09.01.2010, 10:00
Piraterie: Lukrative Seeräuberpistole
Kommentar
Das Piraterieproblem ist weit geringer, als Versicherer und Militärs behaupten: Sie profitieren kräftig von den übertriebenen Warnungen.
von Brooke Smith-Windsor
Brooke Smith-Windsor ist Senior Research Analyst für maritime Strategie am Nato Defense College in Rom. Der Autor gibt seine persönliche Meinung wieder
Wenn es derzeit um das Piraterieproblem geht, sind überzogene Warnungen an der Tagesordnung: Die internationale Seefahrt steht der größten Piratengefahr seit vier Jahrzehnten gegenüber, sagte unlängst der Vorsitzende der Lloyd's-Versicherungsgruppe. Ihr Geschäftsführer gar sprach von Millionen verzweifelter junger Männer, die überall auf der Welt geradezu mit Neid und Tatendrang auf die Aktionen somalischer Piratenbanden blickten. Nato-Militärplaner und auch der Generalsekretär des Bündnisses stimmen in den Chor der Kassandrarufer ein: In die Piratenbekämpfung - so der Tenor - müsste erheblich mehr investiert werden, schließlich liefen 90 Prozent des Welthandels über Seetransporte.
Kein Wunder, dass der Laie den Eindruck gewinnt, die moderne Piraterie sei, neben Terrorismus und Klimawandel, derzeit eine der größten Gefahren für die Sicherheit und den Wohlstand der westlichen Welt. Allerdings ergibt ein genauerer Blick auf die Fakten ein gänzlich anderes Bild.
Weltweit gesehen ist die Gefahr, Opfer eines Piratenangriffs zu werden, überaus gering. In der Meerenge von Malakka beispielsweise, der Verbindung zwischen dem Indischen Ozean und dem Pazifik und einer der Hauptwege des internationalen Seehandels, gab es in den ersten neun Monaten des Jahres 2009 gerade einmal zwei Angriffe.
Auch in den Jahren zuvor waren einer dänischen Studie zufolge die Zahlen nur wenig höher, die Verluste durch Piraterie wurden dort auf 0,001 bis 0,002 Prozent geschätzt. Sicherlich gab es zeitweise in anderen, eng begrenzten Regionen, wie etwa im Golf von Aden oder vor den Küsten Somalias, erheblich höhere Werte bei den Piratenzwischenfällen - aber selbst diese sind relativ gesehen nicht übermäßig. Fast 20.000 Schiffe passieren den Golf von Aden pro Jahr. Nach Zahlen des International Maritime Bureau (IMB) gab es dort zwischen Januar und September 2009 etwa 100 versuchte Piratenangriffe. Selbst wenn man bis Ende 2009 von einem Monatsdurchschnitt von elf versuchten oder gar erfolgreichen Angriffen ausgeht, so sprechen wir also von weniger als 0,7 Prozent des Schiffsverkehrs, die letztlich betroffen sind.
Teil 2: Piratenpolicen sind profitabel
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FTD.de, 09.01.2010
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