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Fünf Männer und ein schwarzer Koffer

Die "Umweltgruppe" des Sicherheitsbüros der Bundespolizei Wien
Von Christine Herner

11. Jänner 1995: In der 1.000 m² großen Lagerhalle der Kunststoff- und Metallwarenfabrik Dietzel in Wien-Simmering bricht ein Großbrand aus. Geschmolzenes Plastik erzeugt giftige Dämpfe,
kilometerweit ist eine Rauchwolke zu sehen. 130 Feuerwehrmänner brauchen mehrere Stunden, um unter schwerem Atemschutz das Feuer zu löschen. Die gesamte Frühjahrsproduktion ist vernichtet, für die
Firma ein Verlust von 20 Mill. Schilling. Doch was "kostet" die Verpestung der Luft, der Böden und des Grundwassers, die die Folge eines solchen Unglücks sind? Ein Fall für die Umwelt-
Kriminalpolizei.

Im Jahre 1984 verankerte Österreich sein Bekenntnis zu umfassendem Umweltschutz in einem eigenen Bundes-Verfassungsgesetz. Und 1989 wurden ins Strafgesetz erstmals Rechtsvorschriften zum Schutz der
Umwelt aufgenommen. Für die Sicherheitsbehörden (aller Bundesländer) bedeutete dies, daß sie sich plötzlich mit völlig neuen Aufgaben konfrontiert sahen. Sie mußten ihre Ermittlungen auf diejenigen
Straftäter ausweiten, die mit der Verschmutzung der Umwelt eine größere Zahl von Menschen (ab zehn Personen), oder den Tier- und Pflanzenbestand in einem großen Gebiet (ab 1 km²) gefährden. Manchmal
verursacht reine Fahrlässigkeit ein Umweltunglück, wie bei dem Simmeringer Brand, den eine "harmlose" defekte Kaffeemaschine ausgelöst hat. Meistens sind es aber Wirtschaftsunternehmen, die sich
"preisgünstig" irgendwelchen giftigen Mülls entledigen wollen, ohne an die Folgen für Mensch und Natur zu denken.

Werner Griesz war früher Kriminalbeamter im 2. Bezirk, aber dann wollte er sich aus familiären Gründen verändern und erfuhr, daß es beim Sicherheitsdienst der Wiener Bundespolizei eine "Umweltgruppe"
gibt. Und da gerade eine Stelle frei war, hat er sich gemeldet, weil "das ganze soll einen schon interessieren, es ist ja für unsere Kinder". Auch der junge Karl Frauenberger hat sich schon immer für
Umweltschutz engagiert, und daß er hier etwas dafür tun kann, war ein Grund, überhaupt zur Kripo zu gehen. Frauenberger, Griesz und zwei weitere Beamte bilden die derzeit vierköpfige "Umweltgruppe",
die seit 1992 als eigenständige Einheit im Raum Wien in Umweltstraftaten ermittelt.

Nicht immer muß freilich ein spektakuläres Ereignis passieren, bevor die Vier auf den Plan treten. Fritz Demal, ihr juristischer Leiter: "Manchmal bekommen wir anonyme Anzeigen, und da haben
wir schon den Eindruck, daß es meistens Firmen-Insider sind. Die wollen natürlich nicht genannt werden, weil sie Druck vom Arbeitgeber erwarten. Oder es sind ehemalige Firmenangestellte, die um die
Umtriebe ihrer Firma Bescheid wissen und jetzt reden können, weil ihr Arbeitsverhältnis ja nicht mehr existiert." Hinweise kommen aber auch von beunruhigten Bürgern, wenn z. B. ein Baum stirbt oder
"weiße Flankerln" niedergehen und ähnliches. Als im November 1995 bei der Hoechst AG in Floridsdorf ein Betriebsunfall passierte, war es ein Passant, der einen beißenden Geruch wahrnahm und die
Feuerwehr verständigte. Durch einen Defekt im Kühlsystem waren 250 kg einer Substanz ausgetreten, die als krebserregend gilt. "Die Bevölkerung ist schon recht wachsam", meint Karl Frauenberger, aber
Werner Griesz wendet ein, "es würde nicht schaden, wenn die Leute noch aufmerksamer wären. Uns ist es lieber, wir fahren ein paar Kilometer zuviel, als daß uns ein Umwelttäter davonkommt." Natürlich
stellen die Leute von der Umwelt-Kripo auch so ihre eigenen Beobachtungen an. Stichwort: illegale Mülldeponien. Einmal im Monat fliegen sie die Stadtränder von Wien ab, "weil die meisten illegalen
Ablagerungen sind am Stadtrand. Aus der Luft ist das ganze Gebiet schön einzusehen, und da fällt einem dann schon auf, wenn z. B. im Hinterhof einer Firma ein Riesenberg Müll steht, und nur zwei
Leute sortieren. Da muß man annehmen, daß der Müll nicht ordentlich sortiert wird, sondern irgendwo auf eine Deponie gekippt wird, wo er nicht hingehört".

Durch eine solche Hubschrauber-Aktion wurde 1995 der bisher größte Kriminalfall auf dem Umweltsektor aufgedeckt (nachdem schon Hinweise aus der Bevölkerung auf die Spur geführt hatten), die illegale
Deponie von Gerasdorf. Obwohl diese nur für Bauschutt genehmigt war, hatte eine Firma dort mit Hilfe des Deponiebetreibers und der zwei Baggerfahrer Leuchtstoffröhren, Eiskästen, und sonstigen
problematischen Mixmüll vergraben. "Überzuckert" war das ganze mit Bauschutt, damit es nicht auffiel. Für die 300 bis 400 Fuhren, die schon seit einem Jahr unbemerkt dort deponiert wurden, kassierten
die Mithelfer ein Trinkgeld von 200 bis 500 Schilling pro Fuhre. Ein Klacks, wenn man bedenkt, daß sich das Privatunternehmen damit 5 Mill. Schilling ersparte. Fritz Demal sagt stolz: "Hier ist es
der Wiener Polizei erstmals gelungen, Umweltsünder in Haft zu nehmen. Aber der Fall ist noch immer gerichtsanhängig und deshalb kann ich derzeit auch noch nichts Endgültiges sagen."

Ein spannender "Kriminalfilm" ist die Arbeit der Umweltkripo freilich nicht immer, vor allem dauert sie wesentlich länger. Hat sie z. B. ein verdächtiges Unternehmen im Visier, dann ist
zunächst einmal eine Menge Verwaltungsarbeit zu erledigen. Das heißt im Klartext: in wochen-, ja manchmal monatelanger Arbeit wird geprüft: hat diese Firma Rechtsvorschriften (der Gewerbeordnung, des
Wasserrechtsgesetzes, des Forstgesetzes, des Abfallwirtschaftsgesetzes u. a.) gebrochen? Hat sie gegen individuelle Auflagen oder Genehmigungen verstoßen? Fritz Demal: "Es kann schon passieren, daß
eine Firma bereits seit 25 oder 30 Jahren eine Auflage hat, die zwar dem damaligen Stand der Technik entsprochen haben mag, aber nicht mehr dem heutigen Stand. Aber solange der Bescheid nicht
geändert wurde, handelt der Betreiber dieser Anlage trotzdem rechtmäßig, auch wenn z. B. die geltende Grenzmenge an Emissionen überschritten wurde und die Sache äußerst umweltgefährlich ist." Damit
das Strafrecht also wirklich zielführend angewendet werden kann, muß es erst soweit kommen, daß die Verwaltungsrechtsvorschriften alle denkmöglichen Umweltbeeinträchtigungen erfassen, doch das ist
bislang noch Zukunftsmusik.

"Wenn Gefahr in Verzug ist", sagt Werner Griesz, "darf man das aber nicht so verstehen, daß wir erst wochenlang Bescheide prüfen. Da schreiten wir natürlich sofort ein, wenn nötig auch mit dem
zuständigen Staatsanwalt, mit Haftbefehlen und Hausdurchsuchungen, so wie's in Gerasdorf der Fall war." Schließlich gibt es nicht immer einen verdächtigen Verursacher, dessen Gebaren man überprüfen
kann. Etwa bei den Altlasten, bei deren Entsorgung wohl oder übel die Öffentliche Hand einspringen muß. Oder, so Frauenberger: "wenn's nur heißt: Öltreiben auf der Alten Donau, da schnappen wir
unseren Umweltkoffer und fahren sofort hin, das ist doch klar."

Der "Umweltkoffer" ist ein schweres schwarzes Trum, in dem alles zu finden ist, was die Kripoleute für eine erste Analyse brauchen: Gefäße für die Probeentnahmen, ein Wasserheber, verschiedene
Reagenzien, die man mit den Proben vermischen muß, um herauszubekommen, ob und welches Gift im Wasser ist. Griesz zeigt auf einen Spiegel: "Mit dem kann man rauskriegen, ob Ölgehalt im Erdreich ist.
Die Probe muß man filtrieren; sie wird auf den Spiegel gegeben, und wenn das verdampft, dann sieht man, ob auf dem Spiegel Öl zurückbleibt." Luftmessungen macht die Umweltgruppe selber nicht mehr:
"Das ist eine langwierige Geschichte, und da wenden wir uns an den Magistrat oder an die Feuerwehr, weil die hat da schon viel exaktere Meßmittel, als wir mit unseren Trägerröhrchen."

Natürlich sind die Kriminalisten keine Chemiker. In einem vierwöchigen Lehrgang in Wiesbaden haben sie gelernt, den Umweltkoffer zu bedienen und in ihrem kleinen Labor in der Berggasse auszuwerten.
Auch Einblicke in Meteorologie oder in Betriebsanlagentechnik haben sie in Wiesbaden bekommen, denn dort veranstaltet das deutsche Bundeskriminalamt, zentral für Deutschland, die Schweiz und
Österreich, eine umweltpolizeiliche Grundausbildung. "Es ist natürlich unmöglich, daß wir perfekte Chemiker, perfekte Ingenieure und perfekte Kriminalisten sind. Deshalb wäre es gut, wenn wir in der
Umweltgruppe, wie z. B. in Deutschland schon üblich, Spezialisten dabei hätten, eigene Chemiker und Ingenieure, die sich mit den Betriebsanlagen auskennen", sagt Werner Griesz.

Weil die vier von der Umweltgruppe keine Spezialisten sind, zählen ihre Aussagen auch nicht vor Gericht, hier werden dann Experten hinzugezogen. Die chemische Analyse der Kripoleute ist ja nur eine
Ersterhebung und klärt die Frage, ob überhaupt weiter ermittelt werden muß. Im übrigen sind ihre Reagenzmischungen meist nicht ganz exakt: "Da geht es um Tropfen, und wenn man da a bißl mehr
erwischt, kann sich das Ergebnis schon wieder verändern. Heute muß man aber immer damit rechnen, daß eine Firma, die man angezeigt hat, Gutachter ins Spiel bringt. Und die zerreißen einen in der Luft
und weisen alles nach, wenn das nicht auf die Kommastelle stimmt." Für die weitere genaue Analyse gehen die Proben dann an eine übergeordnete Dienststelle im Ministerium, an die Kriminaltechnische
Zentrale. "Dort sind richtige Wissenschafter, und die können dann wirklich auf die zweite Kommastelle sagen, was da dran ist", sagt Karl Frauenberger. Seit kurzem haben die Kripoleute einen
praktischeren Ersatz für ihren Umweltkoffer bekommen, den "Laser 20", ein Gerät, das nach dem Prinzip der Fotometrie arbeitet. Das Gerät ist recht teuer, und Werner Griesz wertet das als Zeichen
dafür, daß für die Umweltgruppe in letzter Zeit einiges getan wird. Karl Frauenberger: "Das funktioniert ganz einfach. Man möchte jetzt z. B. wissen, ob Nitrit in einer Probe ist, dann stellt man die
Probe rein, und anhand der Lichtwellen erkennt das Gerät, ob tatsächlich Nitrit drin ist, und wenn ja, wieviel. Das ganze kann man auch bei Kupfer oder Aluminium oder anderen Substanzen machen, je
nachdem, in welche Richtung der Verdacht geht."

Mit Radioaktivität hatten die Kripobeamten bisher zum Glück noch nichts zu tun. Doch gefährlich genug ist ihre Arbeit auch so. Werner Griesz: "Wenn jetzt z. B. bei einer Baustelle Fässer
ausgegraben werden, und da steht der Name eines chemischen Mittels drauf, dann ist es ja nicht gesagt, daß das auch tatsächlich drinnen ist. Und da muß man vorher aufpassen; besser, man holt die
Feuerwehr und Sachverständige, bevor man sich da in Gefahr begibt." Fritz Demal: "Es gilt bei uns der Grundsatz, wenn man zu einem Tatort geht: Lieber fünf Minuten feige als ein ganzes Leben tot. Wir
wissen von einem deutschen Kollegen, der ging ungeschützt auf eine Müllhalde und wurde mit irgendeiner Substanz kontaminiert. Sein Blut hat sich dann nach zwei Tagen zu zersetzen begonnen, er ist
leider verstorben."

Eine Art des Umweltdelikts mußten die Vier bislang noch nie aufklären: "Körperverletzung durch Lärm". Griesz: "Ich glaub, auch die Bevölkerung weiß das noch gar nicht richtig, daß das im Strafrecht
verankert ist, daß man durch Lärm auch am Körper verletzt werden kann." Wobei natürlich die Lärmbelästigung durch den Nachbarn, der seine

Hi-Fi-Anlage aufdreht hier nicht gemeint ist. Demal: "Die Lärmschädigung wird im objektiven Bereich gemessen, also es genügt nicht, wenn ein einziger sich momentan von Lärm belästigt fühlt, sondern
hier ist schon zu prüfen, ob nicht eine größere Anzahl von Menschen dadurch gesundheitliche Beeinträchtigungen hat. Wenn dies der Fall ist, dann gibt es selbstverständlich eine Anzeige an die
Staatsanwaltschaft, aber bisher hatten wir noch keinen einzigen Fall."

Insgesamt sind es etwa 100 Fälle pro Jahr, in denen die Wiener Umweltkripo ermittelt. Und es ist zu vermuten, daß es künftig noch mehr werden. Denn gerade die organisierte Kriminalität sieht im
Umweltbereich ihre große Zukunft. Schließlich ist vor allem mit der grenzüberschreitenden Abfallverschiebung das große Geld zu verdienen, und die Dunkelziffer ist hier auch sehr hoch. Transporte mit
falsch deklarierten Waren sind aber oft alles andere als harmlos. Frauenberger: "Es kann z. B. sein, daß der Tank von dem Lkw Schaden nimmt, weil das geladene Material oft sehr aggressiv ist." Demal:
"Wir kommen immer mehr dahinter, daß Firmengeflechte vorhanden sind, die raffiniert Gesetzeslücken ausnutzen. Das zeigt auch der Austausch mit den Kollegen aus Deutschland, wo man solchen
Firmengeflechten, die zum Teil auch nach Österreich spielen, bereits groß auf der Spur ist."

Eine vorläufige Bilanz des Umweltverhaltens in Österreichs Wirtschaft fällt dennoch nicht schlecht aus. Demal: "Nach dem Verursacherprinzip muß ja jede Privatfirma finanzielle Mittel für die
Müllentsorgung bereitstellen. Und da bin ich doch erstaunt darüber, daß Österreich in Europa an der Spitze liegt. Mit 62 Prozent Anteil an den finanziellen Maßnahmen liegen wir noch vor Deutschland
mit 59 Prozent. Das bedeutet, nur 38 Prozent werden von der öffentlichen Hand dazugezahlt. Und es gibt derzeit auch immer mehr Firmen, die andere Firmen in Hinblick auf Entsorgung beraten und daraus
auch selbst wirtschaftlichen Nutzen ziehen. Man kann also tatsächlich sagen, das Umweltbewußtsein der Privatwirtschaft in Österreich hat sich sehr gebessert. Tendenz steigend. Das ist doch sehr erfreulich."

Wer Umweltsünden anzeigen will, melde sich bei der Bundespolizeidirektion Wien, Sicherheitsbüro, Tel. 0 22 2/313 46 DW 367 40 oder DW 367 42 oder bei der nächsten Polizeistation.

Samstag, 25. April 1998

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