Wiener Zeitung Homepage Amtsblatt Homepage LinkMap Homepage Wahlen-Portal der Wiener Zeitung Sport-Portal der Wiener Zeitung Spiele-Portal der Wiener Zeitung Dossier-Portal der Wiener Zeitung Abo-Portal der Wiener Zeitung Portal zum ouml;esterreichischen EU-Vorsitz 2006 Suche Mail senden AGB, Kontakt und Impressum Benutzer-Hilfe
 Politik  Kultur  Wirtschaft  Computer  Wissen  extra  Panorama  Wien  Meinung  English  MyAbo 
 Lexikon   Glossen    Bücher    Musik 

Artikel aus dem EXTRA LexikonDrucken...

Alles wird gut

War die Sorge um die Umwelt übertrieben? Björn Lomborgs Plädoyer für einen neuen Umwelt-Optimismus
Von Peter Markl

Vor sechs Jahren erschien bei der Harvard University Press ein mittlerweile berühmt gewordenes Buch mit dem provokanten Titel: "Aber stimmt das denn auch ?" Es war aus einer Reihe von Seminaren über Umweltfragen hervorgegangen, die Aaron Wildavsky, Politikwissenschaftler an der Universität von Kalifornien, mit seinen Studenten ausgearbeitet hatte. Dabei ging es nicht nur darum, an Hand von detaillierten Berichten über konkrete Fälle (wie etwa Dioxin, Agent Orange und Times Beach) die Problemsituation aus der Sicht der Naturwissenschaften, mit all den unvermeidlichen Grauzonen an Unsicherheit, zu dokumentieren, sondern auch die Reaktion der Medien zu analysieren und die dadurch ausgelösten Reaktionen der Politiker festzuhalten. Das Buch wurde zu genau dem, was sein Untertitel versprach: Eine Einführung in Sicherheits- und Gesundheitsfragen für den umweltbewussten Bürger.

Situationslogik

Was das Buch so instruktiv machte, war, dass es eben nicht nur um Fakten ging, sondern auch um alle die Maßstäbe, welche die verschiedenen Akteure bei der Beurteilung der Fakten angelegt hatten und welche Strategien sie zur Bewältigung der Situation wählten - oft war ihr Manöver-Spielraum durch die Logik der Situation stark eingeschränkt. Das Buch, das Björn Lomborg, ein junger Professor für Statistik am Department für Politikwissenschaften an der Universität von Aarhus (Dänemark), jetzt bei der angesehenen Cambridge University Press veröffentlicht hat, ist dem Buch von Aaron Wildavsky insofern verwandt, als auch er sich fragt: "Stimmt das denn auch?"

Wildavky hatte in seinem Buch vorwiegend jene lokalen Umweltpannen untersucht, an denen die Umweltbewegung gewachsen ist, wobei er ausführlich die Grenzen der Methoden aufzeigte, mit denen man zu relevanten Daten kommen kann. Lomborg dagegen hat versucht, sich darüber zu informieren, wie weit die verfügbaren Daten wirklich das stützen, wogegen er offensichtlich eine Art Allergie entwickelt hat - nämlich die in weiten Teilen der Umweltbewegung und weit darüber hinaus gebetsmühlenhaft wiederholte Litanei, dass sich der Zustand der Welt unablässig von schlecht zu noch schlechter wandelt: Die Bevölkerung wächst unaufhörlich, die Ressourcen neigen sich dem Ende zu, der Hunger breitet sich aus, Luft und Wasser werden immer dreckiger, die Erde heizt sich auf, Tier- und Pflanzenarten sterben mit einer in den Jahrtausenden vorher nie beobachteten Geschwindigkeit aus, die Wälder verschwinden ebenso wie die Fischvorräte und Korallenriffe.

Lomborg beschreibt sich als ein linkes Greenpeace-Mitglied. Er sagt, dass er im Februar 1997 aus einer Art dogmatischem Schlummer geweckt wurde, als er in Los Angeles auf ein Magazin stieß, in dem über die Ansichten von Julian Simon berichtet wurde, seines Zeichens Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Universität von Maryland, berühmt geworden als der provokanteste Sparringpartner der ersten Generation der amerikanischen Umweltaktivisten, die bei ihren Vorhersagen über die Erschöpfung der Ressourcen so fahrlässig umgegangen waren, dass Simon einige spektakuläre Wetten gewinnen konnte.

(Er selbst hat allerdings im Eifer der Gefechte gelegentlich auch absurden, unhaltbaren Unsinn in die Welt gesetzt, worauf seine Gegner noch heute dankbar zurückkommen.)

Simon hatte damals gerade eine Vorhersage der langfristigen Entwicklung plakatiert, welche die Umweltbewegung provozieren musste: "Die materiellen Lebensbedingungen werden für die meisten Leute, in den meisten Ländern und zur meisten Zeit, besser werden. Innerhalb von ein oder zwei Jahrhunderten wird der Großteil der Menschheit den heutigen westlichen Lebensstandard erreicht haben oder sogar noch besser leben können. Ich vermute allerdings, dass viele Leute weiter denken und sagen werden, dass die Lebensbedingungen immer schlechter werden."

Björn Lomborg fand das empörend. Julian Simon hatte sich als Stütze für seine Ansichten auf Allen zugängliche Statistiken berufen - darunter auch einige, auf die er sich besser nicht berufen hätte - und Lomborg fand, dass zur Beurteilung von deren Qualität und Interpretation doch niemand besser gerüstet sein müsste als gerade er, der er doch Professor für Statistik ist. Er erwartete, dass das meiste, worauf sich Simon berief, einfach nur Propaganda der Rechten war. Was er fand, war jedoch anders, und das ließ ihn vier Artikel in Politiken schreiben, die in Dänemark in Form von mehr als 400 Artikeln, Kommentaren und Kritiken eine gewaltige Debatte auslösten.

Björn Lomborg hat dann vier Jahre lang daran gearbeitet, seine Sicht des Zustands der Umwelt mit allen für sie sprechenden Belegen niederzuschreiben: er konstatiert, dass das Leben der Menschen auf der Erde sich im Vergleich zur Vergangenheit in praktisch jedem relevanten und messbaren Indikator verbessert und nicht verschlechtert hat. Mehr noch: es hat wesentliche Verbesserungen gegeben, auch wenn natürlich noch lange nicht erreicht ist, was man sich wünschen würde: "Wenn man klar macht, dass gerade unsere am meisten publizierten Ängste unbegründet sind, dann heißt das nicht, dass wir keine Anstrengungen unternehmen sollten, unsere Umwelt zu verbessern. Es ist in vielen Fällen vernünftig, Anstrengungen dazu zu unternehmen, besser mit unseren Ressourcen umzugehen und unsere Probleme auf Gebieten wie Erhaltung der Wälder, Wasserhaushalt, Luftverunreinigung und globale Erwärmung in Angriff zu nehmen. Ich versuche hier die besten Unterlagen für eine informierte Entscheidung darüber zu sammeln, wo wir unsere Anstrengungen konzentrieren sollten."

Umfassender Untergang

Lomborg versucht das auf etwa 350 Seiten, unterstützt von 2.930 Anmerkungen, belegt durch an die 70 Seiten vollgepackt mit Literaturzitaten. Im ersten Teil kritisiert er die Litanei vom umfassenden Untergang, wobei er detailliert auf Berichte und Statements von Umwelt-Pressure-Gruppen wie das Worldwatch Institute, Greenpeace und den World Wide Fund for Nature eingeht. In Teil 2 behandelt er die menschliche Wohlfahrt (Gesundheit, Lebenserwartung, Nahrungsmittelversorgung und materiellen Reichtum), um im dritten Teil der Frage nachzugehen, ob ein weiterer Anstieg des Wohlstands nicht ganz einfach unmöglich sei, weil man an die Grenzen der Ressourcen stoßen würde - etwa in der Energieversorgung oder der Wasserwirtschaft.

Nach einer Diskussion der Frage, ob die Kontamination von Luft und Wasser nicht weitere Fortschritte beeinträchtigen würde, diskutiert Lomborg die Probleme von Morgen: die Reduktion der Artenvielfalt, globale Erwärmung und die weit verbreitete Furcht davor, von Umweltchemikalien vergiftet zu werden.

Das alles ist ein so gewaltiges Programm, dass sich Lomborg nicht auf Primärveröffentlichungen stützen kann, sondern auf Übersichtsarbeiten zu einzelnen Teilaspekten und die zahllosen Berichte internationaler Organisationen zurückgreifen muss, die doch oft so etwas wie ein Spiegel des Konsens der besten Experten sind. Als Statistiker kann Lomborg zwar beurteilen, ob die erfassten Daten für das Problem relevant sind und sie auch statistisch adäquat interpretiert wurden, er kann aber ebenso wenig wie irgendjemand aus der Umweltbewegung über jene Erfahrung und jenes Detailwissen verfügen, welche ein Urteil über wissenschaftliche Primärveröffentlichungen aus so weit auseinanderliegenden Gebieten erfordern würde.

Was Lomborg mehr als andere in seine Interpretation einbringt, sind Gesichtspunkte aus der Umweltökonomie, die ihn immer wieder auch zu nicht gerade populären Schlüssen führen: es ist seinem Urteil nach ökonomisch wenig sinnvoll, 5 Milliarden Dollar in eine Umsetzung des Kyoto-Protokolls zu investieren, wenn damit doch nicht mehr erreichbar wäre als dass man die für 2100 vorhergesagte Temperaturerhöhung auf das Jahr 2106 hinausschiebt.

Es wäre in seiner Sicht weitaus besser, das Geld dazu einzusetzen, sich der doch nicht vermeidbaren Temperaturerhöhung anzupassen. Es gibt wahrscheinlich niemanden, der jedem von Björn Lomborgs Schlüssen zustimmen wird, aber die meisten finden das Buch äußerst anregend, auch wenn sie, wie David Pearce, Professor für Umweltökonomie am University College in London, eine Gefahr nicht übersehen: Wenn die Leser Lomborgs Optimismus nicht ganz zu teilen vermögen, dann überrascht das nicht. Selbst 178 graphische Abbildungen und 3.000 Fußnoten können nicht alles das abdecken, worüber sich die Leute Sorgen machen. Wenn es ihm gelungen ist, einige Untergangspropheten zu entlarven, gut so. Das einzige Risiko ist, dass die Leute seine Botschaft, dass "die Dinge besser werden", mit der Panglossianschen Botschaft verwechseln, dass "die Dinge so gut sind, wie sie bestenfalls sein können".

Es überrascht weiter nicht, dass manche in der Umweltbewegung Lomborgs Buch entschieden anders sehen. Beispiel dafür ist eine Kritik in der "Nature", deren Kritiker Lomborg vorwerfen, dass er doch nur die vernichteten Argumente wiederholt habe, welche bereits andere vor ihm über die ganz besondere Schludrigkeit bei der Angabe von Daten über die Geschwindigkeit des Artensterbens angeführt haben. (Es war angesichts der gewaltigen Unsicherheit bei der Abschätzung der Zahl der lebenden Arten immer schwierig zu verstehen, wie sicher man sich in Bezug darauf gab, dass davon so und so viele Prozent aussterben würden. Eine sehr bekannte amerikanische Umweltaktivistin hatte auf einen solchen Einwand einmal erklärt, dass ja an den Einwänden etwas dran sei, aber man müsste den Leuten nun einmal eindrucksvolle Zahlen nennen, sonst seien sie nicht aus ihrer Lethargie wachzurütteln).

Tortenwurf

Stuart Pimm und Jeff Harvey, die in der "Nature" Lomborg kritisierten, werfen ihm vor, dass er bei der Diskussion dieser Daten dieselbe Taktik anwende wie die Neonazis, welche Argumente gegen den Holocaust vorbringen. Sie führen an, dass es in der nächsten Zeit Serien von Artikeln geben werde, in denen man Lomborg widerlegt - ein Unterfangen, das bereits auf zahlreichen Internet Adressen in Angriff genommen wurde.

Wer sich die in der "Nature" angeführte Internet-Adresse ansieht, findet dort ein Bild Lomborgs, den gerade eine vom einem englischen Diskutanten geworfene Torte getroffen hat.

Die Diskussions-Stile sind nun einmal sehr verschieden. Björn Lomborgs Buch und die Diskussion darum belegen, dass Umweltbewegungen auch an ihrem Erfolg leiden können. Lomborg zitiert Kalle Hestvedt von Greenpeace (Norwegen), der einem Bericht der norwegischen Tageszeitung Verdens Gang zufolge das Problem sehr klar formuliert hat: "Wir hatten Probleme, die Umweltbewegung der neuen Realität anzupassen. Einseitiger Pessimismus über die Situation beeinträchtigt die Glaubwürdigkeit der Umwelt-Organisationen. Wenn die Leute es nicht mehr so empfinden, als ob die Welt im nächsten Moment auseinanderfallen würde, haben sie Probleme damit, die Umweltorganisationen ernst zu nehmen. Die Wahrheit ist einfach, dass viele Umweltprobleme, gegen die wir vor zehn Jahren gekämpft haben, so gut wie gelöst sind."

Man wird den Eindruck nicht los, dass die politischen Parteien die Umweltorganisationen nur beneiden können.

Literatur:

Aaron Wildavsky: But is it true? A Citizen's Guide to Environmental Health and Safety Issues. Harvard University Press, 1995.

Björn Lomborg: The Septical Environmentalist. Measuring the real State of the World. Cambridge University Press 2001.

Stuart Pimm and Jeff Harvey: No need to worry about the future ? "Nature", 8. November 2001.

David Pearce: A bright green. "New Scientist", 22. September 2001.

http://www.anti-lomberg.com

Freitag, 23. November 2001

Aktuell

Blicke aufs Häusermeer
Erhöhte Aussichtspunkte haben schon immer Schaulustige angelockt
Wer übernimmt die Führung?
Die kommenden Probleme und Entwicklungen der Weltwirtschaft – Ein Panorama
In Millionendimensionen
Grundlegende Befunde über den allseits sichtbaren Wandel Chinas

1 2 3

Lexikon



Wiener Zeitung - 1040 Wien · Wiedner Gürtel 10 · Tel. 01/206 99 0 · Impressum