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Stadt Wien betreffend Datenschutz erneut unter Druck – Ressort Michael Ludwig bekennt einmaligen Fehler

Brisante Datenaffäre in Gemeindebau

Ein Gemeindebau in Wien: Sind Krankendaten für Vermieter von Interesse? Foto: Krieger

Ein Gemeindebau in Wien: Sind Krankendaten für Vermieter von Interesse? Foto: Krieger

Von Christian Mayr

Aufzählung Psychosozialer Dienst gab Infos aus Krankenakt an Wiener Wohnen weiter.
Aufzählung Mieter fühlt sich nun stigmatisiert.
Aufzählung Wohnbaustadtrat bedauert Vorfall.

Wien. Herbert H. (Name von Redaktion geändert) macht einen freundlichen, vitalen Eindruck. Als kaufmännischer Angestellter steht er mit beiden Beinen im Berufsleben – nicht anzumerken ist ihm ein Autounfall, der ihn vor fast 15 Jahren schwer zurückgeworfen hat. Doch weil er sich damals (1996) nach einem erlittenen Schädel-Hirn-Trauma kurzfristig in psychiatrische Betreuung begab, muss er sich heute in seinem Gemeindebau "Psycho" schimpfen lassen. Schuld hat seiner Meinung nach Wiener Wohnen, die seine Krankendaten erheben ließ, wodurch sich letztlich seine angebliche Beeinträchtigung unter den Nachbarn verbreitete.

Diese, von der "Wiener Zeitung" recherchierte Causa, hat das Zeug zu einer veritablen Datenaffäre; zuletzt schon sorgten an den deutschen Datenskandal erinnernde Fälle bei den Wiener Linien (Privatdetektive zur Mitarbeiter-Überwachung) sowie beim Wiener Gesundheitsamt (Schülerdaten vom Schularzt) im Einflussbereich der Stadt Wien für Aufregung.

Konflikt mit Nachbarn

Eigentlich begann alles eher harmlos, nämlich mit einem Konflikt mit Nachbarn um die Benützung der Waschküche in dem Döblinger Gemeindebau. Nachdem sich H. mehrmals beschwert hatte, dass die ihm zugewiesenen Zeiten ungünstig seien, sandte Wiener Wohnen als Hausverwaltung die lokale Gebietsbetreuung als Mediator aus. Diese – in Wien von privaten Dienstleistern organisiert – wurde umgehend tätig und dürfte dabei ihre Kompetenzen weit überschritten haben. Denn man stellte Untersuchungen über H.’s Vergangenheit an, wohl um herauszufinden, warum er denn so schwierig sei. Und wurde dabei prompt fündig: Denn bei sogenannten "Vernetzungstreffen" mit anderen Institutionen – darunter der Wiener Psychosoziale Dienst (PSD) – erfuhren die Gebietsbetreuer vom PSD, dass H. ebendort vor Jahren in Betreuung war. Daraufhin verfasste die Gebietsbetreuung einen Brief an Wiener Wohnen, wo dies mitgeteilt wird (siehe Faksimile). Schlusssatz: "Möglicherweise lassen sich gewisse Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit auch darauf zurückführen."

Dass solche hochsensiblen privaten Daten über H. gesammelt wurden, erfuhr dieser erst im Zuge eines Gerichtsverfahrens, das er wegen des Waschküchenkonflikts angestrengt hatte. "Ich konnte es nicht fassen, als ich das im Gerichtsakt von Wiener Wohnen zu lesen bekam. Ich dachte, wie in Stasi-Manier bespitzelt zu werden", sagt H. heute.

Im Februar 2008 schaltete er daraufhin die Datenschutzkommission (DSK) ein, die den Fall ausführlich beleuchtete. In dem der "Wiener Zeitung" vorliegenden Bescheid (GZ: K121.373/0043-DSK/2008) wird die Datenweitergabe des PSD auch als "festgestellter Sachverhalt" offiziell bestätigt – wohlgemerkt von einem Organ der Republik Österreich. Zwei Sozialarbeiter der Gebietsbetreuung hatten zuvor unter Wahrheitspflicht vor der DSK ausgesagt, diese Infos vom PSD erhalten zu haben – dies wertete die DSK als "glaubhafte Aussagen".

Insgesamt sah die DSK aber kein Vergehen von Wiener Wohnen, da derartige Recherchen von den "rechtlichen Interessen des Vermieters" gedeckt seien; indirekt gerügt wird hingegen der PSD, der jedoch als ausgelagerter Fonds nicht in die Zuständigkeit der DSK fällt. Ausdrücklich wird im Bescheid festgehalten, dass das "Verhalten des die Daten übermittelten PSD" nicht bewertet würde.

H. lässt besagten Bescheid übrigens von seinem Anwalt Wolfgang Lenneis beim Verfassungsgerichtshof bekämpfen, der nun im Juli entscheiden soll. Die Begründung laut Lenneis: Dadurch, dass diese Gesundheitsdaten Wiener Wohnen bekannt seien und vor Gericht kundgetan würden, erscheine sein Mandant nicht nur beim Verfahren vor dem Bezirksgericht in einem "äußerst schlechten Licht", sondern auch in der Wohnhausanlage. Letztlich seien H.’s verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechte verletzt worden.

Nur der PSD dementiert

Überraschend deutlich äußert sich das Büro von Wohnbaustadtrat Michael Ludwig (SPÖ) zu dem Fall: "Hier ist leider ein Fehler passiert. Die Sozialarbeiter wollten den Konflikt im Sinne des Mieters lösen, dabei ist aber eine Information zu viel erhoben worden." Da dies der einzige derartige Fehler in zehn Jahren Gebietsbetreuung sei, werde an der Einrichtung nicht gezweifelt. "Es hat deshalb schon Nachschulungen gegeben. Und wir stehen auch nicht an, uns zu entschuldigen", so eine Sprecherin. Zugleich wird betont, dass Wiener Wohnen keinesfalls Daten an Dritte weitergebe.

Anders der PSD – er sieht kein Fehlverhalten: "Es kann deshalb nicht sein, weil von uns damals keine Mitarbeiterin an dem Treffen teilgenommen hat", behauptet Friedrich Schmidl vom Chefarztbüro. Warum dann nicht gegen den Bescheid der DSK bzw. die Zeugen vorgegangen wurde, kann Schmidl ad hoc nicht beantworten.

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Printausgabe vom Samstag, 27. Juni 2009

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