Außerhalb Marienthals
gelegene Einrichtungen der Textilfabrik Marienthal 1930
Es handelt sich dabei um vier Gebäude (1.113,10 m2 verbaute Fläche auf 687,71 m2 verbauter Grundfläche) mit einem Anbau (10,62 m2
verbaute Fläche auf 10,62 m2 verbauter Grundfläche), insgesamt 1.123,72 m2 verbaute Fläche auf 698,33 m2
verbauter Grundfläche, sowie um einen Sportplatz. Diese Einrichtungen waren im Besitz der Textilfabrik Marienthal
– praktisch eine Ergänzung zur den
Wohnhäusern und
Infrastrukturbauten dieses Häuserbuches –, lagen jedoch
außerhalb der Fabrik und Arbeiterkolonie Marienthal, im Bauerndorf
Gramatneusiedl.
Weitere Bauinformationen finden sich in der »Gebäude-Schätzung 1926« aus dem Jahr 1926, weshalb hier bei den
beschriebenen Objekten auch die Ordnungszahlen dieser für den Baubestand
wichtigen Quelle angegeben werden.
Der
»Lageplan«
erleichtert die rasche Verortung des Gebäudes, der »Grundriss« (nach einem Plan aus dem Jahr 1896) ermöglicht einen Überblick über die Gebäudeanlage, das »Bild«
einen ersten optischen Eindruck (weitere Bilder gibt es im umfangreichen
Bildarchiv des Virtuellen Archivs »Marienthal«). Zur leichteren Identifizierung auf alten Plänen werden bei den Gebäuden auch die alten Hausnummern
angegeben.
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1)
Ledigenwohnhaus Kiebitzmühle
Gramatneusiedl, Kiebitzmühle 1 (zunächst Nummer 44, 1826 bis 1961: Nummer 45)
Erbaut um 1800 (erstmals urkundlich belegt 1807); Erdgeschoss, teilweise auch erster Stock und Dachboden; Erdgeschoss 14,00 X 9,25 m = 129,50 m2, erster Stock 9,15 X 5,20 m = 47,58 m2 verbaute Grundfläche;
Gebäude-Schätzung 1926,
Ordnungszahl 244.
Die
alte Mühle,
am Kiebitzbach gelegen, war zunächst im Besitz und Betrieb der Gemeinde Gramatneusiedl, wurde aber spätestens seit 1820 an verschiedene Bestandmüller (Mühlenpächter) verpachtet: 1820 an
den Müllermeister Paul Schiedl (1762–?), seit mindestens 1832 an den Müllermeister Johann Tweraser
(1791–?), seit 1833 an den Müllermeister Johann Gunräser (1792–?), seit mindestens 1838 wieder an Johann Tweraser, seit 1844 an den Müllermeister Joseph Freismuth
(1792–?) und seit 1847 wieder an Johann Tweraser.
Die
Mühle brannte ab und wurde 1858 von der freien Gemeinde Gramatneusiedl neu aufgebaut. Daran erinnert heute noch ein an der Südostseite des Gebäudes eingemauerter
Gedenkstein mit der Inschrift »G. G. N. / 1858« (G. G. N. = Gemeinde Gramatneusiedl). Dies belegen auch die beim Wiederaufbau verwendeten
Ziegelsteine, welche aus der 1775 errichteten Wienerberger Ziegelfabrik auf dem Wienerberg (zu Wien 10.), welche heute noch als »Wienerberger Aktiengesellschaft« existiert; die den Doppeladler flankierenden Initialen »H« und »D« stehen für Heinrich Drasche (seit 1870: Ritter von Wartinberg; 1811–1880), der die Fabrik 1857 übernahm.
1874 wurde das Gebäude
von der Textilfabrik Marienthal erworben und zu einem Wohnhaus für
ledige Arbeiter umgebaut, nach einem
Brand 1920 grundlegend renoviert.
Besitzer:
Gemeinde Gramatneusiedl, seit mindestens 1896 »Actien-Gesellschaft der
Baumwoll-Spinnereien, Webereien, Bleiche, Appretur, Färberei und Druckerei zu Trumau und Marienthal«, seit 1930 im Privatbesitz.
Zustand im
April 2006: Das Gebäude ist noch vorhanden, jedoch in einem so
schlechtem baulichen Zustand, dass es nicht mehr zu betreten ist.
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2) Kinderbewahranstalt
Gramatneusiedl,
Oberortsstraße 1 (zunächst alte Nummer 43, 1860 bis 1961: Nummer 70)
Erbaut 1844; Erdgeschoss und Dachboden; 18,60 X 6,30 m und 2,65 X 1,73 m und 3,10 X 1,73 m = 127,12 m2 verbaute Grundfläche; Gebäude-Schätzung 1926,
Ordnungszahl 245.
Das Gebäude
wurde eigens für die 1844 von
Hermann Todesco (1791–1844) gestiftete
Kinderbewahranstalt (eine Vorform des Kindergartens) errichtet. Die
für Kleinkinder aus der Fabrik Marienthal, aus dem Bauerndorf Gramatneusiedl sowie aus den Nachbargemeinden Moosbrunn und Ebergassing gedachte Institution wurde am 14. Mai 1845 eröffnet,
wenngleich ihre Aufgaben erst mit dem
Stiftungsbrief vom 22. August 1846 durch
Max Todesco (1813–1890) endgültig geregelt wurden. Am
Gebäude, in dem zunächst auch die Gouvernanten der Kinderbewahranstalt
wohnten, war lange Zeit die
hölzerne
Gedenktafel mit der Aufschrift »MDCCCXLIV
/ Kinderbewahranstalt / gestiftet von / Hermann Todesco« angebracht. Im Hof gab es einen eigenen
Brunnen.
Besitzer:
Hermann Todesco, seit 1844
Johanna Todesco, seit 1845
Max Todesco, seit 1858
Eduard und
Moritz von Todesco, seit 1864 »Actien-Gesellschaft der Baumwoll-Spinnereien, Webereien, Bleiche, Appretur, Färberei und Druckerei zu Trumau und Marienthal«, seit 1931 Römisch-katholische Pfarre Moosbrunn, seit 1950 Römisch-katholische Pfarre Gramatneusiedl.
Zustand im
April 2006: Im September 1931 wurde die Kinderbewahranstalt vom Pfarramt
Moosbrunn übernommen und als »Kindergarten« von Schwestern der
Kongregation »Figlie
di Maria Ausiliatrice
/ Töchter Mariä, Hilfe der Christen« weitergeführt, weshalb die
Einrichtung von der Bevölkerung Gramatneusiedls auch »das Stift« genannt
wurde. Im November 1939 von den Nationalsozialisten als Kindertagesstätte der »Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt« (NSV) übernommen, wurde
die Einrichtung im September 1945 als katholischer Kindergarten wieder eröffnet, 1946/47 um ein so
genanntes Hofhaus erweitert und im September 1970 endgültig geschlossen.
Vom September 1971 bis August 1974 wurde hier der von der Gemeinde
Gramatneusiedl betriebene Niederösterreichische Landeskindergarten provisorisch untergebracht,
bis dieser in ein neu errichtetes Gebäude übersiedeln konnte. Das
Gebäude wurde 1992 abgerissen. An dieser Stelle befindet sich heute das
Pfarramt Gramatneusiedl. Siehe auch das Kapitel »Kinderbewahranstalt« in Gramatneusiedl.
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Das Gebäude hatte einen Anbau (insgesamt 10,62 m2 verbaute
Grundfläche):
2 a)
Anbau
Gramatneusiedl, Oberortsstraße 1 (zunächst alte
Nummer 43,
um 1860 bis 1961: Nummer 70), westlich
an die Kinderbewahranstalt (2.) angebaut
Errichtet 1844, grundlegender Umbau 1902; Erdgeschoss; 5,90 X 1,80 m = 10,62 m2
verbaute Grundfläche; Gebäude-Schätzung 1926,
Ordnungszahl 246.
In diesem
Anbau war unter anderem ein Abort mit einem Trichterklosett
untergebracht.
Der
Gebäudetrakt wurde im Zuge der Gebäudeerweiterung 1946/47 abgerissen. An
dieser Stelle befindet sich heute das Pfarramt Gramatneusiedl.
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3)
Arbeiterwohnhaus Bäckerhaus
Gramatneusiedl, Oberortsstraße 23 (alte Nummer 24)
Erbaut 1860; Erdgeschoss und Dachboden; 28,25 X 5,72 m und 18,00 X 4,95 m = 250,69 m2
verbaute Grundfläche; Gebäude-Schätzung 1926,
Ordnungszahl 247.
Das
Bauernhaus, in dem auch eine Bäckerei untergebracht war, wurde nach dem
Kauf durch die »Actien-Gesellschaft der Baumwoll-Spinnereien, Webereien, Bleiche, Appretur, Färberei und Druckerei zu Trumau und Marienthal« zu einem Wohnhaus
mit sechs Wohneinheiten umgebaut.
Besitzer: im
Privatbesitz, seit mindestens 1896 »Actien-Gesellschaft der Baumwoll-Spinnereien, Webereien, Bleiche, Appretur, Färberei und Druckerei zu Trumau und Marienthal«, seit 1930 im Privatbesitz.
Zustand im
April 2006: Das Haus wurde 1972 abgerissen, die alte
Hofmauer ist jedoch noch erhalten.
An dieser Stelle befindet sich heute eine Baulücke mit einer
Hofanlage.
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4)
Scheune
Gramatneusiedl, auf dem Acker bei Feldgasse 24
Erbaut 1885; Erdgeschoss; 22,55 X 8,00 m = 180,40 m2 verbaute Grundfläche;
Gebäude-Schätzung 1926,
Ordnungszahl 243.
Das auf freiem Feld stehende, aus Holz
errichtete Gebäude mit zwei an gemauerten Pfeilern angeschlagenen
Einfahrtstoren diente der Lagerung von Heu für die fabrikeigenen Zug-
und Kleintiere.
Besitzer: »Actien-Gesellschaft der Baumwoll-Spinnereien, Webereien, Bleiche, Appretur, Färberei und
Druckerei zu Trumau und Marienthal«, seit 1931 Römisch-katholische Pfarre Moosbrunn, seit 1950 Römisch-katholische Pfarre Gramatneusiedl.
Zustand im
April 2006: Das Gebäude wurde nach 1953 abgerissen. An dieser Stelle befindet sich heute Ackerland.
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5) Sportplatz (Neuer Fußballplatz)
Gramatneusiedl, Mitterndorferstraße 8 (alte Nummer 264)
Angelegt
1920.
Über Ersuchen der »I. Marienthaler Fußballriege 1908«, Vorläuferorganisation des heutigen »ASK Marienthal«, und des »Sportclubs Marienthal. Gegründet 1908«,
Vorläuferorganisation des 1934 verbotenen »Arbeiter-Turn- und Sportvereins Marienthal«,
stellte die freie Gemeinde Gramatneusiedl im Mai 1920 den so genannten Standhagen als neuen Fußballplatz zur Verfügung, welcher nunmehr »Sportplatz« genannt wurde. Das
Areal dieses Sportplatzes gehörte zwei Gemeinden: 3.030 Quadratmeter lagen auf dem Gemeindegebiet von Gramatneusiedl, 4.120 auf jenem von Mitterndorf an der Fischa. Der Mitterndorfer Teil
war ein von der Textilfabrik nicht mehr benötigter Abfallplatz (»Mistplatz«), welchen die »Actien-Gesellschaft der Baumwoll-Spinnereien, Webereien, Bleiche, Appretur, Färberei und
Druckerei zu Trumau und Marienthal« den beiden Sportvereinen zunächst kostenlos überließ und später schließlich schenkte. Für den Gramatneusiedler Teil musste
zunächst Pacht gezahlt werden, doch um 1925 wurde auch dieser Grund dem Verein geschenkt. Da es wegen der abzuführenden Lustbarkeitssteuer für den Sportplatz zwischen den Gemeinden Gramatneusiedl und Mitterndorf an der Fischa wiederholt zu Reibereien kam, wurde schließlich das gesamte Areal der
Gemeinde Gramatneusiedl zugeschlagen. Verwalter des Sportplatzes war zunächst der
»Arbeiter-Turn- und Sportverein Marienthal«,
eine Art Dachorganisation, dem auch der »ASK Marienthal« angehörte. Nach dem Verbot des »Arbeiter-Turn- und Sportvereins Marienthal« als einer sozialdemokratischen
Organisation 1934 übernahm der »ASK Marienthal« die Leitung und Verwaltung des Sportplatzes.
Es wurden beim Sportplatz im April 1922 eine Toilettenanlage errichtet, bald darauf eine kleine Holzhütte (5,0 X 9,0 Meter) mit einem Aufenthalts- und einem Umkleideraum aufgestellt, deren Erweiterung (Zubau von knapp 3,9 X 3,9 Metern) im April 1923
bewilligt wurde. Im Herbst 1923 erfolgte schließlich eine
Erweiterung des Sportplatzes um ein Stück Wiese, welche zumindest teilweise auf Gramatneusiedler
Boden lag.
Vorläufer: Bereits 1908 wurde die
»Arbeiter Fußballriege Marienthal« gegründet, aus welcher der heute noch bestehende »ASK Marienthal« hervorging. Klublokal war das in Neu-Reisenberg gelegene Gasthaus Sam, Mitterndorferstraße 4, erster Fußballplatz (»Alter Fußballplatz«) die so genannte Hinterbrühlwiese (heute im Bereich der Hermann Todesco-Gasse), welche im Besitz der freien Gemeinde
Gramatneusiedl war. Dieser Platz wurde auch nach dem Ersten Weltkrieg, vom Juli 1919 bis Mai 1920, bespielt.
Besitzer: »Actien-Gesellschaft der Baumwoll-Spinnereien, Webereien, Bleiche, Appretur, Färberei und
Druckerei zu Trumau und Marienthal« und Gemeinde Gramatneusiedl, seit etwa 1925 »Arbeiter-Turn- und Sportvereins Marienthal«, seit 1934 »ASK Marienthal«.
Zustand im
April 2006: Heute ist dieser Platz, inzwischen mit zahlreichen Zubauten
versehen, noch immer
vereinseigener Sportplatz von Gramatneusiedl.
©
Reinhard Müller
Graz,
im Dezember 2009
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