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Mindestlohn in sechs neuen Branchen

Bundesrat genehmigt Gehaltsuntergrenze für eine Million Beschäftigte / Arbeitsminister Scholz will sich jetzt für Leiharbeiter einsetzen / DGB verlangt Ausweitung des Programms

Regine Zylka, Matthias Loke

BERLIN. Nach monatelangen Querelen in der großen Koalition ist der Weg für Mindestlöhne in sechs neuen Branchen mit rund einer Million Beschäftigten frei. Der Bundesrat beschloss am Freitag endgültig die gesetzliche Grundlage dafür. Beschäftigte in der Altenpflege, von Wach- und Sicherheitsdiensten, in Großwäschereien, der Abfallwirtschaft, der Aus- und Weiterbildungsbranche sowie von Bergbau-Spezialfirmen können nun in das so genannte Arbeitnehmer-Entsendegesetz aufgenommen werden. Die tariflich vereinbarten Lohnuntergrenzen werden dann von der Regierung jeweils für verbindlich erklärt. Sie variieren von Branche zu Branche; der Mindestlohn in Großwäschereien liegt zum Beispiel bei 6,36 Euro (Ost) beziehungsweise 7,51 Euro (West).

Für gut 1,8 Millionen Arbeitnehmer am Bau, bei den Gebäudereinigern und bei den Briefdiensten gibt es bereits seit Längerem Mindestlöhne - damit erfasst der Gesetzgeber inzwischen knapp die Hälfte der Beschäftigten im Niedriglohnsektor. Arbeitsminister Olaf Scholz (SPD) zeigte sich zufrieden. Der Staat sorge dafür, dass die Beschäftigten vor Lohndumping geschützt würden. Das sei auch wegen der Freizügigkeit für Arbeitnehmer innerhalb der EU notwendig. Scholz äußerte zudem die Hoffnung, dass Union und SPD ihren Streit über Mindestlöhne für die rund 700 000 Zeitarbeiter beilegen werden. Eine Entscheidung dazu wird für kommende Woche erwartet. "Dann heißt es Ex oder Hopp", sagte am Freitag ein hochrangiger SPD-Politiker. Sollte die Union Mindestlöhne für Leiharbeiter weiter blockieren, würden die Sozialdemokraten das Projekt für gescheitert erklären. Lohnuntergrenzen für Zeitarbeiter sind vor allem deshalb so umstritten, weil es sich um den ersten branchenübergreifenden und flächendeckenden Mindestlohn handeln würde.

Scholz dürfte das Thema aber auch dann weiter vorantreiben, wenn die Koalition sich auf einen Mindestlohn für Leiharbeiter einigt. Möglich wäre etwa ein Vorstoß, um Beschäftigte in tariflich ungebundenen Branchen vor Lohndumping zu schützen.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) bezeichnete die Entscheidung als unzureichend, da die Zeitarbeiter nicht einbezogen wurden. Zugleich kündigte der DGB an, Mindestlöhne zum Thema im Bundestagswahlkampf zu machen. Es sei erklärtes Ziel, Lohndumping und die daraus resultierende Altersarmut zu verhindern und zu verringern, sagte Vorstandsmitglied Claus Matecki der Berliner Zeitung. Matecki machte aber auch klar, dass der DGB nicht vom allgemeinen Mindestlohn von zunächst 7,50 Euro pro Stunde abrücken werde, denn "Löhne darunter sind gesetzeswidrig", sagte er.

Kommentar Seite 4

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"Die Durchsetzung existenzsichernder Mindestlöhne ist ein sehr wichtiges Thema im Wahlkampfjahr." Claus Matecki, DGB