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  13.01.2010, 21:47    

EU-Kommission: Etwas wählerischer, bitte

Leitartikel Wer sich in den USA um ein öffentliches Amt bewirbt, muss mit dem Schlimmsten rechnen: Dessen Vergangenheit wird akribisch durchleuchtet, lange zurückliegende Affären leben auf. In Europa ist das anders - leider.
Wenn US-Politiker jemanden für ein öffentliches Amt nominieren, dann muss der erst einmal durchs "Vetting". Noch bevor der Kandidat auch nur für ein mäßig bedeutendes Ämter öffentlich präsentiert wird, überprüft ein Heer von Mitarbeitern, ob er überhaupt geeignet ist - fachlich, charakterlich und biografisch.
In Europa ist so etwas leider nicht üblich. Selbst wenn es um so zentrale Positionen wie die eines EU-Kommissars geht. Sonst hätte Kommissionspräsident Manuel Barroso vielleicht von vornherein auf die Bulgarin Rumjana Schelewa verzichtet. Denn diese Frau gehört nicht in die neue EU-Kommission.
Die bulgarische Kandidatin Rumjana Schelewa   Die bulgarische Kandidatin Rumjana Schelewa
Noch ist nicht erwiesen, ob sie gegen den Verhaltenskodex des Europäischen Parlaments und auch gegen bulgarisches Recht verstoßen hat, als sie den Besitz einer Beraterfirma verschwieg. Auch der Vorwurf, ihr Mann pflege Kontakte zur bulgarischen Mafia, ist nicht eindeutig belegt. Doch selbst wenn all diese Punkte sich wider Erwarten zugunsten Schelewas aufklären ließen, bliebe ein schweres Argument gegen sie bestehen: Bei ihrer Anhörung im Parlament ließ sie deutliche Zweifel aufkommen, ob sie fachlich überhaupt für das Amt einer EU-Kommissarin geeignet ist.
Das Problem ist, dass solche Fragen erst bei der Anhörung vor dem Parlament angesprochen und nicht schon vorher geklärt werden. Schelewa hätte von vornherein disqualifiziert werden müssen. Offensichtlich aber ist es sowohl Barroso als auch den Mitgliedsländern relativ egal, wer an die Spitze der Europäischen Union gelangt. Anders jedenfalls lässt sich die Wahl einiger Kandidaten nicht erklären. Dabei beeinflusst die EU das Leben von rund 500 Millionen Menschen und einen Großteil der nationalen Gesetze. Ganz zu schweigen von den rund 120 Mrd. Euro pro Jahr, die sie über die 27 Mitgliedsstaaten verteilt.
Eigentlich wissen Barroso und die Staatschefs um die Bedeutung der Europäischen Gemeinschaft, sie haben sie erst durch den Lissabonner Vertrag aufgewertet und dabei wiederholt bedauert, wie europaskeptisch sich ihre eigene Bevölkerung gibt. Mit ihrer unprofessionellen Auswahl der Kommissionskandidaten befördern sie jedoch selbst die EU-Skepsis.
Es ist daher ein Segen, dass sich wenigstens die EU-Parlamentarier in der Pflicht sehen, die Nominierten dem Vetting zu unterziehen. Sie können zwar nur die gesamte Kommission ablehnen und nicht einzelne Kandidaten. Aber gerade das ist ein Instrument, um Druck auf Barroso und die nationalen Regierungen auszuüben.
Die sind vorgewarnt. Schon einmal waren sie mit einem Kandidaten gescheitert: Der Italiener Rocco Buttiglione fiel 2004 dem EU-Parlament mit erzkonservativen und schwulenfeindlichen Aussagen auf. Er musste schließlich auf das Amt des Justizkommissars freiwillig verzichten. Zu solch einem Schritt sollte Barroso auch Schelewa drängen. Hält er dagegen an ihr fest, beschädigt er den Ruf der Kommission - und seinen eigenen.
  • Aus der FTD vom 14.01.2010
    © 2010 Financial Times Deutschland
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