DOSSIER
Globalisierung
Eine Sorge, die Europa und islamische Welt miteinander teilen, betrifft die zunehmende Globalisierung von Finanzwelt, Wirtschaft und Kultur. Im islamischen Kulturkreis steht die Angst vor kultureller Überfremdung im Mittelpunkt. Wir lassen in unserem Dossier arabische, iranische und europäische Stimmen zu Wort kommen.
Positionen
Die arabischen Globalisierungskritiker und der G8-Gipfel
Der G8-Gipfel in Heiligendamm ruft nicht nur deutsche Kritiker auf den Plan, auch in den arabischen Staaten wächst die Anzahl der G8-Gegner. Über ihre Forderungen sprach Ahmad Hissou mit Nahed Badawiya aus Syrien, dem Marokkaner Ibrahim Obaha und mit Lutz Rogler.
Interview mit dem Globalisierungskritiker Salameh Keileh
Die Gruppe der "Antiglobalisierungsaktivisten in Syrien" kämpft für den Erhalt des öffentlichen Sektors und eine aktive Rolle des Staates in wirtschaftlichen und sozialen Bereichen. Mit dem Gründer des Vereins, Salameh Keileh, unterhielt sich Larissa Bender.
Ramzy Baroud
Araber, insbesondere die arabischen Jugendlichen, kämpfen mit einer tief greifenden Identitätskrise, schreibt Ramzy Baroud. Schuld daran sei auch die nicht hinterfragte Offenheit für Einflüsse aus dem Westen.
Shahla Shafigh
Die iranische Soziologin Shahla Shafigh begreift die Globalisierung als Chance, liberale Interessensgemeinschaften stärker zusammenzuführen und den weltweiten Dialog zu fördern. Ein Porträt von Fahimeh Farsaie
Ayodele Aderinwale
Die ganze Welt wird von der Globalisierung erschlossen. Doch in Afrika funktioniert der Kulturtransfer nur in eine Richtung: Die mit der Globalisierung verbundenen Informationstechnologien überfluten den Kontinent mit westlichen Werten. Von Ayodele Aderinwale
Tariq Ramadan
Der Philosoph Tariq Ramadan wirft Globalisierungskritikern im Westen vor, einem eurozentrischen Weltbild verhaftet zu sein. Er mahnt eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Islam und den Konflikten des Nahen Ostens an.
Abbas Beydoun
Globalisierung bedeutet für die arabische Welt weniger die Dominanz der Vereinigten Staaten als eine Niederlage Europas, meint der libanesische Essayist und Dichter Abbas Beydoun.
Nasr Hamid Abu Zaid
Der ägyptische Literaturwissenschaftler Nasr Hamid Abu Zaid kritisiert, dass auch im Zeitalter der Globalisierung die Zweiteilung in den reichen Norden und den armen Süden nicht aufgehoben wurde.
François Zabbal
François Zabbal, Chefredakteur der vom Institut du Monde Arabe herausgegebenen Zeitschrift Qantara kritisiert die arabischen Intellektuellen, die sich fast unisono gegen eine Globalisierung wenden, deren Auswirkungen in der arabischen Welt aber eher positiv seien.
Interviews
Pierre Abi-Saab
Über "Identität versus Globalisierung?" wurde auf einer Konferenz der Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin diskutiert. Einziger
"Repräsentant" aus dem arabischen Kulturraum war der libanesische Publizist Pierre Abi-Saab. Mit ihm sprach Youssef Hijazi.
Hassan Hanafi
Der ägyptische Philosophie-Professor Hassan Hanafi ist ein entschiedener Gegner der Globalisierung. Er sieht darin nur eine neue Form der Unterdrückung durch die westlichen Staaten.
Für Ernst Ulrich von Weizsäcker, von 1999 bis 2002 Vorsitzender der Enquete-Kommission «Globalisierung», beginnt das Zeitalter der Globalisierung erst mit der Ausbreitung der Kommunikationstechnologien zu Beginn der 90er Jahre. Ihn beschäftigt u.a. die Frage, wie das Kapital moralischen Prinzipien verpflichtet werden kann.
Navid Kermani
Der iranische Publizist Navid Kermani hält weite Teile der arabischen Welt längst für globalisiert: Dennoch gehe Globalisierung nicht zwingend mit Demokratisierung in der Region einher.
Für Samir Amin, seit 1980 Direktor des
Forum du Tiers Monde in Dakar und seit 1996 zusätzlich Präsident des
Forum Mondial des Alternatives, ist auch die Ausbreitung des Christentums und des Islam eine Art von Globalisierung. Die
moderne Globalisierung hat seiner Meinung nach zu einer weltweiten Zunahme sozialer Probleme geführt.
Susan George, Vizepräsidentin von ATTAC-Frankreich, zählt zu den Führungsfiguren der weltweiten globalisierungskritischen Bewegung. Sie will "einigen Leuten ordentlich auf die Nerven gehen" und galubt an eine Politik der kleinen Schritte, um die Welt menschlicher und demokratischer zu gestalten.
Die andere Seite der Globalisierung
Die Vorstellung von in sich geschlossenen Kulturen ist eine Illusion. Dr. Karl-Heinz Kohl, Leiter des Frobenius-Instituts beweist, dass sich Kulturen seit alters her gegenseitig beeinflussen. Die Entstehung einer Einheitskultur, die viele im Zeitalter der Globalisierung befürchten, sieht er nicht zwangsläufig.
Buchtipp
Allam untersucht den islamischen Fundamentalismus und seine Lebensbedingungen in seinem jeweiligen gesellschaftlichen und politischen Kontext. Dabei kommt er zu überraschenden Einsichten. Christoph Fleischmann hat das Buch gelesen.