Leere Kassen

Bezirk in Florida ruft Notstand aus

von Georg Fahrion (Berlin)

Während Gelder des Konjunkturpakets aus Washington nur langsam durchsickern, geht die erste Region in den USA in der Not ganz eigene Wege.

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Am Donnerstag hat die Bezirksverwaltung von St. Lucie County im südlichen Florida als erste Kommune im Land den "wirtschaftlichen Notstand" ausgerufen. Dieser Schritt soll 25 bis 30 Mio. $ öffentlicher Gelder freimachen, die in Infrastrukturprojekte wie den Straßenbau fließen sollen, und die örtlichen Firmen bevorzugen.

St. Lucie ist einer von vielen Bezirken der USA, die wegen der Finanz- und Wirtschaftskrise reihenweise in finanzielle Turbulenzen geraten. Ihr Haushalt gerät wegen sinkender Einnahmen in Schieflage. Dabei verkörpert die Gegend am Atlantik 160 Kilometer nördlich von Miami wie kaum eine andere den Erfolg des amerikanischen Wirtschaftsmodells.

Verwöhnt von der ganzjährigen Sonne, nicken die Palmen an den Stränden der sogenannten Schatzküste und am Golfplatz der Bezirkshauptstadt. Port St. Lucie wuchs Anfang des Jahrtausends schneller als jede andere Stadt der Vereinigten Staaten: von 88.000 Einwohnern im Jahr 2000 auf 151.000 in 2007. Die Immobilienpreise stiegen rasant, und die Häuslebauer finanzierten ihre neuen Eigenheime in uramerikanischer Weise auf Pump.

Mit besonderer Wucht brach daher die Hypothekenkrise über St. Lucie herein: Mehr als 10.000 Häuser gingen im vergangenen Jahr in den Besitz der Banken über, weil ihre Schuldner die Hypotheken nicht mehr bedienen konnten. Innerhalb eines Jahres hat sich die Arbeitslosigkeit auf mehr als zwölf Prozent fast verdoppelt. Das ist beinahe anderthalbmal der US-Durchschnitt. Besonders hart traf es die lukrative Baubranche. Zwischen 25 und 40 Prozent ihrer Arbeitnehmer sind derzeit ohne Job.

In seiner Not greift der Bezirk nun seine Rücklagen an und ist sich dabei selbst der Nächste: Durch den "wirtschaftlichen Notstand" wird der Wettbewerb herkömmlicher Ausschreibungen außer Kraft gesetzt. Um an dem Geldsegen beteiligt zu werden, müssen 75 Prozent der an einem Projekt beteiligten Arbeiter, Materiallieferanten und Subunternehmer in St. Lucie gemeldet sein.

Gegen so viel staatlichen Einfluss und Protektionismus regte sich rasch Widerstand. "Sie beschränkt den Wettbewerb zu stark", kritisierte Bob Schafer, Ost-Florida-Präsident des Verbands der Bauunternehmer, die Verwaltung. In Florida seien Bauunternehmer üblicherweise in mehr als einem County tätig. Zudem verfüge St. Lucie nicht über genug qualifizierte Firmen, um alle Aufträge selbst auszuführen. "Mit einem regionalen Ansatz hätten wir kein Problem", sagte Schafer. "So aber werden letztendlich die Preise steigen. Das muss dann der Steuerzahler tragen."

In der Bezirksverwaltung ist man sich der Mängel bewusst. Ratsmitglied Chris Dzadovsky gibt sich aber kämpferisch: "Es ist mir egal, was wir tun müssen, damit es aufwärts geht. Die Leute sollen in ihren Häusern bleiben können."

Aus der Not geboren

Lokale Währungen Vor dem Hintergrund der Wirtschaftskrise gewinnen inoffizielle Lokalwährungen in den USA an Beliebtheit. So kann man in Detroit mit dem "Cheers" bezahlen, mit "Ithaca Hours" in einer Stadt im Staat New York oder dem "Plenty" in North Carolina.

Zumeist funktioniert das so: Konsumenten kaufen die Alternativwährung mit einem kleinen Rabatt, etwa für 95 Cent bei einem Nennwert von 1 $. Ihre Einkäufe kosten sie also weniger, dafür können sie nur vor Ort einkaufen. Lokale Geschäfte wollen so ihre Kunden binden.

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FTD.de, 25.04.2009
© 2009 Financial Times Deutschland

 

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