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Seit 350 Jahren wird das "Ischler Krippenspiel" aufgeführt

"I sach a foirigs Liacht"

Von Maria Gornikiewicz

Bald ist es so weit, im katholischen Pfarrheim Bad Ischl wird schon seit drei Monaten emsig geprobt und gearbeitet. Zwischen 40 und 50 Ischler Bürger und Bürgerinnen werken vor und hinter der Bühne am ältesten religiösen Volksspiel der Region, das nur alle vier Jahre zur Aufführung gelangt, und zwar an drei Tagen - eine kleine Sensation für Kenner und Liebhaber.

Zur 300. Wiederkehr des Jahres, in dem die "Theatralische Vorstellung der Geburt Christi" (so der offizielle Titel des Krippenspiels) erstmals schriftlich aufgezeichnet wurde, hat der Ischler Heimatverein eine Festschrift herausgebracht. In ihr steht geschrieben: "Mit dem 'Ischler Krippenspiel' besitzen wir das älteste Literaturdenkmal unserer Stadt und das einzig lebende Volksschauspiel Oberösterreichs, das seine Lebenskraft durch all die Jahrhunderte bis in die Gegenwart bewahrt hat. In Ischl entstanden, von Ischlern gespielt und überliefert, lange Zeit in Vergessenheit, immer wieder aber in neuer Ergriffenheit hervorgeholt und dargestellt . . . Diese Schrift, aus festlichem Anlass geboren und von berufener und kundiger Hand verfasst, will die Geschichte des Spieles deuten. Der Krippenschar bleibt es vorbehalten, es auf der Bühne zu gestalten als ein heimatliches und frommes Spiel um das Wunder der Weihnacht."

Im neuen Gewand

Das war im Jahre 1954. Seitdem müht sich der gleiche harte Kern, bestehend aus einigen alteingesessenen Familien, das Singspiel in menschlich und künstlerisch .überzeugender Weise aufzuführen. Und da es ein Singspiel ist, wird darin vorwiegend gesungen.

Nur Herr Sagner, der vor vier Jahren an der Kassa gesessen ist, kann nicht mehr mitmachen. Ein Schlaganfall im 91. Lebensjahr hat seiner Zugehörigkeit zur Krippenschar ein Ende gesetzt. Mit 82 hat er noch den Berater vom König Herodes gespielt, und mit 52 Jahren ist er einer der Heiligen drei Könige gewesen.

Auch Spielleiter Klausecker ist nicht mehr dabei, er hat sein Amt im Alter von 83 Jahren zurückgelegt. Der neue Mann mit großen Ambitionen heißt Gerhard Größwang und ist eigentlich Kommerzialist, d. h. er unterrichtet kaufmännische Fächer an der Handelsakademie des Bundesschulzentrums. Seine Frau Erika, früher Volksschullehrerin, kümmert sich mit fünf anderen Frauen um die Garderobe. Die Kostüme sind 1955 von Maria Zierler angefertigt worden. Die alten Gewänder aus der Nachkriegszeit, noch mit Zeitungspapier unterfüttert, sind im Lauf der Zeit zerfallen. Aber es haben sich noch Schnitte der Originale auftreiben lassen, mit deren Hilfe und der Unterstützung aus dem Fundus von Altkleidersammlungen sind neue Kostüme entstanden.

Zu den alten "Originalen" zählt Mathias Loidl, der bereits sein 50-jähriges Bühnenjubiläum feiern konnte. Er lässt sich jedes Mal einen Bart stehen und das Haar rot einfärben, um einen glaubwürdigen Herodes darzustellen. Bei den alten Ischlern gilt es als Ehre, der Spielergemeinschaft anzugehören, der Einsatz beim Krippenspiel reicht z. B. bei den Familien Zopf und Kratzer bis auf die Großeltern der jetzigen Darsteller zurück. Unter den zehn Kindern auf der Bühne sind auch schon deren Urenkel dabei.

Nur zwei der Hirtenbuben haben einen Text. Der ist schwer zu erlernen und zu verstehen, wenn man den uralten Ischler Dialekt nicht beherrscht, der kaum mehr gesprochen wird. Wenn also der

Rüapl erzählt, was er gesehen hat, sagt er: "Hiazt losts nur all fein öbm, was i han gsegn hiazund . . ." und: "I sach a foirigs Liacht." Und der Stöffel singt: "Han, Rüapl! Dir fahlts meh ön Dachstuhl, ziemt mi halt!"

An den alten Texten fällt die Vertrautheit des Volkes mit dem Jesuskind auf. Man spricht es als "liabs Manderl, arms Hascherl, liabs Herzerl" an. Männer und Frauen reichen das Kind im Kreis zum Küssen herum. Das erinnert an das Kindlwiegen, einen alten Brauch, der vermutlich schon in mittelalterlichen Zeiten üblich war.

20 Stunden Spielzeit

Der Kern des Ischler Krippenspiels besteht aus sieben "Abteilungen" mit insgesamt 27 Szenen. Wohlgemerkt, der Text ist eine Kostbarkeit der Trauntaler Volkskultur und hat nachweislich seit 350 Jahren Bestand. Einstmals soll das Ischler Krippenspiel knapp 20 Stunden Spielzeit gehabt haben. Natürlich ist es im Laufe der Jahrhunderte viel kürzer geworden. Spielleiter Größwang hat noch einmal gekürzt und dafür mehr Musik eingebracht.

Man muss eben mit der Zeit gehen. Die ist schon so modern, dass man inzwischen bereits ein wenig mit der Tradition gebrochen hat. Denn Maria, die Mutter Jesu, durfte immer nur von einem unvereheirateten Mädchen gespielt werden. Da die letzte Maria aber in der Zwischenzeit geheiratet hat und nun Mutter zweier Kinder ist, musste abgestimmt werden. Und siehe da, weil Renate Greiner eine so gute Maria war und bestens zum Josef passt, darf sie auch heuer wieder als Mutter Gottes agieren. Die Mehrheit war dafür.

Rollen für die Mädchen

Das neue Spielleiter-Ehepaar ist eigentlich auch ein Ausnahmefall, denn es ist erst 1975 nach Ischl zugezogen, aber hat schon zwei Jahre später beim Krippenspiel mitgetan. Wer weiß, vielleicht werden eines Tages auch Mädchen in die Hosenrollen der Hirtenbuben schlüpfen, denn die weiblichen Kinder in Ischl sind spielfreudiger als die männlichen. Darüber sind die Meinungen geteilt, denn viele meinen: "a Dirndl kann do net in a Lederhosn schlupfen".

In der Spielergemeinschaft gibt es für die Mädchen zwischen 8 und 18 Jahren keine Rollen. Denn für ein Hirtenmädchen ist man zu alt und für die Maria (begehrteste Rolle) zu jung. Heuer waren ganz kleine Pagen am schwierigsten zu besetzten, denn in den Familien der Spielgemeinschaft gab es keine Fünf- oder Sechsjährigen. Die beiden Schülerinnen Maria Neureiter und Anna Morbitzer aus der dritten Klasse Gymnasium sind eingesprungen. Übrigens heißen die Frauen im Singspiel "Hirtenweiber", und das soll so bleiben.

Wenn also Gerhard Größwang - heuer als schwarzer Balthasar, als ein Prophet und als Bote zu sehen - die sieben "Abteilungen" leitet, weiß die treue Zuhörerschaft, was auf sie zukommt: 1. Weissagung der Propheten, 2. Verkündigung,

3. Herbergsuche, 4. Hirten auf dem Feld, 5. Der Stall von Bethlehem,

6. Im Palast des Herodes und

7. Huldigung der Könige. Spätestens in der Abteilung fünf gibt es manch nasse Wange. Selbst Außenstehende sind vor Rührung nicht gefeit.

Es ist wohl müßig zu sagen, dass die Spielgemeinschaft ehrenamtlich tätig ist. Alle Kosten werden durch den Kartenverkauf gedeckt. Vom Reingewinn werden Rücklagen (z. B. für Kulissen) getätigt, zudem werden eine Spielerjause und ein Spielerausflug im Frühling finanziert. Der Rest ist für soziale Zwecke bestimmt, für spontane Hilfe in Notfällen, denen Ischler Familien ausgesetzt sind. Man arbeitet ohne Subventionen, weil man unabhängig bleiben will.

Dass es in Ischl rund um das

Krippenspiel keinen Medienrummel gibt, ist selbstverständlich, denn man spielt füreinander und für den Herrgott, nicht für die

Welt. Nur einen Zwei-MinutenBeitrag des ORF in "Österreich heute" hat es gegeben, und einmal eine Aufführung zu Kaisers Geburtstag im Jahre 1870.

Nach dem Krieg gab es noch zwei "Auswärtsspiele" in Linz und Eferding. Bei diesen Aufführungen ist manches schief gegangen. Also gibt es keine Ausnahmen mehr, das Ischler Krippenspiel bleibt in Ischl, wo es hingehört.

Informationen beim Pfarramt 0 61 32/234 83 oder bei Familie Größwäng (0 61 32/282 82).

Spieltage: Freitag, 26. Dezember 2003, Sonntag, 28. Dezember 2003, Sonntag, 4. Jänner 2004, jeweils 16 Uhr.

Freitag, 19. Dezember 2003

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