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Land an der Sonne

Zum Stand der Solartechnik in Österreich
Von Arne Opitz

In einem einzigen Jahr geht über Österreich so viel CO2 in die Luft, wie in einer Million Jahren gebunden werden kann. Pro Jahr gibt die Sonne über der österreichischen Landmasse 343.000 Petajoule ab, während die 1990 in Österreich benötigte Nutzenergie lediglich 451 Petajoule betrug. Zwei gute Argumente für eine effizientere Nutzung der Sonne.

Die Hälfte unseres Energiebedarfs geht allein für den Betrieb von Gebäuden drauf. Damit stellt sich die Frage, wie die kostenlose und frei verfügbare Sonnenenergie ökologisch und ökonomisch sinnvoll eingesetzt werden kann. Es gibt zum einen die Elektrizitätsgewinnung über den Weg der Photovoltaik , also die Umwandlung und Speicherung von Solarstrom, eine immer noch aufwendige und kostspielige Technologie. Zweitens die sogenannte passive Sonnenenergie in Form von nach Süden gebauten, wärmegedämmten Niedrigtemperaturhäusern. Die dritte Anwendung ist die verbreitetste Form der Nutzung von Sonnenenergie: Raumheizung und Warmwasseraufbereitung über Solarkollektoren aus Silizium-, seit kurzem aus noch effizienter arbeitenden Kunststoffzellen. Hier führt Österreich mit einer Kollektorfläche von 1,24 Mill. m² europaweit, nach einem anderen Ranking sind wir sogar weltweit auf Platz 2 hinter Australien.

Solargruppen als soziale Bewegung

Der Siegeszug hatte 1979 mit bescheidenen 28.000 m² begonnen, doch allein 1995 bauten die Österreicher 200.000 m² auf Dächer, Terrassen und Gärten. Das zahlt sich volkswirtschaftlich und ökologisch aus, denn allein die bisher erstellte Kollektorfläche spart jedes Jahr 115.000 t Heizöl und reduziert den Ausstoß des Schadstoffs Kohlendioxid (CO2) um jährlich rund 360.000 t.

Die Wiege der österreichischen Solarbewegung steht in St. Marein bei Graz, wo sich 1983 die erste Solar-Selbstbaugruppe zusammenfand - Ziel war die Brauchwasseraufbereitung. Inzwischen sind solche Selbstbaugruppen landauf, landab am Werk: im Burgenland, in Tirol, im Weinviertel, im Marchfeld. Eine Untersuchung belegt, daß sich nicht nur Technikfexe oder Häuselbauer ein Stelldichein geben, sondern daß eine neue soziale Bewegung entstanden ist, die etwa im Falle Steiermark an traditionelle Sozialstrukturen der Gemeinschaftsarbeit bei der Mais-, Obst- und Weinernte anknüpfen konnte. Pragmatische Gründe spielen dabei die Hauptrolle, denn die Investition von rund 30.000 Schilling und eine Amortisation von acht bis zwölf Jahren sind für einen Vierpersonenhaushalt machbar.

Die Zufriedenheit mit dem Selbstgebauten läßt sich daran ablesen, daß 60 Prozent der Anlagen seit zehn Jahren störungsfrei laufen. Mit 350.000 m² Kollektorfläche verweist Oberösterreich im nationalen Solarwettlauf die anderen Bundesländer auf die Plätze, kein Wunder, daß in Linz das Projekt einer Solar City entstand. Die wirtschaftliche Potenz der Region im Städtedreieck Linz, Steyr, Wels sprach ebenso dafür wie die rund 6.000 in Aussicht gestellten Arbeitsplätze und eine Wertschöpfung von 1,11 Mrd. Schilling pro Jahr. Die Gesamtinvestition beträgt über 5 Mrd. Schilling, und in der Endstufe sollen 5.000 bis 6.000 Wohnungen auf den 34 ha in Linz-Pichling stehen.

Der ökologische Anspruch besteht nicht nur im Einsatz solarer Energiequellen, sondern auch in der Einbeziehung der schützenswerten Traun-Auen. Bei der Finanzierung der ersten 750 Musterwohnungen half Brüssel mit rund 8 Mill. Schilling. Für die Planung der zweiten Tranche von nochmals 773 Wohnungen gewann Martin Trebersburg, ausgewiesener Fachmann für Niedrigenergiearchitektur, den Wettbewerb. Er stellt gerade auf den Osram-Gründen im 23. Wiener Gemeindebezirk ein weiteres Niedrigenergieprojekt mit Sonnenfenstern, Sonnenerkern, Wintergärten, Brauchwasserwiederaufbereitung und einer Reihe anderer nachhaltiger Lösungen fertig.

Leider hat sich allerdings in der Zwischenzeit in Linz die Einrichtung von Photovoltaikanlagen als zu teuer herausgestellt, und man sucht andere Wege, erneuerbare Energie einzusetzen. Auf Platz 3 liegt die Nutzung der Abwärme aus der Deponie Asten, davor rangiert die klassische Fernwärmelösung, aber die besten Chancen hat derzeit ein Motorblockheizwerk auf der Basis von Bio-, Erdgas oder Bio(Raps)öl plus Hausmüllverbrennung, die immerhin 10 bis 15 Prozent der erzeugten Energie ausmacht. Die Baukosten für die erste Tranche der 750 geförderten Musterwohnungen liegen bei einer Nettoobergrenze von 16.500 Schilling, das Land legt à conto Niedrigenergie noch 1.000 Schilling pro Quadratmeter drauf. Wie die Erfahrung lehrt, dürften allerdings die 1995 kalkulierten Baukosten mit der Kostenentwicklung kaum Schritt halten.

Wien ist zeitlich einen kleinen Schritt weiter. Im 22. Wiener Gemeindebezirk steht die Sun-City mit über 1.000 Wohneinheiten in überwiegend nach Süden ausgerichteten Niedrigenergiehäusern. Die Nutzwasseraufbereitung für rund 2.000 Menschen läuft zu einem großen Teil über Sonnenkollektoren, die Raumheizung allerdings ebenfalls nicht über Photovoltaik, sondern über Fernwärme. Ein anderes ziemlich utopisches Projekt ist offensichtlich wieder in Vergessenheit geraten: der Garten-Stadt-Hügel hinter dem Wiener Westbahnhof, geplant vom amerikanischen Architekturstar Levine. Er sollte bis zum Technischen Museum reichen und von einer riesigen transparenten Kuppel überwölbt sein.

Sanierung statt Erweiterung

Themenstädte sind in und haben bei Planern und Architekten Konjunktur, etwa "Frauenstädte" oder "autofreie Städte". Politiker verkaufen sie gerne ihren Bürgern und natürlich potentiellen Ansiedlern. Mal apostrophiert man deshalb Wien werbewirksam als Umweltmusterstadt, mal als Solarhauptstadt Europas.

Die Frage ist, ob Städte auf der grünen Wiese angesichts des dramatisch fortschreitenden Bodenverbrauchs und der technischen wie wirtschaftlichen Situation im Hochbau noch zeitgemäß sind. In diesen Tagen hat das Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO) ermittelt, daß die Mittel der öffentlichen Wohnbauförderung tendenziell zurückgehen und es ratsam erscheint, sich verstärkt der Wohnungssanierung und Revitalisierung zuzuwenden. Auch im Sinne der Nachhaltigkeit spricht viel für die Adaptierung alter Bausubstanz gegenüber neuen Satellitenstädten, zumal zahlreiche Industriebrachen dringend auf eine originelle und angemessene Nutzung warten.

Für Erneuerung statt Erweiterung spricht auch der Umstand, daß sich unsere alten Städte, Straßen und das System der städtischen Grundstücksparzellen im Laufe der Zeiten bestens bewährt hat. Raumabmessung und -anordnung eines Gründerzeithauses beispielsweise eignen sich für die verschiedensten Funktionen: Büro, Wohnung, Laden oder Werkstatt. Die Fähigkeit der Selbstregulierung und Selbstorganisation der alten Städte ist unübertroffen. Außerdem existieren bereits gewachsene Nachbarschaftsstrukturen, eine funktionierende Nahversorgung, gesellschaftliches Leben, soziale Durchmischung und Raum für Individualität. Degegenüber drohen in den Retortenstädten Ghettobildung, soziale Brennpunkte, Vereinsamung, Drogenmißbrauch und Vandalismus.

Erstellt am: 25.05.98 14:17:00 Copyright Wiener Zeitung

Montag, 25. Mai 1998

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