Leitartikel

Vom Cowboy- zum Sheriff-Kapitalismus

Die Ankündigungen des US-Finanzministers markieren einen fundamentalen Bruch mit der bisherigen Philosophie der Amerikaner in Sachen Finanzmarktregulierung.

ZUM THEMA

Diese Kehrtwende ist so abrupt und radikal, dass sie links und rechts noch manchen ins Straucheln bringen wird. US-Finanzminister Timothy Geithner hat nicht weniger angekündigt als den fundamentalen Bruch mit der bisherigen Philosophie der Amerikaner in Sachen Finanzmarktregulierung.

Bislang galt in Washington die Faustregel, dass die beste Regulierung im Zweifel eine sanfte oder gar keine Regulierung ist. Auch das neue Team von Präsident Barack Obama hat sich noch bis vor Kurzem gegen alle Versuche der Europäer gewehrt, dem Staat strengen Zugriff auf die Finanzmärkte und ihre Akteure zu verschaffen.

Jetzt hat Geithner im Kongress ein Reformpaket vorgestellt, das die alte Logik auf den Kopf stellt. Strikte staatliche Kontrolle soll künftig der Normalfall sein, gebündelt bei einer einzigen Superbehörde, die alle Möglichkeiten hat, auch die großen, risikoträchtigen Schattenreiche der Finanzwelt aggressiv auszuleuchten.

Was von diesem Paket am Ende des langen Gesetzgebungsprozesses übrig bleiben wird, ist natürlich offen. Es ist auch nicht zu erwarten, dass damit jedes Problem in Zukunft ausgeschlossen wird. Die schon vorhandenen zahlreichen Aufsichtsbehörden haben schließlich zuletzt grandios versagt. Ihre schiere Inkompetenz und Schlafmützigkeit trugen erheblich dazu bei, dass sich explosive Risiken aufbauen konnten.

Auch künftig können sich Finanzartisten auf unregulierte Offshore-Plätze flüchten. Der grundlegende Sinneswandel in Washington wird es aber einfacher machen, gemeinsame Regulierungsstandards für die großen Volkswirtschaften zu entwickeln. Geithners Plan ist insofern auch ein herausragendes Signal für den Londoner G20-Gipfel in der nächsten Woche: Washington kommt den Europäern deutlich entgegen.

Völlig ungetrübt wird die Freude der EU-Regierungen aber nicht sein: Nachdem die Amerikaner beim Streitthema Regulierung eingelenkt haben, werden sie in London umso energischer fordern, dass sich jetzt Europa bewegt und mehr für die Stimulierung der Weltkonjunktur tut.

Zudem wird es nach der Einigung auf eine gemeinsame Regulierungsphilosophie um eine lange Liste schwieriger Detailfragen gehen. Die bequeme Parole, dass der Markt viel strengere Regeln braucht, aber der Amerikaner eben alles blockiert, hat seit diesem Tag ausgedient.

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Aus der FTD vom 27.03.2009
© 2009 Financial Times Deutschland

 

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