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Artikel aus dem EXTRA LexikonPrint this

Das teatro caprile blickt über die Ost-und Südgrenzen Österreichs

Tragisches, nebenbei serviert

Von Nicole Kolisch

Seit 1993 beharrt das teatro caprile standhaft auf dem Schulbuchsatz: "Europa geht bis zum Ural". Unter einem vereinten Europa versteht die gleichermaßen Vorarlberger und Wiener Theatergruppe die volle Aufmerksamkeit für Literaturen östlich und südlich von Wien. Wie es dazu kam? Die "Wiener Zeitung" traf caprile-Direktor Andreas Kosek zum Gespräch.

Andreas Kosek: Das teatro caprile wurde von Katharina Grabher, Mark Német und mir gegründet, weil wir die Idee hatten, einmal eine erste eigene Theaterproduktion auf die Beine zu stellen - und dafür, also für Subventionen usw., braucht man ja hierzulande einen Verein. Katharina hat vorher schon als Schauspielerin gearbeitet. Ich habe Theaterwissenschaften studiert und hatte ebenfalls Schauspielerfahrungen, und Mark ist Ethnologe und hat uns von Anfang an als "engagierter Laie" unterstützt. Seit 1993 arbeiten wir kontinuierlich, zumindest soweit es die Subventionen zulassen. Im Klartext heißt das: Wir haben meistens Pläne, drei Stücke im Jahr zu machen . . . und von denen wird's dann im Endeffekt meistens eines.

Wiener Zeitung: Wie kam es zu dieser Zusammensetzung?

Kosek: Katharina und ich haben nicht das erste Mal am Theater zusammengearbeitet. Wir waren vorher bei der Gründung von vis plastica dabei, haben uns aber mit der Zeit von dort absentiert, weil es uns doch mehr zum Sprechtheater gezogen hat. Und das hat ja dort nicht stattgefunden. Außerdem wollten wir einfach einmal unsere eigenen Ideen und Stückkonzepte verwirklichen: Katharina als Schauspielerin; ich als Schauspieler und Dramaturg, und durchaus mit dem Hintergedanken, später auch Regie zu führen. Einmal war das schon der Fall: Bei unserem "AbendAKTstück", das im Herbst 1998 in Vorarlberg gezeigt wurde. Dafür haben Katharina und ich selber Texte zusammengesucht und erarbeitet, die ich dann in Szene gesetzt habe.

Das Ergebnis war eine Szenencollage über das Verhältnis zwischen Malern und Modellen. Das Stück setzt sich einerseits damit auseinander, wie es Modellen geht, während sie Modell stehen. Und auf der anderen Seite damit, was für haarsträubende, meist leicht schwülstige Storys die Kulturgeschichte aus eben diesen Verhältnissen gemacht hat.

W. Z.: Das teatro caprile betont

immer wieder stark die Achse Wien-Vorarlberg. Woher kommt der Bezug zum "Ländle"?

Kosek: Zunächst einmal ist Katharina Grabher Vorarlbergerin und ich selber war auch etliche Jahre lang leidenschaftlicher Wahlvorarlberger. Einige unserer Stücke hatten ihre Premiere in Vorarlberg, bevor sie dann nach Wien übersiedelt sind. Und "Ein AbendAKTstück" wurde überhaupt nur in Vorarlberg gezeigt. Die Kulturpolitik in Vorarlberg hat uns einige Zeit lang sehr tatkräftig unterstützt und war ursprünglich auch einer der Auslöser dafür, diese Gruppe zu gründen: Der Kulturlandesrat und der Finanzlandesrat haben Katharina und mich einmal bei einer Performance gesehen, sind auf uns zugekommen und haben gemeint: "Wenn ihr einmal was tun wollt's, dann kommt's zu uns!" Insoweit haben wir gewusst, dass dort eine Tür für uns offen ist und dass der Gang durch die Institutionen dort sicher etwas weniger steinig wird als in Wien. Und das war ja auch tatsächlich am Anfang der Fall.

Außerdem hatten wir die Annahme, dass man "am Land" schneller mit zuständigen Leuten ins Gespräch kommt und leichter Kooperationen machen kann. Das hat sich teilweise auch bestätigt. Teilweise leider nicht.

Dennoch haben zwei Drittel unserer Arbeit immer in Wien stattgefunden, da viele organisatorische Dinge, Probenraum, Druckerei usw., hier einfach viel leichter zu erledigen sind. Und auch billiger als in Vorarlberg.

W. Z.: Ihre Themen- und Autorenauswahl ist aber nicht explizit vorarlbergerisch?

Kosek: Generell nicht, aber es kommt schon vor: z. B. bei "Bilanz" von Árpád Göncz. Das ist ein halb biografisches Stück des ehemaligen ungarischen Staatspräsidenten, das wir am 8./9. Jänner auch in Wien zeigen werden. Seine Premiere hatte es allerdings voriges Jahr in Vorarlberg; unter anderem, weil wir gedacht haben, das Thema müsste gerade in Vorarlberg die Leute interessieren - auch wenn es auf den ersten Blick nicht so aussieht. Gerade Vorarlberg ist ja ein Land, in dem sehr stark Leute weggehen, um anderswo Karriere zu machen. Oder Leute nach der Studienzeit wieder zurückkommen . . . Also genau die Probleme des Stückes, dass Beziehungen auseinander fallen aus ökonomischen Gründen, sind in Vorarlberg viel brisanter als in Wien. Wir dachten, dass man das sehr wohl übertragen kann - auch wenn es sich im Stück, in Ungarn, um einen politischen Auslöser handelt.

W. Z.: Dass Sie ein Stück von Göncz spielen, liegt ja auch an Ihrem Ungarn-Schwerpunkt . . .

Kosek: So ist es. Einen OsteuropaSchwerpunkt haben wir genau genommen seit Anbeginn, da wir schon in unserer ersten Produktion ein kurzes russisches Stück hatten und die Folgeproduktionen dann auch auf demselben Autor, Aleksandr Vedenskij, bzw. auch auf Daniil Charms basierten. Damit war unserer russischer Schwerpunkt abgeschlossen und wir sind eigentlich eher durch Zufall auf unsere derzeitige "Ungarn-Schiene" gekommen, weil uns "Hausputz" von Péter Nádas empfohlen wurde. Der Gedanke war: Das ist ein Stück, das zu unserem Ensemble passt. Es ist ein bisschen skurril, es lässt sich mit kleiner Besetzung spielen - das ist ja auch immer sehr wichtig!

Erst als wir beschlossen haben, dieses Stück zu machen, haben wir unsererseits begonnen nach Kooperationspartnern Ausschau zu halten und haben das Collegium Hungaricum (das ungarische Kulturinstitut in Wien) gefunden. Diese Zusammenarbeit war sehr fruchtbar. Und wir haben gesehen, dass in der Gesellschaft und auch in der Politik ein durchaus lebendiges Interesse besteht, unsere "Nachbarn", die ja auch zukünftige EU-Mitglieder sein werden, näher zu betrachten. Es ist unserer Meinung nach wichtig, dass man sich mit der Kultur dieser Menschen auseinander setzt. Und es ist in gewisser Weise auch eine Marktlücke. Deshalb sind wir auf diesem Segment geblieben. Unsere Auseinandersetzung mit Ungarn ist jetzt allerdings wesentlich stärker als zuvor unsere Auseinandersetzung mit Russland. Schon einmal, weil es nun zeitgenössische Stücke sind - im Gegensatz zu den russischen Stücken, die aus der Zwischenkriegszeit waren.

Mit der aktuellen Produktion, "Wunderbare Biester", werden wir unseren Ungarn-Schwerpunkt vorläufig abschließen. Das nächste Projekt wird ein polnisches Stück.

W. Z.: Und Sie bemühen sich um österreichische Erstaufführungen?

Kosek: Ja, wir bemühen uns um österreichische Erstaufführungen bzw. im jetzigen Fall überhaupt um eine Uraufführung. Das ergibt sich fast logisch, da sich nicht viele andere Theatermacher für Stücke aus diesen Gegenden interessieren. Außerdem ist es natürlich ein zusätzlicher Faktor, um Publikumsinteresse zu wecken. Soll heißen: Es gibt Stücke, die ohnehin landauf, landab gespielt werden. Und es gibt andere, die hier eben nicht bekannt sind. Interessanter - wenn auch, zugegeben, kommerziell nicht wirklich sinnvoll - ist es natürlich, jene Stücke zu spielen, die man hier nicht kennt. Das sind eben meistens österreichische Erstaufführungen. Denn ein Stück, das "auch nicht bekannt" ist, aber schon einmal vor 17 Jahren irgendwo gespielt wurde, herzunehmen - das scheint aus ökonomischen Überlegungen wenig sinnvoll. Natürlich gibt es Ausnahmen: "Bilanz" wurde vor 10 Jahren vom Volkstheater in den Außenbezirken gespielt. Aber das war auf der einen Seite auch wieder eine ökonomische Frage, weil wir einfach ein Stück für zwei Personen gesucht haben. Mehr war vom Budget her zu dem Zeitpunkt nicht drinnen. Und natürlich hat uns der Konflikt im Stück sehr interessiert.

W. Z.: Besteht Ihrer Erfahrung nach in Österreich ausreichendes Interesse an dieser Art von Literatur oder haben Sie manchmal das Gefühl auf verlorenem Posten zu kämpfen?

Kosek: Sowohl als auch. Das Problem ist, dass z. B. das Außenministerium und andere Stellen, die mehr mit internationaler Politik zu tun haben, unser diesbezügliches Engagement sehr befürworten. Die sehen auch eine Notwendigkeit. Nur sind das leider Stellen, die kein Geld hergeben können. Aber Leute, die tatsächlich über Kulturgelder entscheiden, bei denen hat man eher den Eindruck, es ist ihnen ziemlich wurscht. Die schauen eher nach Berlin und New York und meinen, wir müssen das einfach nachbeten, was dort eh schon gemacht wurde.

W. Z.: Das aktuelle Stück "Wunderbare Biester" haben Sie bereits angesprochen. Was können Sie denn darüber verraten?

Kosek: Das Stück ist von László Garaci und hat am 10. Dezember Premiere. Wir haben es selber übersetzen lassen, allerdings von der Übersetzerin Andrea Seidler, die auch schon Romane und Kurzgeschichten desselben Autors übersetzt hat, die auch schon in Österreich veröffentlicht wurden (z. B. "Die wunderbare Busfahrt", 1999, Droschl Verlag).

Außerdem haben wir das Stück ein bisschen auf österreichische Verhältnisse adaptiert. Es ist unser bisher größtes Projekt: mit sieben Schauspielern und mit eigens komponierter Musik. Um was es geht, ist als lineare Handlung schwer zu formulieren: Es geht um die Schlaflosigkeit einer Frau, Zoe, um ihre Familengeschichte, um ihren schizophrenen Bruder . . .

Ich denke, es herrscht im ganzen Stück eine allgemeine Beziehungslosigkeit. Und in diesem Umfeld bewegt sich Zoe, die auf Grund ihrer eigenen Geschichte, aber auch auf Grund der Zeitzustände, der Auflösung aller Ordnungen, nicht wirklich weiß, wo sie hingehört und Beziehungen bzw. Nähe sucht. Garaci ist ein Autor, der sehr in freien Assoziationen und lockeren Querverbindungen schreibt. Deswegen ist trotz des ernsten Themas sehr viel Witz in seinem Text. Es ist eine Szenenmontage, die im ungarischen Original eher im Dialekt gehalten ist und sich auch mit den unterschiedlichen Soziolekten von Land- und Stadtbevölkerung beschäftigt. Wir haben es sprachlich auf ein höheres Niveau gesetzt, weil wir der Meinung sind, dass Dialektstücke momentan zu sehr in eine uninteressante Schublade gesteckt werden. Das Stück hat dennoch sehr viel Situationskomik behalten. Es wird von uns auch sehr artifiziell inszeniert: Der Regisseur, Franz Weichenberger, hat das Ganze als eine Art "Mensch-Ärgere-Dich-Nicht"-Spiel gestaltet, ein segmentiertes Spielfeld, auf dem die einzelnen Spielfiguren ihre Züge tun - und manchmal auch zurück an den Start müssen.

Astrologie, kuriose Seitenhandlungen, sarkastische Bemerkungen über das Leben an sich und siebzehn Sorten Käse sorgen dafür, dass die eigentlich sehr tragische und tranige Geschichte fast "nebenbei" serviert wird. Es entsteht eine gewisse Distanzierung. Das Stück zielt ja nicht à la "Theater als moralische Anstalt" auf eine Katharsis ab, es zeichnet einfach ein schräges, durchaus witziges Bild der postkommunistischen Budapester Gesellschaft.

Was uns daran gereizt hat, war genau dieser Kontrast: Diese Lockerheit, bei der es aber doch um was geht. Denn so richtig schwere Stücke mit viel miterlebtem Leiden - das ist etwas, das ich nicht mag. Aber nur so trashig "Dahin-Furzen" ohne Hintergrund finde ich auch nicht interessant und legitim.

W. Z.: Und welche anderen Projekte sind noch in Planung?

Kosek: Unter anderem haben wir diesen Sommer einen ersten Ausflug ins Filmgenre gewagt. In Zusammenarbeit mit Robert Polak wurde in Vorarlberg der low-budget Film "der Berg, der See, die KUH" gedreht. Eine Art "Walkmovie". War sehr interessant. Der harte Kern des teatro caprile, also Katharina Grabher und ich, waren daran nicht nur als Hauptdarsteller beteiligt, sondern die Frage, warum die Kühe auf unseren Weiden immer seltener Hörner tragen, war von Anbeginn unser gemeinsames Anliegen und so waren wir auch wesentlich an der Materialrecherche für das Drehbuch beteiligt. Der Film wird im Frühling 2002 fertig gestellt sein und dann in Vorarlberg und Wien Premieren erleben. Wie man gratis zu Premierenkarten kommen kann und in welchem Stadium sich das Projekt gerade befindet, kann man natürlich auch auf unserer Homepage erfahren . . .

W. Z.: Und wie ist das mit dem polnischen Stück, das Sie zuvor erwähnt haben?

Kosek: Das ist für kommenden Herbst geplant: Ein 4-Personen-Stück, das in Zusammenarbeit mit dem polnischen Kulturinstitut entsteht. Es wird im Jahr 2002 ein "Polnisches Kulturjahr" in Österreich geben - als Antwortveranstaltung auf ein "Österreichisches Jahr", das es heuer in Polen gegeben hat. Das ist natürlich ein größerer, organisatorischer Rahmen, der uns sehr reizt. Wir sind vom Polnischen Kulturinstitut eingeladen worden, mit einem polnischen Stück einen österreichischen Beitrag zu leisten. Damit bei diesem polnischen Jahr nicht nur polnische Theater- und Musikgruppen nach Österreich kommen, sondern man auch sieht, dass in Österreich selber ebenfalls eine Auseinandersetzung mit polnischer Kultur stattfindet. Das Stück heißt "Die Haltestelle" und wurde in Polen vor ein, zwei Jahren mit großem Erfolg aufgeführt. Übersetzt wurde es von Martin Pollack, dem langjährigen Osteuropa-Korrespondenten des "Spiegel". Die Zusammenarbeit mit dem polnischen Kulturinstitut verspricht, dass wir auch außerhalb Wiens bzw. auch außerhalb Österreichs dieses Stück zeigen können.

Wenn diese Zusammenarbeit gut ist, würden wir dem Polnischen Kulturinstitut gerne treu bleiben. Polen ist ja auch ein riesengroßes Land mit irrsinnig viel Literatur, die man bei uns kaum kennt. Das könnte noch sehr spannend werden . . .

"Wunderbare Biester" von László Garaci hat am 10. Dezember im "dieTheater Konzerthaus" in Wien Premiere. Darüber gibt es Infos unter: http://members.vol.at/teatro.caprile

Freitag, 07. Dezember 2001 00:00:00
Update: Dienstag, 01. März 2005 14:57:00

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