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Hoffnungsschimmer am Job-Markt

Konjunktur kommt schneller in Schwung - die Beschäftigungs-Aussichten bessern sich

Stephan Kaufmann

BERLIN. Die deutsche Wirtschaft erholt sich weit schneller als von den meisten Experten erwartet. Noch vor einem Monat traute man dem Bruttoinlandsprodukt kaum ein Wachstum von einem Prozent im kommenden Jahr zu. Inzwischen setzen die Ökonomen ihre Prognosen wöchentlich nach oben. Und mit der Konjunktur verbessern sich die Aussichten für die Arbeitsplätze. "Es mehrt sich die Hoffnung, dass man am Arbeitsmarkt mit einem blauen Auge davonkommt", sagte Sebastian Wanke, Ökonom bei der Deka-Bank.

Bundesarbeitsminister Olaf Scholz (SPD) beispielsweise rechnet mit weniger als vier Millionen Arbeitslosen in diesem Jahr. Er glaube zwar, dass wegen des konjunkturellen Einbruchs die Arbeitslosigkeit in den kommenden Monaten steigen werde. "Aber wir werden wohl in diesem Jahr unter der Marke von vier Millionen bleiben." Im Juli waren 3,462 Millionen Männer und Frauen ohne Arbeit. Die August-Zahlen will die Bundesagentur für Arbeit morgen bekanntgeben.

Drei Prozent Wachstum möglich

Bereits das Wachstum des deutschen BIP im zweiten Quartal 2009 kam überraschend. Seitdem ziehen Frühindikatoren wie der Ifo-Geschäftsklimaindex rasant an. Für das dritte und vierte Quartal wird ein kleiner Boom erwartet - angetrieben durch den Aufschwung des Welthandels und die staatlichen Konjunkturprogramme. Die Commerzbank rechnet mit einem Wirtschaftswachstum von 2,0 Prozent im kommenden Jahr, die Allianz sogar mit 2,7 Prozent. "Auch ein Plus von drei Prozent kann nicht mehr ausgeschlossen werden", sagte Andreas Rees, Chefvolkswirt Deutschland bei der Bank Unicredit.

Der laufende Boom wird zwar Anfang 2010 auslaufen und die Unternehmen werden in den nächsten Monaten hunderttausende Stellen streichen. Dennoch aber könnte der Arbeitsmarkt nicht ganz so hart getroffen werden wie ursprünglich befürchtet. So rechnete die Deutsche Bank noch vor zwei Monaten damit, dass die Arbeitslosenrate von derzeit 8,5 Prozent 2010 auf durchschnittlich 10,4 Prozent steigen werde. Inzwischen nahm sie die Prognose auf 9,6 Prozent zurück. "Manche Unternehmen", sagte Rolf Bürkl vom GfK-Institut, "werden ihre Entlassungspläne jetzt vielleicht überdenken."

Noch vor Kurzem war befürchtet worden, im kommenden Jahr könnte die Zahl der Arbeitslosen in Deutschland von aktuell 3,5 auf bis zu fünf Millionen steigen - so hoch lag sie zuletzt Anfang 2005 nach der Einführung von Hartz IV. Denn das Wirtschaftswachstum nächstes Jahr wird wohl nur schwach sein. Die Firmen verkaufen weniger - das treibt die Lohnstückkosten in die Höhe. Sie sind laut Unicredit zuletzt um fast sieben Prozent gestiegen.

Durch den überraschenden Aufschwung jedoch "sind die fünf Millionen Arbeitslosen jetzt hoffentlich vom Tisch", sagt Eckart Tuchtfeld von der Commerzbank. Dennoch werde die Zahl der Jobsuchenden stark zunehmen. Denn üblicherweise reagiere der Arbeitsmarkt um zwei bis drei Quartale verspätet auf die Konjunktur. Am höchsten sei die Arbeitslosigkeit vier Quartale nach dem Erreichen des konjunkturellen Tiefpunkts. Dieser lag in der vergangenen Rezession im ersten Quartal 2009. "Bis zum Frühjahr 2010 dürfte die Zahl der Arbeitslosen in Deutschland also auf bis zu 4,4 Millionen steigen", erwartet Tuchtfeld. Dort werde der Arbeitsmarkt eine Weile verharren.

Auch die Deka-Bank hat ihre Prognose von 4,8 Millionen Arbeitslosen im Frühjahr 2010 auf 4,4 Millionen abgesenkt. Dies entspräche einer Arbeitslosenrate von 10,5 Prozent. "Ab Ende kommenden Jahres liegen wir dann wieder unter zehn Prozent", sagt Deka-Bank-Volkswirt Wanke.

Optimistischer sind die Ökonomen bei Allianz und Dresdner Bank. Sie sehen den Höhepunkt der Erwerbslosigkeit Ende 2010 mit insgesamt 4,3 Millionen. Sollte der Aufschwung jedoch stärker werden als bisher erwartet, so könnte der Arbeitsmarkt noch positive Überraschungen bereithalten. "Wir sehen derzeit einen starken synchronen Aufschwung in vielen Ländern", sagt Unicredit-Ökonom Rees. "Wenn wir Glück haben, werden es vielleicht nur maximal 4,25 Millionen Arbeitslose. Und wenn wir großes Glück haben, dann werden es nur vier Millionen."

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Das Schlimmste verhütet

Kurzarbeiter: Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit waren im Juli 3,462 Millionen Menschen in Deutschland arbeitslos. Die Zahl liegt nur geringfügig höher als im Juni. Dass der Anstieg nicht stärker ausfiel, führen Experten auf die Kurzarbeit zurück. Laut den aktuell verfügbaren Daten wurde im März an rund 1,3 Millionen Arbeitnehmer Kurzarbeitergeld gezahlt. Mit diesen Maßnahmen wurde in vielen Betrieben die Nachfrageschwäche und Auftragsflaute zumindest zeitweise überbrückt.

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Grafik: Arbeitslose in Deutschland

Foto: Wichtige Signale: Die Scheinwerferoptik im Leuchtturm auf der Insel Greifswalder Oie wird kontrolliert.