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Wenn Wasser bergauf fließt

Die "Via dei Laghi" bei Rom -Weltwunder oder Sehfehler?
Von Elisabeth Hewson

Wenn das der Isaac Newton wüsste! Auf einem Straßenstück nahe Castelgandolfo in Italien fließt Wasser bergauf, rollen halbvolle Flaschen und Autos bei abgestelltem Motor bergan und zeigen Wasserwaagen ein Gefälle an, wo man eine Steigung wahrnimmt.

"Schwachsinn!" Diesen Kommentar hört man immer wieder, wenn von dem seltsamen Stück Straße erzählt wird, das durch üppige Wäldchen führt und außer am Straßenrand liegenden Plastikflaschen nichts Ungewöhnliches zu bieten hat. Normale Leitschienen, Straßenschilder, lockerer Verkehr. Doch gibt selbst der heftigste Zweifler eine gewisse Verblüffung zu, wenn er sich selbst von diesem Naturphänomen überzeugt hat. Denn das ist es sicher, selbst wenn es nur das Phänomen "optische Täuschung" sein sollte - an das man aber nur schwer glauben kann, wenn man diese Straße einmal befahren und das Phänomen erlebt hat.

Wer es zuerst entdeckt hat, kann niemand sagen. Einwohner der Umgebung erzählen, dass das immer schon so war. Und irgendwie scheint es auch niemanden sonderlich zu beeindrucken. Während in Amerika - auch dort gibt es "Mystery Spots", wo die Naturgesetze außer Kraft gesetzt scheinen - sofort Vergnügungsparks mit Eintritt errichtet werden, lachen die Italiener den suchenden Touristen nur ein wenig aus, zwar anerkennend, dass er davon weiß, aber eher mitleidig ob des Interesses. Nach ihrer persönlichen Interpretation gefragt, sind sich fast alle einig: optische Täuschung. Ob Polizist oder Besitzer des Cafés am Platz in Rocca di

Papa, ob Geschäftsmann oder einkaufende Hausfrau, sie alle zeigen ihre rationale, aufgeklärte, moderne Lebensart. Doch irgendwie kann man sich des Eindruckes nicht erwehren, dass hinter dieser demonstrativen Nonchalance doch ein bisschen Zweifel steckt. Was kein Wunder ist, wenn man - vielleicht von einem Taxifahrer, der glaubt, dass hier nicht alles mit rechten Dingen zugeht - hinchauffiert wird und das Phänomen selbst in Augenschein nimmt.

Was man erlebt, ist Folgendes: Nachdem man von der Stazione Termini in Rom etwa eine halbe Stunde Richtung Albano gefahren und vier Stationen davor in Marina ausgestiegen ist, fährt man in einem Taxi durch erwähntes Wäldchen Richtung Castelgandolfo zum Albaner See. Die Straße "Via dei Laghi" macht vor dem Ortsende von Rocco di Papa eine Biegung nach rechts und führt dann etwa 100 m leicht bergan, dann wieder bergab. Oder umgekehrt, wie die Augen glauben, denen man nicht trauen darf.

Dann stellt man sich an den Straßenrand, sieht Autos kommen und über der Bergkuppe verschwinden, sieht Autos über der Bergkuppe auftauchen. Geht einige Schritte bergab, einige wieder bergauf. Und würde jeden Eid darauf schwören, dass man sich auf einem ansteigenden, und nicht abfallenden Asphaltband befindet.

Und dann folgt der erste Test: Eine Plastikflasche, vorsorglich mitgenommen und halbvoll mit Wasser gefüllt. Man rollt sie bergab. Sie wird langsamer und langsamer, kommt schließlich zum Stehen, schwankt ein wenig und beginnt einem wieder entgegenzurollen. Bergauf. Man steigt ins Auto, fährt zur Straßenmitte. Der Fahrer stellt den Motor ab, das Auto bleibt stehen und beginnt ganz langsam zu rollen. Aber nicht rückwärts, wie man erwartet hätte (man steht bergan), nein, sondern die Straße hinauf und über die Kuppe, wo es dann "richtig" bergab geht und man auf die Bremse steigen muss.

Bei Regen fließt das Wasser hier aufwärts. Das bestätigt der Taxichauffeur. Man probiert selbst den "Wassertest", schüttet die Flasche aus, doch die Flüssigkeit versickert irgendwie, man braucht viel Wasser, also doch Regen. Auch Fahrradfahrer freuen sich immer besonders über diese Straßenstück, weil sie da nicht in die Pedale treten müssen, sondern "bergauf gezogen" werden, erzählt der Taxler weiter. Und ist recht stolz auf "sein" Naturphänomen.

"Gravitationsphänomen" nennen es die Fachleute. Sogar Nuklear-Physiker wurden hier schon verunsichert. Es gab auch einen TV-Bericht über diese wunderliche Straße, doch erklären konnte man die Vorgänge hier, in der Nähe der päpstlichen Sommeresidenz nicht. Dazu wären umfangreiche geophysikalische Messungen nötig, auch die Auswertung von Luft- und Satellitenbildern, um zu prüfen, ob die Erdanziehung verrückt spielt.

Dass die Gravitation nicht überall auf der Erde gleich ist, hat man schon feststellen können. Aber angeblich sind die Unterschiede so minimal, dass sie derartige Phänomene nie hervorrufen könnten. Da diese Gegend vulkanischen Ursprungs ist und die Straße am Kraterrand entlang führt - der Albaner See (fast kreisrund) ist selbst für einen Laien als Kratersee zu erkennen - hat man schon vermutet, dass das Phänomen etwas damit zu tun haben könnte. Aber was?

In Schottland, zwischen Ayr und Maidens, kann man Ähnliches beobachten. Das Straßenstück dort nennen die Einheimischen "Electric Brae". Auch in Japan und in Polen findet man bergauf laufendes Wasser. In der Eifel, nahe Schleiden gibt es einen solchen Platz. Der ist allerdings nur an manchen Tagen "in Betrieb". Noch seltsamer.

Dass bisher übrigens kein Italiener auf die Idee gekommen ist, es könne sich - von der Nähe des Papstes in Castelgandolfo begünstigt - vielleicht doch um ein katholisches Wunder handeln, das ist wahrscheinlich das größte Geheimnis an dieser Geschichte.

Freitag, 25. Juli 2003

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