GEO Magazin Nr. 01/05 - Verstehen Sie Einstein? Seite 1 von 1
Artikel vom 15.12.2004

Paläontologie I: So nah wie nie

Unter einer Müllkippe in Spanien sind Forscher auf ein gut erhaltenes Skelett eines hominoiden Wesens gestoßen - des jüngsten gemeinsamen Vorfahren von Homo und Großem Menschenaffen


"Gute Fossilien findet man nicht, sie finden uns", ist ein Leitspruch spanischer Paläontologen. Tatsächlich sind Zahl und Attraktivität von Fossilien auf der Iberischen Halbinsel so groß, dass ein Gesetz die Anwesenheit von Urzeitforschern bei jedem größeren Bauprojekt vorschreibt. So waren Wissenschaftler dieser Fachrichtung auch direkt zur Stelle, als eine Planierraupe jüngst beim Ausheben einer 30 bis 40 Meter tiefen Mülldeponie bei Barcelona die Knochen eines außergewöhnlichen Wesens zutage gefördert hatte.

Der Fund stellt für die Forscher eine Sensation dar. Der etwa 13 Millionen Jahre alte so genannte Pierolapithecus catalaunicus lebte in der Zeit, in der die Aufspaltung der Arten in Vorfahren des Orang-Utan einerseits und der Afrikanischen Menschenaffen sowie des Menschen andererseits vermutet wird - im jüngeren Miozän vor elf bis 16 Millionen Jahren. Neueste Schätzungen von Genetikern engen diesen Zeitraum sogar auf zwölf bis 14 Millionen Jahre ein.

"Kein anderes je in Europa entdeckte Fossil ist so alt und primitiv wie Pierolapithecus catalaunicus und trägt dennoch alle charakteristischen Merkmale eines Großen Menschenaffen", sagt Meike Köhler vom Institut de Paleontologia Miquel Crusafont in Barcelona. Vermutlich handelt es sich um eine aus Afrika eingewanderte Art. Im Gegensatz zu Pierolapithecus weisen ältere Exemplare wie der afrikanische Kenyapithecus Körpermerkmale primitiver Affen auf.

Deren Brustkorb war schmaler, und die Schulterblätter lagen seitlich der Rippenbögen, ähnlich wie bei Hunden. Ausgesprochen menschenaffenartig war Pierolapithecus durch die relative Bewegungsfreiheit seiner Hände sowie die verhältnismäßig kurze, steife Lumbalregion der Wirbelsäule. Dadurch, so vermutet der Forschungsleiter Salvador Moyà-Solà, konnte sich das Tier wesentlich besser aufrichten als seine früheren Verwandten. Andererseits, so zeigen anatomische Merkmale, muss das Wesen wie die rezenten Menschenaffen ein guter Kletterer gewesen sein.

Überrascht war das Team um Moyà-Solà über ein "Handicap" von Pierolapithecus im Vergleich mit heutigen Menschenaffen. Während Orang- Utans, Bonobos, Schimpansen und Gorillas sich exzellent von Ast zu Ast hangeln können, dürfte ihr Vorfahr diese Fortbewegung nicht gut beherrscht haben. Das zeigt, dass sich nicht nur die Menschenlinie evolutionär fortentwickelt hat, sondern auch deren übrige, äffische Verwandtschaft. Als ältestes menschenartiges Wesen (als so genannter Hominide) gilt der sieben Millionen Jahre alte, in Kenia entdeckte Orrorin tugenensis, dessen verdickte Unterseite des Oberschenkelhalses auf einen dauerhaft aufrechten Gang schließen lässt.

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