Das Problem ist, dass solche Fragen erst bei der Anhörung vor dem Parlament angesprochen und nicht schon vorher geklärt werden. Schelewa hätte von vornherein disqualifiziert werden müssen. Offensichtlich aber ist es sowohl Barroso als auch den Mitgliedsländern relativ egal, wer an die Spitze der Europäischen Union gelangt. Anders jedenfalls lässt sich die Wahl einiger Kandidaten nicht erklären. Dabei beeinflusst die EU das Leben von rund 500 Millionen Menschen und einen Großteil der nationalen Gesetze. Ganz zu schweigen von den rund 120 Mrd. Euro pro Jahr, die sie über die 27 Mitgliedsstaaten verteilt.
Eigentlich wissen Barroso und die Staatschefs um die Bedeutung der Europäischen Gemeinschaft, sie haben sie erst durch den Lissabonner Vertrag aufgewertet und dabei wiederholt bedauert, wie europaskeptisch sich ihre eigene Bevölkerung gibt. Mit ihrer unprofessionellen Auswahl der Kommissionskandidaten befördern sie jedoch selbst die EU-Skepsis.
Es ist daher ein Segen, dass sich wenigstens die EU-Parlamentarier in der Pflicht sehen, die Nominierten dem Vetting zu unterziehen. Sie können zwar nur die gesamte Kommission ablehnen und nicht einzelne Kandidaten. Aber gerade das ist ein Instrument, um Druck auf Barroso und die nationalen Regierungen auszuüben.
Die sind vorgewarnt. Schon einmal waren sie mit einem Kandidaten gescheitert: Der Italiener Rocco Buttiglione fiel 2004 dem EU-Parlament mit erzkonservativen und schwulenfeindlichen Aussagen auf. Er musste schließlich auf das Amt des Justizkommissars freiwillig verzichten. Zu solch einem Schritt sollte Barroso auch Schelewa drängen. Hält er dagegen an ihr fest, beschädigt er den Ruf der Kommission - und seinen eigenen.