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Artikel aus dem EXTRA LexikonPrint this

L.E.O., das "letzte erfreuliche Operntheater" -ein Lokalaugenschein

Weltreisen in der Baumanngasse

Von Maria Gornikiewicz

An einem schwarzen Abend hat es mich nach einem eben solchen Tag in dieses Kellertheater verschlagen, bei Sturm und Regen. Ich war verabredet und musste also Ecke Beatrixgasse/Baumanngasse unter die Erde. Als ich nach Öffnen der Tür einer ehemaligen Tapeziererwerkstatt den Wärmeschutz beiseite stieß, war alles gleich besser. Der eiserne Ofen verbreitete Wärme, auf den kleinen runden Tischen hatte man schon Kerzen entzündet, die Schmalzbrote am Buffet waren gestrichen, der Rotwein entkorkt, der alte Kronleuchter tat sein bestes. Es war und ist wie der Eintritt in ein Bistro, nur spannender, wenn man auf ein neues Programm wartet. Bevor es losgeht, will der Haushund Fini gestreichelt werden. Das ist eine arme griechische Hündin, die der Hausherr von einem Urlaub mitgebracht hat. Sie ist auch schon bei "Bastien und Bastienne" im Wattekostüm als Schaf auf der Bühne gestanden, sonst liegt sie während der Vorstellung in ihrem Korb in der Garderobe. Zu dieser geht es durch die wurmstichige Holztür neben dem Ofenrohr, auf der "Zum Abort" geschrieben steht. Und auf diesem wieder hängt ein Plakat: "Männer hinsetzen, dieses WC wird auch von Damen benützt!"

Reservierungen werden übrigens auf das Teilchen einer Serviette gekritzelt und auf Tisch und Sessel gelegt. Diese Details mögen das heimelige und private Flair illustrieren, das hier einige enthusiasmierte Künstler verbreiten. Spiegel über der Garderobenleiste, Gemälde über dem Buffettisch, darauf der Zylinder für freie Spenden. Der blaue Vorhang wird von den Darstellern bedient, hat ein mit der Schere hineingeschnittenes Guckloch, alles auf kleinstem Raum, trotzdem herrscht ein hoher künstlerischer Anspruch auf der Pawlatschen. Und im Hintergrund grüßt die Mona Lisa, zumindest in der zweiten Halbzeit von "Oh du Peruanerin", Teil 4, der auf dem Programm steht. Die exotische Revue in fünf Bildern kann losgehen. Am Klavier der eingewienerte Australier Stephen Delaney, Oberblödler, Pianist und unvergleichlicher Conferèncier in einem. Sofort reimt sich Kalkutta auf Schwiegermutter und Heiligtume auf Butterblume, wenn Stefan Fleischhacker als Inderin einen Song mit Hintergrundgeräuschen zelebriert. Nach der Pause mimt er deren Bruder Rachid Mahad-mahadma. Dann singen Elena Schreiber und Martin W. Thoma "Wenn die beste Freundin, mit der besten Freundin".

Die chaotische Welttournee

Die Grundstory der Revue ist eine choatische Welttournee des L.E.O., erzählt von Stephen, und er bietet mehr als verbindende Worte. Plötzlich wird es chinesisch, denn die Chinesen waren doch schon 200 vor Christus in Österreich, man denke nur an Möd-Ling und Mayer-Ling, schade um den Schil-Ling! Natürlich kann die Chinesin, sprich Elena Schreiber, auch jodeln. Bei der Tournee hat man sich im Dschungel von Vietnam verirrt und dort ein Goethe-Institut gefunden, worauf ein sangesfreudiger Professor auftritt. Und eigentlich ist die Frühlingsrolle ein in Japan entdecktes Volkslied - das war vor dem Frühlingsrollenkrieg zwischen China und Japan, deshalb studiert Stephen mit dem Publikum den Frühlingsrollen-Walzer ein (mit rollenden Handbewegungen).

Spätestens zu diesem Zeitpunkt war mir das Leben wieder rosa und blau. Die Zuhörer haben sich zerkugelt. Die fiktive Tournee ist übrigens über Kiew in die USA gegangen, einer Ukrainerin wurde versprochen, dass sie in Wien auftreten darf. Das ist Martin W. Thoma mit "Wenn ich dich seh', da mussich weinen", er kann das auf Russisch und auf Amerikanisch. Stefa Fleischhacker wurde von Hillary Clinton sogar als Sekretär für Bill engagiert, um von Monika abzulenken. Die Insel Lesbos kommt auch vor (Tralalala), "Der Überziehe" wird in einer Bar in L.A. angesiedelt und die Französin Marie, die eigentlich in Brunei verblieben ist, läuft ihrem Ölscheich davon, um wieder bei L.E.O. zu pfeifen (Elen chreiber). Thoma liefert einen Marlene-Dietrich-Verschnitt und hat "zwei dünne Füß' und sonst gar nichts".

Haben Sie jetzt einen Eindruck gewonnen oder gar L.E.O. schon zweimal in den "Seitenblicken" gesehen? Vielleicht anlässlich des Gastspiels der römischen Militärmusiker "Fratelli d'Italia", in voller Orchesterbesetzung, die daheim Klassik spielen und im befreundeten L.E.O. Schlager aus der italienischen Zwischenkriegszeit und Opernparodien. Das ist eine Bombenstimmung gewesen, Lebensfreude pur, alle Vorstellungen ausverkauft, drei Bänke mussten zusätzlich herbeigeschafft werden. In der Hektik haben Stammgäste aushilfsweise die Schmalzbrote produziert. Die Römer kommen gerne, obwohl die Gage kaum der Rede wert ist, das Teuerste an ihnen sind die Reisespesen.

Die eigene Atmosphäre

Wie sich so ein Theater rechnet, wie man gute Kräfte halten kann, und wieso die kleine Blonde, die manchmal nabelfrei Eintrittskarten verkauft, und die große Blonde, die mit dem Zylinder Spenden sammelt, mitmachen? Das müssen Sie den quirligen Gründer, Sänger, Animateur, Komiker, Moderator, und kaum Regisseur fragen, der L.E.O eine Seele eingehaucht hat: Stefan Fleischhacker, Jahrgang 1965, 1,68 Meter - seine Bühnenpartnerin Elena Schreiber ist 1,80 und trägt hohe Absätze - wollte immer schon ein eigenes Theater, um eine eigene Atmosphäre kreieren zu können. Seit dreieinhalb Jahren hat er beides in der Baumanngasse 3, vorher musste das L.E.O. von Spielstätte zu Spielstätte pilgern. Und dabei ist der harte Kern des Ensembles, bestehend aus sieben bis zehn Persönlichkeiten, gewachsen und stabil geworden. Es macht jeder alles, der erste der kommt, heizt ein.

Leo (nur eine Namensgleichheit) Mayer, der Maler, ist Bühnenbildner, Ausstatter, Tonmeister und Theaterfotograf. Hier gibt es keine Laien aus bürgerlichen Berufen. Ausnahme ist die beeindruckende Pianistin Antonia Lersch, profunde Kennerin und Interpretin von klassischer Musik u. a. aus Südamerika und Spanien. Sie arbeitet mit alten Menschen im Kuratorium der Stadt Wien. Alle anderen versuchen, von ihrer Kunst zu leben, und haben ihre separaten Konzerterln und Sing-Jobs, die sie häufig L.E.O. verdanken. Aber ihr künstlerisches Zentrum ist dieser Keller, wo jede Produktion gemeinsam erarbeitet wird. Niemand schottet sich hier vom Publikum ab, um ein "Star" zu sein. Na gut, Stefan Fleischhacker ist der Startenor, wobei ihn aber manche aus dem Publikum für einen Bariton halten. Seine Wahlheimat ist Italien, dort hat er das lebendige Singen und Leben in einem Stück gelernt. Aber in Wien hatte er einen Privatlehrer, dem er seine Singstimme verdankt. Er war im Chor der Volksoper und hätte davon leben können. Er sang über ein Jahr in vier Produktionen der Kammeroper. Natürlich will er in einem großen Raum singen, natürlich hätte er dabei lieber ein Orchester. Aber trotz Mangel an großem Haus ein wesentliches Statement: Unser "Barbier" ist lustiger als der an der Staatsoper.

Im L.E.O. hat man "Il Barbiere di Siviglia" in der Klavierfassung auf Italienisch mit Fleischhacker als Almaviva gebracht, skurril und publikumswirksam. Erarbeitet hat man die Oper in acht Wochen zu acht - unter dem Motto "Musik ist Unterhaltung"! Ebenso erfolgreich war das "Mahagony Songspiel" und Donizettis "Rita" mit Elena Schreiber in der Titelrolle. Wie die Schreiber, verheiratet mit einem Schauspieler und Mutter zweier Kinder, alle Anforderungen unter einen Hut kriegt, ist nicht alltäglich. Aber die Kleinen dürfen mitunter von der Garderobe aus den Theaterbetrieb und die Arbeit ihrer Mutter studieren. Auch ihr geht es wie allen, die mit L.E.O. durch dick und dünn gehen. Das Theater ist lustig, findet regelmäßig statt, hat also hohe Priorität.

Und wie geht es weiter?

Ich setz' den Fall, es kämen andere schöne Direktoren und Regisseure, um sie oder ihn für Rollen auf großen Bühnen bei Regie-Opern (die sie absolut nicht leiden mögen) zu gewinnen, was dann? Selbstverständlich ginge Fleischhacker vorsingen, weil seine Stimme hier zu wenig Raum hat und sie dadurch verkümmern könnte. Schwamm drüber, wünschenswert ist jedenfalls, dass das letzte so erfreuliche Operntheater bleiben möge, wie es ist. Sein Publikum setzt sich nicht nur aus Anrainern zusammen, auf Befragen habe ich Leute aus Gföhl und Fürstenfeld entdeckt. Die Waldviertler mussten sogar in einer kalten Winternacht die Heimreise antreten. Wenn das so weitergeht, werden wir Wiener noch um die 40 bis 50 Plätze kämpfen müssen. Eine Voranmeldung ist angezeigt.

Besonders in diesem Monat, denn am 13. November hat "La Serva Padrona" Premiere, die berühmte komische Oper der Barockzeit von Giovanni Battista Pergolesi. Stefan Fleischhacker bringt eine zeitgemäße Übersetzung auf seine Bühne und singt nicht! Er ist der Diener Vespone (eine stumme Rolle), die Serpina wird von der Sopranistin Kinga Cserjesi gesungen. Der Chef des Hauses wird sich aber in einem Rahmenprogramm als Solist zu Gehör bringen. Ganz sicher kommt er wieder zu seinem Glück, das er empfindet, wenn die Leute lachen. Dann fühlt er sich getragen, und die Aufregung vor jedem Auftritt wird sich gelohnt haben.

Die Sängerin und Pianistin Antonia Lersch steht ab 21. November mit "Frauen-Liebe und Leben und andere Zumutungen" am Programm. Außerdem kann man mit L.E.O. und "Fratelli d'Italia" den Silvesterabend im Jugendstiltheater Baumgartner Höhe verbringen. Beginn 22 Uhr.

L.E.O., 1030 Wien, Baumanngasse 2. Infoline: 01/427 17. Informationen und Reservierungen unter der Telefonnummer 712 14 27.

Freitag, 08. November 2002 00:00:00
Update: Dienstag, 01. März 2005 12:18:00

Lexikon



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