Kommentar

Misstrauen gegen Geithner und Bernanke

von Tobias Bayer (Frankfurt)

Es könnte die Woche der Wahrheit für die USA werden: Während der Fed-Chef am Mittwoch über seinen weiteren Kurs Auskunft gibt, wird der Finanzminister sich am Donnerstag zur Rettung der Banken äußern. Beide stehen in der Kritik und müssen liefern.

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Seit Mitte Dezember liegt der Verlust bei satten 21 Prozent. Das Schockierende dabei: Es handelt sich um weder um eine Aktie noch um einen Unternehmensbond, sondern um eine amerikanische Staatsanleihe mit einer Restlaufzeit von 29 Jahren.

Der beachtliche Kursrutsch sagt viel aus über den Zustand des internationalen Kapitalmarkts und die Rolle, die die Vereinigten Staaten spielen. Die Unsicherheit der Investoren ist gewaltig - kein Wunder angesichts des gewaltigen Haushaltsdefizits der USA und einer Rekordschuldenaufnahme, bei der am Ende allein dieses Jahr 2500 Mrd. $ an neuen Anleihen begeben werden könnten. Und sie sind verunsichert, weil sowohl dem Finanzministerium unter Timothy Geithner als auch der Notenbank Federal Reserve (Fed) unter Ben Bernanke die klare Linie fehlt.

Nehmen wir Timothy Geithner. Als geschickte Verpflichtung von US-Präsident Barack Obama angekündigt, blieb der ehemalige Chef der New Yorker Fed hinter den Erwartungen zurück. Die angekündigte Stützungsaktion für das Bankensystem fiel vage aus, die Pläne zu einer "Bad Bank" für problematische Wertpapiere kam bisher nicht entscheidend voran. Das neue Aufkaufprogramm für Konsumentenkredite "Talf" startet mit Verzögerung, viele Fragen sind aus Sicht der teilnehmenden Banken noch offen.

Alles kommt zusammen: Das Ministerium erscheint personell für die Aufgaben nicht gerüstet, Geithner selbst gerät nicht zuletzt wegen der Bonuszahlungen bei American International Group (AIG) auf Nebenschauplätze, die ihn von den entscheidenden Fragen ablenken. Es bleibt abzuwarten, was er am Donnerstag zu verkünden hat.

Kauft er Staatsanleihen oder nicht: Fed-Chef Ben Bernanke
 Kauft er Staatsanleihen oder nicht: Fed-Chef Ben Bernanke

Nehmen wir Ben Bernanke und die Fed. Ob sich der aggressive Kurs ausgezahlt hat, ist schwer einzuschätzen. Die zahlreichen Liquiditätsprogramme haben sicherlich die Banken entlastet. Ob sie die Märkte tatsächlich wiederbelebt haben, ist indes zweifelhaft. Bei kurzfristigen Schuldverschreibungen (Commercial Paper, CP) schrumpft das ausstehende Volumen zusehends. Zudem kommt der Fed bei CP von Finanzunternehmen mit einem Marktanteil von 39 Prozent die beherrschende Stellung zu. Wirklich beruhigend ist das nicht zu nennen.

Der aggressive Kurs ist eine Bürde für die Zukunft: Marktteilnehmer - vor allem die Banken - lechzen nach einer Fortsetzung und schelten die Fed dafür, dass sich ihre Bilanzsumme von 2300 auf 1900 Mrd. $ verringert hat. Sie fordern für die Fed-Sitzung am Mittwoch von Bernanke und seinen Kollegen ein klares Bekenntnis zu Wertpapierkäufen aller Art. Alles andere wäre eine Enttäuschung, was den Notenbankern ihre Entscheidungsfreiheit raubt.

Zu diskutieren gibt es indes einiges. Über die weiteren Schritte, insbesondere beim Aufkauf von Staatsanleihen, gehen die Meinungen innerhalb der Notenbank weit auseinander. Die Gefahr bei Treasury-Käufen: Einmal angekündigt, lässt sich das Rad schwer zurückdrehen. Investoren werden im schlimmsten Fall der Fed die Staatspapiere vor die Tür werfen - und davon ausgehen, dass sie das auch langfristig tun können. Was das für die Inflation und den Dollar bedeutet, ist momentan nicht auszudenken.

Die Kursentwicklung der 29-jährigen US-Staatsanleihe ist ein Misstrauensvotum für die amerikanische Finanz- und Geldpolitik. Geithner und Bernanke täten gut daran, sich eindeutig zu erklären. Alles andere wäre für den Finanzmarkt fatal.

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FTD.de, 18.03.2009
© 2009 Financial Times Deutschland, © Illustration: AP

 

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