FTD-Serie: Wissen, was die Märkte bewegt

Inflation oder Deflation, Rezession oder Depression? Setzen staatliche Hilfspakete an der richtigen Stelle an, wie wirken sie sich auf Devisen und Börsen aus? Sollte man auf Gold, Renten oder Aktien setzen? Welche Sektoren und Firmen sind vielversprechend, welche Fusionen überflüssig? "Das Kapital", die führende Kolumne für Finanzmarktthemen, gibt pointierte Antworten.

Das Kapital: Ein KGV von fünf(zehn)

Mit Blick auf die Gewinnschätzungen sind weitere Kursgewinne von 30 Prozent locker drin. Es sei denn, man rechnet zur Abwechslung einmal realistisch.

Die Überlegung der Bullen ist ganz einfach: Die Wirtschaft berappelt sich, die Gewinnschätzungen erholen sich, die Alternativen zu Aktien sind lausig verzinst, und gemessen an den Geldmengen ist die Liquidität enorm. An der Leitbörse in Amerika etwa streben die Gewinnschätzungen für 2011 auf einen Gegenwert von rund 90 Indexpunkten im S&P 500 zu. Würden diese Gewinne mit einem üblichen KGV von 15 belegt, hätte der Markt noch einen Spielraum von rund 30 Prozent.

Klingt gut. Doch wie verlässlich sind die Gewinnschätzungen, mit denen die Aktienstrategen und viele Anleger hantieren? Schließlich lagen die Prognosen für 2009 noch im Sommer 2008 bei mehr als 100 Indexzählern im S&P 500. Jetzt sind es 54 Zähler - auf Basis bereinigter Ergebnisse. Die GAAP-Gewinne der vergangenen vier Quartale belaufen sich auf 7,5 Indexpunkte. Und selbst die verwegensten Frohnaturen werden einräumen, dass die Zukunft sogar noch etwas schwerer als sonst einzuschätzen sein dürfte, wenn die größte Volkswirtschaft der Erde eine gesamtwirtschaftliche Nettoersparnis (brutto abzüglich Abschreibungen) von minus 2,8 Prozent des Bruttonationaleinkommens aufweist.

Doch nicht nur insofern ist es putzig, wenn einige auch noch darauf spekulieren, dass das KGV im Zuge der Hausse auf ein überdurchschnittliches Niveau steigen könnte, wie es bei Kursaufschwüngen so oft der Fall gewesen ist. Denn die Schätzungen für 2011 implizieren Gewinne, die um rund drei Viertel höher wären, als es der reale exponentielle Trend seit 1871 erwarten ließe. Ganz unabhängig von Finanzkrisen, ausufernden Staatsschulden und alternden Gesellschaften haben derlei Gewinnschätzungen eher ein KGV von 5 als von 15 verdient. Dahinter steht ebenfalls eine ganz einfache Überlegung, die spätestens in zehn Jahren jeder versteht.

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