 82,8 km  5.917 km/h 
87  27.06.1963  Rushworth, Robert 3 86,9 km  5.511 km/h 
90  19.07.1963  Walker, Joseph 3 106,0 km  5.969 km/h 
91  22.08.1963  Walker, Joseph 3 108,0 km  6.105 km/h 
138  29.06.1965  Engle, Joseph 3 85,5 km  5.522 km/h 
143  10.08.1965  Engle, Joseph 3 85,6 km  5.712 km/h 
150  28.09.1965  McKay, John 3 90,1 km  6.005 km/h 
153  14.10.1965  Engle, Joseph 1 81,2 km  5.718 km/h 
174  01.11.1966  Dana, William 3 93,5 km  6.034 km/h 
190  17.10.1967  Knight, William 3 85,5 km  6.204 km/h 
191  15.11.1967  Adams, Michael 3 81,1 km  5.744 km/h 
197  21.08.1968  Dana, William 1 81,5 km  5.540 km/h 

Allen Piloten, die mit der X-15 eine Flughöhe von mehr als 80 km (50 Meilen) erreichten, wurde später die Astronautenschwinge verliehen.

Der Pilot Michael Adams kam bei seinem Flug am 15. November 1967 ums Leben. Beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre geriet das Raketenflugzeug außer Kontrolle und es entstanden extreme Vibrationen. Michael Adams war dabei Kräften von mehr als 15 g ausgesetzt, die er nicht überlebte.

Bereits 1957 gab es seitens des Herstellers
North American Planungen, ein Nachfolgemodell, die X-15B zu bauen. Diese sollte zwei Piloten in eine Erdumlaufbahn bringen und dann auf einem Salzsee in der Nähe des Luftwaffenstützpunktes Edwards in Kalifornien landen. Doch die US Air Force hatte bereits ein eigenes Nachfolgeprojekt in Planung. Die X-20 (oder Dyna Soar) sollte an der Spitze einer Titan-III-Trägerrakte ins All befördert werden und nach ihrer Mission wie ein Flugzeug landen.

Studie zum Raumgleiter X-20 (Dyna Soar)

Grafik: NASA

Doch bereits Ende April 1960 wurde das technologisch anspruchsvolle Projekt gestoppt. Unter dem enormen Druck, den Sowjets beim ersten bemannten Raumflug zuvorzukommen, entschied man sich bei der NASA für das Mercury-Programm, von dem man glaubte, dass es schneller zu realisieren war.

Das bereits angelaufene X-15-Projekt wurde jedoch bis 1968 fortgesetzt und brachte wichtige Erkenntnisse in den Bereichen Werkstoffkunde und Flugsteuerung. Weiterhin wurden Experimente für das Apollo-Programm durchgeführt. Nach Abschluss des Apollo-Programms wurde das Konzept des wiederverwendbaren Raumgleiters wieder aufgegriffen und als Space Shuttle-Projekt umgesetzt.

Insgesamt wurden von "North American Aviation Inc." drei Raketenflugzeuge vom Typ X-15 hergestellt:

Bezeichnung Erstflug  Verbleib
X-15 No. 1 08.06.1959  National Air and Space Museum, Washington DC
X-15 No. 2 17.09.1959  US Air Force Museum, Dayton
X-15 No. 3 17.01.1962  zerstört am 15. November 1967 beim Flug-Nr. 191