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Lieber Dramenautor als Bühnenbesitzer

Hochhuth zieht sich aus der Holzapfel-Stiftung zurück

26.03.1996

Kultur - Seite 23

Martin Patton

Überraschende Wendung in der Angelegenheit Hochhuth und Berliner Ensemble: Eine ganze Reihe von Fragen wollte die Abgeordnete Alice Ströver (Bündnis 90/Die Grünen) im Kulturausschuß des Abgeordnetenhauses gestern vormittag zur Zukunft des Berliner Ensembles noch geklärt wissen, da erklärte der Dramatiker Rolf Hochhuth, Vorsitzender der Ilse-Holzapfel-Stiftung: "Ich werde mich aus der Stiftung zurückziehen." Der Stiftung war das Grundstück aus jüdischem Besitz Anfang des Monats vom Amt zur Regelung offener Vermögensfragen zugesprochen worden. Die Eintragung ins Grundbuch wird nach Hochhuths Worten in vier Wochen erfolgen.

In braver Eintracht waren Rolf Hochhuth, der Intendant des Berliner Ensembles Martin Wuttke und der BE-Geschäftsführer Peter Sauerbaum zur persönlichen Anhörung in den Preußischen Landtag gekommen. Das monatelange Drama hatte nach der Schilderung Wuttkes und Hochhuths offenbar kurz vor der Ausschußsitzung ein gütliches Ende gefunden. "In einem Gespräch heute morgen haben wir uns mit Hochhuth in einigen Punkten geeinigt", sagte Martin Wuttke.

Er habe Hochhuth klargemacht, daß es schwierig sei, Stücke des Stiftungsvorsitzenden und Grundstückbesitzers zu inszenieren. "Ich wüßte gar nicht, wie ich das gegenüber anderen Autoren vertreten sollte, das kann ein Ärgernis werden", gab Wuttke zu bedenken. Wuttke unterstrich sein Interesse an der "vollkommenen künstlerischen Autonomie" seines Theaters. Die sieht Wuttke nach der Zusage Hochhuths nicht mehr gefährdet, nachdem der Damatiker auf eine Personalunion als Autor und Stiftungsvorsitzender verzichten will. Danach äußerte sich der Intendant nur noch zum ausstehenden Pacht- und Subventionsvertrag.

Niemand solle sagen können, er habe sich durch das "Kellergeschoß eingeschlichen", meinte Hochhuth. Er stelle "kein Sicherheitsrisiko" für das BE dar. "Wer den Mietvertrag abschließt, soll mich nicht tangieren."

Er gehe jedoch davon aus, daß der bestehende Pachtvertrag für zehn Jahre weiter verlängert wird. Als bisheriger Pächter hatte das BE seit Dezember 1962 eine jährliche Miete von 60 000 Mark gezahlt, allerdings für das gesamte Gelände. Das der Holzapfel-Stiftung zugesprochene Eigentum bezieht sich nur auf das Theatergebäude.

Interessenkollisionen habe es auch zu Zeiten Heiner Müllers gegeben, führte Hochhuth aus. "Auch Müller hat man immer vorgeworfen, er sei Intendant geworden, um seine Stücke zu spielen. Aber die Interessenkollision ist heute morgen erstmals von Wuttke thematisiert worden."

Der Abgeordnete Uwe Lehmann-Brauns von der CDU sagte: "Die Würfel sind gefallen. Ich habe diesen ganzen Hahnenkampf zwischen Hochhuth und dem BE nie verstanden. Die Sache war doch rechtlich klar. Da gab es für mich nie den leisesten Zweifel, daß die künstlerische Autonomie angetastet war. Die Wünsche Herrn Hochhuths sind keine Befehle, sondern Wünsche. Das BE ist rechtlich gesichert, das BE ist künstlerisch gesichert." Das Ganze sei ein hochgebauschtes Problem gewesen. Und verständnisvoll setzte Lehmann-Brauns hinzu: "Es ist ein ganz offenes Interesse Hochhuths, daß er seine Stücke in Berlin gespielt haben will." Darüber aber entscheide der Intendant. "Das Entscheidene ist die künstlerische Autonomie und die ist gesichert."

Es sei doch ein Unding, so Lehmann-Brauns, einen modernen Dramenautor wie Hochhuth aus Berlin "hinauszuekeln" und seine Ambitionen zu "kriminalisieren". Auf solch Wohlwollen mochte Hochhuth nicht mehr sagen als: "Ich habe Herrn Brauns eigentlich nichts mehr hinzuzufügen."

Angesichts dieser Wende blieben die Fragen nach dem Pacht- und Subventionsvertrag für das Berliner Ensemble, mit denen sich der Ausschuß zur Vorbereitung des Hauptausschusses am Abend eigentlich zu befassen hatte, beinahe Nebensache.

Das Gespräch zwischen Martin Wuttke und Rolf Hochhuth hat gestern früh im Intendantenzimmer des Berliner Ensembles stattgefunden und etwa eine Stunde gedauert, sagte Geschäftsführer Peter Sauerbaum gestern der Berliner Zeitung. Zur Gesprächsatmosphäre wollte sich Sauerbaum nicht äußern, es sei in allen Fragen Vertraulichkeit vereinbart worden. +++