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Althaus blamiert sich mit Soli-Vorstoß

Thüringens CDU-Regierungschef stellt Abgabe infrage - muss Plan aber binnen Stunden zurückziehen / SPD entsetzt / Kanzleramtschef gegen Sonderbehandlung des Ostens

Holger Schmale, Jürgen Schwenkenbecher

BERLIN. Mitten im Wahlkampf hat Thüringens Regierungschef Dieter Althaus (CDU) den Solidaritätszuschlag zur Disposition gestellt und damit eine heftige Debatte ausgelöst. "Wenn man die Steuerpolitik generell weiterentwickelt, kann auch die Beibehaltung des Solis auf den Prüfstand", sagte Althaus dem Handelsblatt.

Er sah sich später aber angesichts heftiger Kritik zu einer Klarstellung genötigt: "Solange der Solidarpakt gilt, steht der Solidaritätszuschlag nicht zur Debatte", erklärte er in Erfurt. Der Solidarpakt ist bis 2019 im Grundgesetz verankert.

Vor allem die SPD hatte mit scharfer Kritik auf Althaus' erste Äußerung reagiert. Die Bereitschaft zum Verzicht auf den 5,5-prozentigen Steuerzuschlag sei eine populistische Forderung, befand SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier. "Wer dann noch sagt, wir wollen etwas für Kinder und für Schulen tun, der kann nicht seriös gleichzeitig die Abschaffung des Solis fordern."

Steinmeiers Partei- und Kabinettskollege Wolfgang Tiefensee sprach gar von einem Skandal. Er verlangte von Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel, sie müsse "sofort ein Machtwort sprechen und Althaus zurückpfeifen". Tiefensee ist der Beauftragte der Regierung für den Aufbau Ost. Althaus' SPD-Gegenkandidat bei der Landtagswahl am 30. August, Christoph Matschie, warf ihm vor, den Überblick verloren zu haben. Falle der Zuschlag weg, fehlten den neuen Ländern pro Jahr rund zwölf Milliarden Euro.

Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) sagte: "Solche Gedankenspiele - von wem sie auch kommen - legen die Axt an den Aufbau Ost. Trotz aller Fortschritte bleibt der Solidaritätszuschlag wichtig." Für eine Streichung seien die strukturellen Defizite noch zu groß. "Zudem können wir uns angesichts steigender Staatsverschuldung keine Steuersenkungen leisten."

Auch Kanzleramtschef Thomas de Maizière (CDU) reagierte distanziert auf den Vorschlag aus Thüringen. Vorrang für die nächste Bundesregierung hätten andere Ziele, wie die Rückführung der Neuverschuldung, sagte er der Berliner Zeitung. "Dabei ist es interessant, wenn Länder die Abschaffung vorschlagen" - denn der Verzicht auf den Soli ginge voll zu Lasten des Bundes. Der Soli war 1991 mit der Begründung eingeführt worden, die Vereinigung zu finanzieren. Die Einnahmen fließen ohne Zweckbindung in den allgemeinen Bundeshaushalt.

De Maizière wandte sich grundsätzlich gegen eine symbolische Sonderbehandlung Ostdeutschlands. Sie würde dem Selbstbewusstsein, der unterschiedlichen Entwicklung und den Interessenlagen der ostdeutschen Länder nicht gerecht, sagte er. Politik Seite 6

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"Solche Gedankenspiele legen die Axt an den Aufbau Ost. " Matthias Platzeck, SPD