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Paläontologie II: Embryos aus Stein
Wie sich die Vorfahren der Gliederfüßer vom Ei bis zur Larve entwickelten, ist in chinesischen Gesteinen einzigartig erhalten geblieben
Vor etwa 542 Millionen Jahren ereignete sich eine der folgenschwersten Veränderungen der Erdgeschichte. Nachdem unser Planet mehr als drei Milliarden Jahre lang hauptsächlich von Einzellern bevölkert war, breiteten sich zu Beginn des Erdzeitalters Kambrium scheinbar aus dem Nichts mehrzellige Tiere in großer Vielfalt aus. Über diese so genannte Kambrische Radiation rätseln Paläontologen seit langem. Jetzt ist es dem Berliner Forscher Michael Steiner gelungen, den Schleier, der über der Entstehung der Arten liegt, ein kleines Stück weit zu lüften. Der Paläontologe hat in China Tausende von winzigen versteinerten Eiern, Embryos und Larven aus den ersten, besonders mysteriösen Jahrmillionen des Kambriums entdeckt. Die Kügelchen von der Größe eines Stecknadelkopfes sind wahrscheinlich die ältesten bislang bekannten Vorfahren der Gliederfüßer, also Urahnen von Spinnen, Krebsen und Insekten. Ganz vereinzelt entdeckte Steiner auch etwas größere und anders strukturierte Embryos, die er für Frühstadien der Stummelfüßer und der Priaps-Würmer hält.
Die mutmaßlichen Gliederfüßer-Vorfahren sortierte der Forscher nach Größe und Aussehen und erhielt dadurch eine faszinierende Entwicklungsreihe: Steiner und seine chinesischen Kollegen entdeckten perfekte kugelförmige Eier, bei denen noch keine Zellteilung stattgefunden hatte, sowie verschiedene Teilungsstadien, unter anderem Zwei-, Acht- und 32-Zellstadien. Auf Embryos mit einigen hundert Zellen folgten Stadien, bei denen sich die äußeren Zellschichten einzustülpen begannen. Schließlich bildeten sich seitliche Falten, ein so genanntes Keimband überzog die Embryos wie eine Girlande. "Dieses Keimband findet man heute nur bei Gliederfüßern und bei bestimmten Ringelwürmern", sagt Steiner.
Die Embryos sind etwa zehn Millionen Jahre älter als die ersten bisher bekannten Körperfossilien erwachsener Gliederfüßer. Diese wurden ebenfalls in China, vor allem in der 525 Millionen Jahre alten Chengjiang-Lagerstätte gefunden. Aus der ersten Zeit des Kambriums, während der die Embryos versteinert wurden, blieben praktisch überhaupt keine vollständigen Fossilien adulter Exemplare erhalten, sondern nur ein Trümmerhaufen aus millimetergroßen Nadeln, Hütchen, Schuppen und Schalen. Umso aufregender ist daher der Fund aus China: "Er zeigt, dass schon kurz nach der Kambrischen Radiation sehr komplexe Gensteuerungsprozesse bei der Embryonal- und Organentwicklung vorhanden waren", sagt Steiner. "Die verschiedenen Tierstämme müssen sich eigentlich schon vor dem Kambrium entwickelt haben, was wir bislang aber mit Fossilien noch nicht belegen können."
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