13.01.2010, 22:17
Finanzkrisenkommission: Nebenkläger im Kreuzverhör
Bei der öffentlichen Befragung der Chefs der größten US-Banken über die Gründe für die Finanzkrise herrscht überraschend Einigkeit - darüber, dass die wirklich Schuldigen gar nicht eingeladen sind. Im Umkehrschluss erkennen sie keine Schuld.
von Sebastian Bräuer
Goldman Sachs wurde vor 141 Jahren gegründet und arbeitet in verschiedenen Geschäftsbereichen: Als Underwriter, Finanzberater, Marktmacher und Vermögensverwalter. Mit dieser allgemeinstmöglichen Ausführung beginnt Firmenchef Lloyd Blankfein seinen Vortrag vor der Financial Crisis Inquiry Commission. Er hätte kaum einen besseren Einstieg wählen können, um den Fragestellern um den Demokraten Phil Angelides klar zu machen, dass er ihnen jegliches Fachwissen auf den Finanzmärkten abspricht.
Sein Ex-Kollege John Mack von
Morgan Stanley , mittlerweile im Ruhestand, findet ungleich persönlichere Worte: Die Finanzkrise sei anders gewesen als alles, was er in seinen 40 Berufsjahren sonst erlebt habe. "Die Kreditmärkte kamen zum Stillstand, Millionen verloren ihre Arbeitsplätze." Es gebe keinen Zweifel, dass Fehler passiert seien.
Lloyd Blankfein, Jamie Dimon, John Mack und Brian Moynihan (v. l. n. r.)
Dies kommt dem Tonfall näher, den die Kommission erwartet. Monatelang hat sie sich hinter verschlossenen Türen auf den Tag vorbereitet, an dem die Chefs der größten US-Banken vor laufender Kamera aussagen sollen, warum das Finanzsystem an den Rand des Abgrunds geriet: Blankfein, Mack,
JP Morgan Chase -Chef Jamie Dimon und ihr neuer Kollege bei der Bank of America, Bryan Moynihan. Angelides setzt am Anfang die Erwartungen so hoch, dass sie kaum noch erfüllt werden können. Er stellt, vielleicht unvermeidlich, Parallelen zur Aufarbeitung der Großen Depression in den 30er-Jahren her. Damals habe sein Vater unter der Waghalsigkeit anderer gelitten. Doch schließlich seien die richtigen Lehren aus der Krise gezogen werden. "Lasst uns auch die richtigen Lehren ziehen!"
Die Hauptlehre des Tages lautet jedoch: Die Schuldigen befinden sich nicht im Raum. Diesen Eindruck versuchen zumindest alle Beteiligten herzustellen. Es gehe nicht darum, die Regulierer zu beschuldigen, sagt Dimon etwa. "Aber sie haben eine Rolle gespielt." Seine Brille mit rundlichen Gläsern ist fast bis zur Nasenspitze gerutscht, als sei es eine Lesebrille, zum Glück setzt er sie bald ab.
Moynihan wendet sich gegen die Wiederbelebung des Glass Steagall-Gesetzes, das die Zerschlagung von Großbanken wie der
Bank of America zur Folge haben könnte. Sie war die spektakulärste Reaktion auf die Große Depression. Moynihan ist erst seit dem 1. Januar im Amt und somit unverdächtig, eine Hauptverantwortung für die Probleme seines Instituts bei der Übernahme von Merrill Lynch zu tragen. "Wer für die Rückkehr von Glass-Steagall ist, behauptet letztlich, dass Bear Stearns stabiler gewesen sei als JP Morgan Chase. Ich sehe nicht, warum das stichhaltig sein sollte." Natürlich hat keiner der Anwesenden je bei Bear Stearns gearbeitet.
Teil 2: Ein Satz, der Folgen haben könnte
-
Aus der FTD vom 14.01.2010
© 2010 Financial Times Deutschland