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Grüner Strom aus goldenen Platten

SOLARZELLEN - Nach Materialien, die Sonnenlicht effizient in Strom verwandeln, suchen Forscher rund um die Welt. Woran scheitert die Wissenschaft bislang? Und welche Stoffe werden das Rennen machen?

Andrea Hoferichter

Gerne würde Cyrus Wadia in eine sonnige Zukunft schauen, in der deutlich mehr umweltfreundlicher Solarstrom durch die Stromnetze fließt als heute. Doch der Chemieingenieur von der University of California in Berkeley sieht noch viel Forschungsbedarf: "Der Strom aus klassischen Solarzellen ist heute im Schnitt noch mehr als doppelt so teuer wie der aus Wind- und Biogasanlagen", moniert er. Der Hauptgrund ist das Silizium, das heute in den meisten Solarzellen steckt. Zwar ist es nach Sauerstoff das zweithäufigste chemische Element überhaupt. Doch damit es möglichst viel Sonnenenergie in Strom verwandelt, muss es in einem aufwendigen und teuren Prozess gereinigt und in eine perfekte Kristallform gebracht werden.

Wadia hat deshalb 23 mögliche Materialien für Solarzellen als Alternativen zur klassischen Siliziumsolarzelle geprüft. Immerhin neun davon seien deutlich günstiger herzustellen, berichtete der Forscher kürzlich im Fachmagazin Environmental Science and Technology.

Sein Favorit für eine bezahlbare solare Zukunft heißt Pyrit: eine Substanz aus Eisen und Schwefel, die wegen ihres goldenen Glanzes auch als Katzengold bekannt ist. Die Ausgangssubstanzen der Verbindung sind in Erzlagern in großen Mengen verfügbar und ausgesprochen kostengünstig aufzubereiten. Zudem schluckt Pyrit mehr Sonnenlicht als Silizium und könnte, zumindest theoretisch, deutlich höhere Stromerträge liefern.

Dennoch werden Solarzellen noch nicht so bald golden von den Dächern schimmern anstatt wie heute in einem dunklen Violett. "Bisher ist es nämlich noch niemandem gelungen, eine markttaugliche Pyrit-Solarzelle herzustellen, obgleich die guten Eigenschaften des Materials schon seit langem bekannt sind", sagt Hans-Werner Schock vom Helmholtz-Zentrum Berlin für Materialien und Energie (HZB), dem früheren Hahn-Meitner-Institut. Die elektronischen Eigenschaften des Materials seien nicht zu bändigen und man habe deshalb die Forschung daran vielerorts auf Eis gelegt.

Schock will dennoch nicht ausschließen, dass sich eines Tages ein zweiter Versuch mit dem Material lohnen könnte. "Neue Analysemethoden zum Beispiel könnten das Verständnis der Materialeigenschaften verbessern und so helfen, dem Grund für das Scheitern auf die Spur zu kommen", sagt der Wissenschaftler. Ähnliches gelte für einige weitere Kandidaten auf Wadias Favoritenliste. Verbindungen etwa aus Kupfer und Sauerstoff oder Schwefel sind bereits gründlich, jedoch ohne Erfolg auf ihre Tauglichkeit als mögliches Material für Solarzellen geprüft worden.

Ein Material, das in Wadias Studie vielversprechend abschneidet, ist dagegen längst auf dem Markt: amorphes Silizium, das in mikrometerfeinen, also haardünnen Schichten auf Glasplatten aufgedampft wird. Solche Silizium-Dünnschichtzellen sind besonders preisgünstig, da sie im Vergleich zu ihrem kristallinen Dickschicht-Pendant mit nur einem Zehntel Material auskommen und die Siliziumatome hier keine perfekte Kristallordnung haben müssen. Allerdings können die Zellen statt 15 nur rund 8 Prozent der Sonnenstrahlung in Strom verwandeln. Das macht den Preisvorteil teilweise wieder zunichte.

HZB-Forscher Schock vermisst in Wadias Vergleich kristallines Silizium als Dünnschichtmaterial. "Solche Zellen erreichen im Labor eine Wirkungsgrad von etwa 10 Prozent", berichtet er. Und die Verfügbarkeit und die Kosten seien vergleichbar mit dem von seinem US-Kollegen favorisierten Pyrit.

Andere Dünnschichtzellen, die schon zu kaufen sind und deren Wirkungsgrade sogar an den der klassischen Solarzelle heranreichen, bestehen aus Cadmiumtellurid. Der Solarforscher Wadia stellt dieser Substanz ein eher schlechtes Zeugnis aus: Sie ist zu schlecht verfügbar. Auch Schock kennt den Makel dieser Zellen: "Tellur ist selten, muss aufwendig aufgearbeitet werden und ist ausschließlich für die Produktion von Solarzellen verwendbar."

Eine andere Stoffgruppe, die Chalkopyrite, sind ebenfalls bereits als Dünnschichtzellen auf dem Markt. Sie bestehen aus Verbindungen von Kohlenstoff, Indium und Selen oder Schwefel. Sie liefern vielversprechende Wirkungsgrade - wäre da nicht das Element Indium, das aufgrund seiner begrenzten Vorkommen in einigen Jahrzehnten kaum noch verfügbar sein wird.

Am HZB wird deshalb geprüft, ob eine Kombination aus Zinn und Zink als Alternative taugt. Das Ergebnis wäre eine Verbindung, die auch bei Wadia zu den neun besten Materialkandidaten gehört.

Wegen des Preisvorteils rechnen Marktforscher damit, dass Dünnschichtzellen in drei bis sechs Jahren etwa die Hälfte des weltweiten Fotovoltaikmarktes ausmachen werden. Heute liegt ihr Marktanteil bei einem Viertel. Zellen aus Cadmiumtellurid und Chalkopyriten werden die amorphen Siliziumzellen voraussichtlich verdrängen, jedoch nicht vollständig ersetzen.

Dass Silizium, ob nun klassisch kristallin oder in Dünnschichtzellen, das bestimmende Material für Solarzellen bleiben wird, davon ist Eicke Weber vom Fraunhofer-Institut für Solare Energieforschung in Freiburg überzeugt: "Wir bauen hier auf mehr als fünfzigjährige Erfahrungen aus der Halbleiterforschung", betont der Physiker. Ein Vorsprung, den andere Materialien erst noch aufholen müssten.

Zunehmend gelinge es auch, mit nicht ganz so reinem Silizium akzeptable Wirkungsgrade zu erreichen und so bei der Aufbereitung des Materials Kosten zu sparen. "In vierzig Jahren wird der Strom aus Siliziumsolarzellen statt wie aktuell 30 nur noch etwa 5 Cent pro Kilowattstunde kosten", prognostiziert Weber.

Weber zufolge könnten künftig auch ganz andere Solarzellen abseits der klassischen und Dünnschichtkonzepte den Markt erobern, die in der US-amerikanischen Studie gar nicht auftauchen. Zum Beispiel die nach ihrem Erfinder benannte Grätzel-Zelle, die Sonnenlicht nach dem Vorbild der Fotosynthese über Farbstoffe umsetzt. Oder Solarzellen aus Nanometer (millionstel Millimeter) dünnen Chalkopyrit- oder Siliziumdrähten, wie sie etwa am Institut für Photonische Technologien in Jena entwickelt werden. Die Nanodrähte werden hier materialsparend zu einer Art Mecki-Frisur modelliert.

Welche Technologie langfristig das Rennen machen wird, ist nach Einschätzung des europäischen Branchenverbandes European Photovoltaic Industry Association in Brüssel noch offen. Dessen Prognose fällt salomonisch aus: Im Jahr 2050 werden sich klassische Siliziumzellen, Dünnschichtzellen und andere Solartechniken den Markt zu jeweils rund einem Drittel teilen.

Environmental Science and Technology, Bd. 43, S. 2072

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"In vierzig Jahren wird der Strom aus Silizium- solarzellen statt wie heute 30 nur noch 5 Cent pro Kilowattstunde kosten." Eicke Weber, Fraunhofer-Institut für Solare Energieforschung

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Foto: Dünnschichtzellen wie diese im Fotovoltaikkraftwerk in Lieberose bei Cottbus sind schnell und billig herzustellen. Ihr Wirkungsgrad ist jedoch im Vergleich zu herkömmlichen Solarzellen gering. Große Hoffnung setzen Solarforscher unter anderem auf die Entwicklung von Zellen, die Sonnenlicht mithilfe von Fotosynthese in Strom umwandeln.