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Honigkraut süßer als die Zuckerrübe

Stevia rebaudiana – Alternative für Bauern.  Foto: Archiv

Stevia rebaudiana – Alternative für Bauern. Foto: Archiv

Von Mirjam Stöckel

Aufzählung Stevia ist natürlich und enthält kaum Kalorien.
Aufzählung In Europa ist das Honigkraut als Süßstoff verboten.

Brüssel/Bonn. Die Luft schmeckt süß und ein bisschen nach Lakritz. Der Geschmack kommt aus dem großen braunen Papiersack, den Christa Lankes vom Institut für Nutzpflanzenwissenschaften der Uni Bonn öffnet. Sein Inhalt: unzählige getrocknete Blättchen Honigkraut, offiziell "Stevia rebaudiana". Die Inhaltsstoffe dieser Pflanze haben bis zu 300 Mal mehr Süßkraft als Rübenzucker.

In Europa verboten

Lankes und ihre Kollegen erforschen die Pflanze seit etwa fünf Jahren. Sie wächst nicht nur in ihrer Heimat Paraguay gut, sondern auch in Mitteleuropa. Stevia wäre also ein guter Ersatz für künstliche Süßstoffe und herkömmlichen Zucker, sagen ihre Befürworter – gerade in Zeiten, in denen halb Europa zu viel wiegt. Gäbe es da allerdings nicht ein entscheidendes Problem: Stevia ist in der EU nicht zum Verzehr zugelassen.

In Japan, Israel, Südamerika und den USA ist das anders – und erst jüngst haben sich auch die Behörden in Neuseeland und Australien für die Zulassung in Nahrungsmitteln ausgesprochen. Europa muss nachziehen, findet der belgische Biologe Jan Geuns. Der Professor der Uni Löwen schreibt einen Antrag, der die EU dazu bringen soll, die süßen Stevia-Inhaltsstoffe als Lebensmittel-Zusatz zu erlauben.

Zulassungsantrag

Mit seinem ersten Zulassungsantrag im Jahr 1999 war er gescheitert, die EU forderte damals mehr wissenschaftliche Daten zur Sicherheit der Inhaltsstoffe. Es seien noch zu viele Fragen offen, hieß es. Etwa die nach der Wirkung von Stevia auf Blutzucker und Blutdruck. Auch könnten die Stoffe vielleicht das Erbgut schädigen, die männliche Fruchtbarkeit einschränken und Krebs auslösen.

Seit 1999, betont Geuns, habe es allerdings viele weitere Untersuchungen dazu gegeben, wie der menschliche Körper mit den süßen Inhaltsstoffen des Honigkrauts, den sogenannten Steviol-Glykosiden, umgeht. "Und ich bin überzeugt, dass Steviol-Glykoside absolut sichere Süßstoffe sind."

Auch wenn das Honigkraut in Europa offiziell nicht zugelassen ist – es wird längst verwendet. Im Internet lassen sich getrocknete Blätter und die Inhaltsstoffe als Pulver oder Tabletten bestellen. Manche Bioläden oder Apotheken verkaufen Stevia als "Badezusatz" deklariert. Wie viele Deutsche Stevia statt Zucker in ihren Kaffee oder Tee geben oder wie viele damit Kuchen backen, weiß niemand. Besonders bei Diabetikern ist das Kraut sehr beliebt.

Rückenwind bekommen Geuns und seine "Europäische Stevia Vereinigung" von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und den Vereinten Nationen: Deren gemeinsames Expertengremium ist schon 2004 zu dem vorläufigen Schluss gekommen, dass man ohne Gesundheitsgefahren ein Leben lang täglich zwei Milligramm Stevia-Süßstoffe pro Kilogramm Körpergewicht essen kann.

Kraut mit Potential

Die ersten europäischen Interessenten aus dem Lebensmittelsektor haben sich bereits bei Geuns über Stevia und die Verwendungsmöglichkeiten informieren lassen. "Meiner Meinung nach wird das eine richtige Revolution in der Ernährung", sagt auch Gerald Schlögl, Produktmanager bei der Firma Reisenberger, einem österreichischen Handelsunternehmen. "In Zukunft werden viele Großkonzerne auf diesen Zug aufspringen. Und als kleinerer Händler wird man keine Chance haben, wenn man keinen Know-How-Vorsprung hat."

Sollten die Stevia-Inhaltsstoffe tatsächlich eine EU-Zulassung bekommen, sieht auch die Bonner Agrarwissenschafterin Lankes einiges Potential – und zwar für Landwirte: "Künftig wird es immer weniger Subventionsgelder für die Zuckerrübe geben. Und für Ackerbauern, die ihren Rübenanbau ersetzen wollen, könnte Stevia eine interessante Alternative sein."

Printausgabe vom Freitag, 13. Juli 2007

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