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Unterhaltung bis zum bitteren Ende... Joseph Goebbels und das Radio
Hintergrund
Das junge Radio als Instrument der NSDAP Der politische Rundfunk
Das Radio wird zur Kriegswaffe Musikprogramme als Köder
Kriegsberichterstattung seit 1940 Durchhalteparolen bis zum Schluss
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Das junge Radio als Instrument der NSDAP

„Dem schaffenden deutschen Volke Kraft durch Freude vermitteln! Des Führers Sprachrohr sein!“ Für den Reichsintendanten Heinrich Glasmeier war das 1938 der Sinn des Radios im Nationalsozialismus. Sein Vorgesetzter, Propagandaminister Joseph Goebbels, war fünf Jahre zuvor noch deutlicher geworden: „Der Rundfunk ist keine Spielerei, sondern eine außerordentlich ernste Angelegenheit! Ernst heute – und vielleicht noch viel ernster morgen! Ich halte den Rundfunk für das allermodernste und für das allerwichtigste Massenbeeinflussungsinstrument, das es überhaupt gibt. Ich bin der Meinung, dass der Rundfunk auf die Dauer das Volk an allen wichtigen Angelegenheiten teilnehmen lässt! Dass es im Volksdasein überhaupt keinen großen Vorgang mehr geben wird, der sich auf zwei-, dreihundert Menschen begrenzt, sondern dass daran eben das Volk in seiner Gesamtheit teilnehmen muss. Und jeder, der auf internationalem Standpunkt steht, der muss – wenn er diese nationalistische Betätigung des Rundfunks hört, muss sagen: Verflucht gut gemacht! Fabelhaft gemacht! Die verstehen ihr Handwerk. Das ist wirklich eine Gefahr!“ „Die Menschen so lange zu hämmern und zu feilen und zu meißeln, bis sie uns verfallen sind! Das ist eine der Hauptaufgaben des Deutschen Rundfunks.“

Keine zehn Jahre alt, ein neues Medium also war das Radio, als die NS-Diktatur in Deutschland begann. Gut zwei von zehn Haushalten besaßen eines der teuren Empfangsgeräte. Viele sahen den Rundfunk noch eher als Spielerei für Technikfans. Doch in Goebbels’ Kalkül kam dem Radio eine Schlüsselrolle zu. Alle Deutschen sollten Rundfunkhörer werden. Die staatlich subventionierten und deshalb konkurrenzlos billigen Volksempfänger VE 301 und Deutscher Kleinempfänger 1938 erwiesen sich dann auch als Verkaufsschlager.

 
Der politische Rundfunk

Freilich: Plumpe Ideologie im Programm war nicht gefragt. Das hatte Goebbels schon 1933 in München klargestellt: „Der Hörer des deutschen und vor allem des Bayerischen Rundfunks braucht nicht zu befürchten, dass ihm nun anstelle von Aktualität, Spannung und Entspannung lediglich Parteiprogramm vorgeführt würde.“ Spätestens 1936 standen die Zeichen klar auf Musik und Unterhaltung. Propaganda gab es dazwischen, gezielt und wohldosiert. „Jede Sendung muss unterhaltend sein. Jede Sendung muss nationalsozialistisch sein“, hatte Reichssendeleiter Eugen Hadamovsky gefordert. „Das ist der vollendete politische Rundfunk, weil er unser Volk zugleich mit Freude und Spannung erfüllt und es innerlich zur festen nationalsozialistischen Haltung emporhebt.“ „Wir Rundfunkleute sind Marschierer. Wir fühlen uns als die SA der Propaganda. Wir machen die Straße frei und gehen bis in die letzten Häuser, damit der gewaltige Strom der Ideen des Nationalsozialismus alle Volksgenossen erfüllt. Für den Rundfunk arbeiten heißt: für die Partei und für den Führer arbeiten.“

 
Das Radio wird zur Kriegswaffe

Endgültig zur geistigen Waffe wurde der Rundfunk im Zweiten Weltkrieg. 1939 besaß mehr als jeder zweite deutsche Haushalt ein Radio - und war damit buchstäblich am Puls der Zeit. „Kein Extrablatt unterrichtete uns vom Beginn des Krieges“, resümierte die Zeitschrift Volksfunk. „Unser Führer selbst rief uns zusammen und sprach zu uns.“
Doch auch die Gegner wussten das Radio zu nutzen. An der Spitze die britische BBC: über den Londoner Sender wandten sich deutsche Emigranten an ihre Landsleute: „Hören Sie in Ihrem Zimmer Ihre Uhr ticken? Eins - zwei - drei - vier - fünf - sechs… Jede siebte Sekunde stirbt ein deutscher Soldat in Russland!“ Auch wenn drakonische Strafen drohten, im Geheimen hörte schon 1941 eine Million Deutscher die BBC - Tendenz steigend.

„Die Hörer, die Gelegenheit haben, ausländische Sendestationen zu empfangen, müssen daran gehindert werden, dass sie vor allem ihre zum Teil ausgezeichneten Tanzmusiken abhören“, hatte die Chefetage des Reichsrundfunks schon 1934 gefordert. „Sie können aber nur dadurch gehindert werden, dass wir ihnen eine noch bessere Tanzmusik bieten.“

 
Musikprogramme als Köder

1941 gab Berlin eine Marschrichtung vor, die bis heute modern anmutet: „Im Einzelnen bitte ich den Schwerpunkt auf beschwingte Stücke zu legen, besonders an den Anfang und Schluss jedes Programms ein Stück von zündender Wirkung. Im Verlauf des Programms ist eine möglichst große Abwechslung in jeder Beziehung anzustreben.“
1944 bestanden 80% des Programms aus Musik – vielfach aus aktueller Tanzmusik, unterbrochen nur von knappen Ansagen. Während Europa im Chaos versank, lieferte das Radio Unterhaltung bis zum bitteren Ende.

 
Kriegsberichterstattung seit 1940

Freilich war die Musik wie schon in den Friedensjahren nur Mittel zum Zweck. Saßen die Hörer erst einmal vor dem Lautsprecher, dann waren sie auch der Propaganda ausgeliefert. Die verbarg sich in den Nachrichten ebenso wie in den Kommentaren, Funkvorträgen und aktuellen Frontberichten. Reportagen direkt aus dem Kampfgeschehen, aus Landungsbooten, MG-Nestern und sogar aus angreifenden Bombenflugzeugen gab es schon seit 1940. Und die Propaganda verstummte auch dann noch nicht, als sich das Ende längst abzeichnete.

 
Durchhalteparolen bis zum Schluss

„Die stärkste und wirkungsvollste Waffe wird immer in der Kraft unseres Willens zu sehen sein“, proklamierte Generalleutnant Kurt Dittmar, den Hörern als „Stimme des Oberkommandos“ bekannt, im Herbst 1944. „Der geistige Belagerungszustand, unter dem wir stehen, fordert vor allem eins: Nationale Disziplin!“ Und noch im Frühjahr 1945, als Deutschland unter den alliierten Schlägen kollabierte, meldete sich im Äther der „Sender Werwolf“ zu Wort: mit Drohungen gegen kapitulationsbereite Deutsche, die Erinnerungen an Fememorde heraufbeschworen – an die nächtliche Lynchjustiz, mit der nationalsozialistische Banden in den 20er Jahren Angst und Schrecken verbreitet hatten.
Es war Goebbels zwar nicht gelungen, per Rundfunk aus 70 Millionen Deutschen glühende Nationalsozialisten zu machen. Doch zur Bereitschaft, auszuhalten im Inferno der letzten Kriegsjahre dürfte das Radio seinen Beitrag geleistet haben. Erst als die Alliierten eine Sendestation nach der anderen eroberten, wurde die Stimme des braunen Rundfunks leiser. Verstummt ist sie erst am 9. Mai 1945.