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"Geld allein hilft nicht weiter"

Bremens Bildungssenator Willi Lemke (SPD) über das "grottenschlechte" Pisa-Ergebnis

Regina Kerner

Bremens Bildungssenator Willi Lemke (SPD) war früher Fußball-Manager. Er hatte gehofft, dass der Pisa-Ländervergleich nicht zu einer Art Bundesliga-Tabelle wird. Vergebens: Bremen ist Schlusslicht der Bundesländer.

Wie fühlen Sie sich als Verantwortlicher für die Bremer Schulpolitik? Haben Sie an Rücktritt gedacht?

Ich kenne es ja aus meinem früheren Leben, auch mal Tabellenletzter zu sein. Natürlich habe ich nach dem grottenschlechten Abschneiden Bremens an persönliche Konsequenzen gedacht. Aber ich bin erst drei Jahre im Amt, und die getesteten Schüler wurden 1991 eingeschult. Wäre ich so lange in der Verantwortung gewesen, hätte ich den Hut nehmen müssen.

Wie erklären Sie sich das katastrophale Ergebnis der Bremer Schüler?

Ich will gar nichts entschuldigen, aber das ist ein riesiges Mosaik von Ursachen. Da ist einmal die Tatsache, dass 40,6 Prozent unserer Schüler ausländische Eltern haben. Mit knapp zehn Prozent hat Bremen die höchste Quote von Sozialhilfeempfängern, auch die Zahl der Arbeitslosen ist eine der höchsten. Bayern hat dagegen viele ländliche Gemeinden ohne große soziale Zerrüttungen. Stellen Sie sich nur den Unterschied vor zwischen einem Elternabend in Augsburg und einem in Bremen, wo in manchen Stadtteilen 90 Prozent Ausländer sind.

Bremen gibt pro Schüler mehr Geld aus als Bayern. Die Klassen sind kleiner.

Ja, aber wir haben auch deutlich mehr Kosten. Schon dadurch, dass unsere Lehrer mit einem Durchschnitt von 53,5 Jahren zu den ältesten im Bundesgebiet gehören und höhere Bezüge erhalten. In Bremen war eine ideologiefreie Diskussion über Schulpolitik bisher nicht möglich, weil der Einfluss der Gewerkschaften mit ihrem Beharrungsvermögen so groß ist. Ich kann also Strukturen nicht radikal verändern. Schulkrieg führt nicht weiter.

Aber nach Pisa müssen Sie ja nun vieles anders machen.

Ich werde es in einem unglaublichen Kraftakt schaffen müssen, die Kosten zu senken und gegen den Widerstand der Lehrer-Gewerkschaften eine Vergleichs- und Testkultur an den Bremer Schulen zu etablieren. Vor der Pisa-Studie musste ich ja händeringend von Schule zu Schule laufen, damit die überhaupt teilnehmen. Und ich muss die Elternhäuser erreichen. Vor allem die ausländischen Eltern kümmern sich kaum um das schulische Fortkommen ihrer Kinder. Auch die Lehrer müssen engagierter unterrichten. Wir brauchen ein anderes Lernklima, mehr Disziplin. Ich predige seit Jahren: Leistung, Leistung, Leistung. Bei den Jugendlichen gilt aber als clever, wer mit ganz wenig Leistung viel erreicht.

Das klingt so, als könnten Sie nicht viel ändern.

Doch, die Bremer Schulen werden nächstes Mal deutlich besser motiviert sein. Aber das bedarf der Anstrengung aller, nicht nur der von Willi Lemke.

Hoffen Sie auf finanzielle Hilfen des Bundes? Oder pochen Sie auf die Länderzuständigkeit für Bildung?

Nur mehr Geld in die Schulen zu pumpen hilft nicht weiter. Aber natürlich nehme ich alle Mittel dankend entgegen. Alles was hilft, egal ob vom Bund, der Wirtschaft oder den Gewerkschaften, ist gut. Vor allem hoffe ich auf die Kooperation mit den Bundesländern, auf gemeinsame Ziele und Standards.

Das Gespräch führte Regina Kerner.