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Sternstunden der Sternenkunde

Pinter, Christian: Helden des Himmels

Von Peter Jungwirth

Christian Pinter erzählt die faszinierende Geschichte von den historischen Höhepunkten der Himmelskunde.

Kolumbus hatte Glück, als ihm die Jamaikaner den Gehorsam verweigerten. Denn sein Almanach kündigte für den 29. Februar 1504 eine totale Mondfinsternis an. Kolumbus witterte die Chance. "Ein solches Schauspiel versetzt die Menschen in Europa seit vielen Jahrhunderten in Angst und Schrecken – es muss auch hier in ‚Indien’ Wirkung zeigen!"

Also verkündet Kolumbus den Dorfältesten: Gott sei ob ihres Ungehorsams verärgert und werde daher den Mond in Glut versetzen. Und als sich diese Prophezeiung am Abend tatsächlich erfüllt, "sind die Jamaikaner entsetzt, und flehen Kolumbus an, die göttlichen Strafen abzuwenden".

Der so präzisen Prognose über den Lauf des Erdtrabanten stand in jener Zeit aber ein nur höchst mangelhaftes Wissen über den Umfang der Erde gegenüber (wiewohl schon in der Antike recht gute Annäherungswerte vorhanden waren). Kolumbus jedoch stützte sich auf Berechnungen, die den Erdumfang als viel zu gering angaben – so dass Indien für ihn viel näher bei Spanien lag, als es tatsächlich der Fall ist. "Gäbe es Amerika nicht", dann wäre Kolumbus also "1492 ins schiere Nichts gesegelt".

Diese beiden Geschichte über Kolumbus erzählt Christian Pinter in seinem erhellenden Buch "Helden des Himmels". Und die Gegenüberstellung, dass Kolumbus einerseits von einer unpräzisen Information zum Ruhm geleitet wird, während ihm andererseits präzises Wissen den Kragen rettet, erinnert eindrücklich an den denkwürdigen Umstand, der die Wissenschaft heute noch kennzeichnet: Der Anteil dessen, was wir von der Natur wissen, ist immer noch weit geringer als das, was wir von ihr noch nicht wissen. Zwar hat die Quantität des Wissens mit atemberaubender Geschwindigkeit zugenommen, seit Galilei vor 400 Jahren den Himmel erstmals durch ein Fernrohr betrachtet und mit der Ausmessung des Kosmos begonnen hat: Damals waren nur ein paar tausend Sterne sichtbar, heute sind es Milliarden von Galaxien, die selbst wiederum aus Milliarden von Sternen bestehen.

Die Qualität des Wissens hat sich jedoch nicht grundlegend geändert. Auch heute ist es wohl nur ein vorläufiges, kein endgültiges Wissen, das wir über den Kosmos und seinen Ursprung besitzen. Die Bewegungen aller nun sichtbaren Himmelskörper lassen sich jedenfalls mit den heute geltenden Naturgesetzen ebenso wenig restlos erklären, wie einst der Lauf der Planeten. Früher wurde das geozentrische Weltbild mit der Theorie der Epizyklen gestützt, welche die Abweichung der Planetenbahnen von den Berechnungen plausibel machen sollte. Heute ist es die geheimnisvolle "Dunkle Materie", die erklären soll, warum die Geschwindigkeit der Sterne am Rande von Galaxien so rätselhaft hoch ist. Laut herrschender Theorie macht diese vier Fünftel der Masse des Universums aus –und das ist wahrlich nicht wenig.

Wo also stehen wir heute in unserem Bemühen, das Universum auszukundschaften? Und wie sind wir im Lauf der Zeit dorthin gekommen? – Mit diesen großen Fragen beschäftigt sich das Buch "Helden des Himmels – Geschichten vom Kosmos und seinen Entdeckern", das auf Artikeln basiert, die der Autor und Journalist Christian Pinter seit 1991 für die "Wiener Zeitung" verfasst hat.

Pinter lässt die großen Momente der Astronomie Revue passieren, blickt den bedeutendsten Entdeckern in entscheidenden Momenten über die Schulter und webt virtuos auch deren berühmte Zeitgenossen in die Geschichten ein: Zum Beispiel William Shakespeare – weil der Stern, der in "Hamlet" über Helsingör glänzt, wohl auf der von Tycho Brahe 1573 beschriebenen Supernova basiert. Die in "Hamlet" auftretenden Figuren Güldenstern und Rosenkranz heißen jedenfalls genau so wie zwei Vorfahren Tycho Brahes.

Ins Zentrum seines Buches, dessen Spektrum von den Mythen der Antike bis ins 20. Jahrhundert reicht, rückt Pinter die Protagonisten jener Epoche, in der sich das heliozentrische gegen das geozentrische Weltbild durchsetzt. Kopernikus also, Galilei natürlich, und auch Giordano Bruno. Einen Schwerpunkt bildet Johannes Kepler, der mit seinen berühmten drei Gesetzen die elliptischen Bahnen der Planeten berechnete, und der in den von ihm entdeckten harmonischen Proportionen göttliches Wirken vermutete. Pinter zeichnet das dramatische Leben dieses Astronomen mit besonderer Sorgfalt nach.

Erwähnt wird dabei auch die offenbar recht streitsüchtige Mutter Keplers, die als Hexe angeklagt wurde, und deren Leben daraufhin an einem seidenen Faden hing. Zu ihrer Verteidigung musste der stets nach Harmonie suchende, schon erschöpfte Kepler, dessen ruheloses Leben von den Wirren seiner Zeit, von Krieg und von Tod überschattet war, alle ihm noch verbliebenen Kräfte aufbieten.

Ins Licht der Betrachtung rückt Pinter aber auch viele weithin unbekannte Figuren – also solche, bei denen eine Google-Anfrage kein sechsstelliges Ergebnis bringt. Den einzigen Schüler von Kopernikus, Georg Joachim Iserin, zum Beispiel, der später den Namen Rheticus annahm, und der eine entscheidende Rolle bei der Publikation von "De revolutionibus orbium coelestium" gespielt hat: Ohne Rheticus, so Pinter, hätte der alternde Kopernikus sein epochales Werk, in dem die Sonne erstmals ins Zentrum der Planetenbahnen rückte, "wohl nie fertig gestellt. Die Wissenschaftsgeschichte wäre dann anders verlaufen."

Pinter schildert, wie sehr Astronomen in den philosophischen, sozialen und politischen Kosmos ihrer Zeit eingebettet waren, wie Konfessionskriege, machtgierige Herrscher und geizige Dienstherren sie aufgerieben, und wie Armut, Krankheit und mitunter auch Aberglaube ihre Existenz bedroht haben. Doch er zeigt auch, wie sehr der Zufall manchmal hilfreich eingriffen hat. Denn das Glück hilft ja bekanntlich, zumindest bisweilen, den Tüchtigen und Wagemutigen hilft - womit wir wieder bei Kolumbus angelangt wären.

Christian Pinter: Helden des Himmels. Geschichten vom Kosmos und seinen Entdeckern. Verlag Kremayr & Scheriau, Wien 2009, 222 Seiten, 22,90 Euro.

Printausgabe vom Samstag, 20. Juni 2009

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