15.01.2010, 09:11
Online-Zensur: China baut sich nationales Internet
Google? Brauchen wir nicht! Facebook? Machen wir selbst! Twitter? Können wir auch! Das Regime in Peking kopiert systematisch westliche Online-Angebot, um Informationen aus aller Welt erst gar nicht zensieren zu müssen.
von Andrea Rungg, Hamburg
und Christiane Kühl, Schanghai
"Es ist nicht
Google , das sich aus China zurückzieht. Es ist China, das sich von der Welt abwendet", schreibt ein Chinese im Mikroblogging-Dienst Twitter. Die Kritik stammt nicht von einem in der Heimat ansässigen Chinesen. Dort ist der Zugriff auf Twitter blockiert. Wer in China auf einen ähnlichen Dienst zugreifen will, muss sich der heimischen Version Fanfou.com zuwenden. Auch zu anderen amerikanischen Webfirmen gibt es ein chinesisches Pendant - mit dem Unterschied, dass dort alle Inhalte zensiert sind.
Der chinesische Premier Wen Jiabao
Die chinesische Regierung beherrscht das größte Intranet der Welt. Mehr als 390 Millionen Chinesen surften Ende 2009 im Internet. Doch zeigen und lesen dürfen sie nur das, was der Behörde recht ist. Kritiker nennen es auch "Chinternet" oder "große Firewall", in Anlehnung an die Große Mauer. Experten zufolge blockiert die Staatsmacht mehr als 100.000 Websites. Bereits vor Googles Ankündigung hatte Peking eine härtere Überwachung des Internets als Schlüsselelement der "staatlichen Sicherheit" für das Jahr 2010 verkündet.
Verschärfung der Kontrollen
Peking arbeitet offenkundig an einer immer schärferen Kontrolle sämtlicher Informationsbereiche. Am Mittwoch berichteten Staatsmedien, dass Handynutzer künftig keine SMS mehr versenden könnten, wenn in ihren Kurznachrichten zuvor obszöne, gewalttätige oder andere "ungesunde" Inhalte gefunden würden. Chinas größter Mobilfunkanbieter China Mobile helfe der Polizei in einer Kampagne gegen "illegale Kurznachrichten", berichtete die Zeitung "Nanfang Daily". Davon wären 518,1 Millionen Kunden - 70 Prozent aller chinesischen Handynutzer - betroffen.
Der Staatsrat unter Vorsitz von Ministerpräsident Wen Jiabao will zugleich die Integration von Internet, Fernsehen, Radio und Telekommunikation beschleunigen. Dies sei nötig, um die verschiedenen Informationsbedürfnisse der Öffentlichkeit zu befriedigen. "Wir müssen unser Bestes geben, um die Selbstdisziplin der Internetmedien zu intensivieren, damit unsere Sicherheit im Netz garantiert bleibt", sagte Chinas Propagandaminister Wang Chen. Ein deutlicher Hinweis darauf, dass China keinesfalls Googles neue Strategie dulden wird. Der US-Webkonzern will künftig in China ein unzensiertes Internetangebot zeigen.
Teil 2: Kein Spielraum für US-Webfirmen
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Aus der FTD vom 15.01.2010
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