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Artikel aus dem EXTRA LexikonPrint this

Zum 200. Geburtstag der Theaterkönigin Therese Krones

"Sie stach in die Sinne"

Von Friedrich Weissensteiner

Wien ist eine Stadt der Musik und des Theaters. Das war nicht immer, aber es ist schon lange so. Zumindest seit dem Beginn des 18. Jahrhunderts, seit den Tagen Josef Anton Stranitzkys, des ersten großen Vertreters der Altwiener Volkskomödie, der als "Hanswurst" mit seiner derben Komik die Zuschauer zu Begeisterungsstürmen hinriss. Dieser Volkstheatertyp fand im Biedermeier in der Figur des "Kasperls" seine Fortsetzung, die am Leopoldstädter Theater, der ältesten Wiener Vorstadtbühne, die Menschen magnetisch anzog.

Die Begeisterung war grenzenlos. Der biedermeierliche Vielschreiber und Philanthrop Franz von Castelli berichtet: "Ich ging eines Tages durch die Praterstraße (Jägerzeile) spazieren und sah vor dem noch geschlossenen Theaterthore eine große Menge Menschen stehen, welche auf das Aufsperren wartete . . .

Die Versammelten waren in einem dichten Knäuel zusammengepfercht und lärmten, stießen und schrieen und drängten, weil Jeder der Nächste am Thore sein wollte, um ja gewiss einen guten Platz zu bekommen. Das Gedränge drang auch zu den Ohren des Direktors Marinelli, der seine Wohnung gerade über dem Eingangsthore hatte.

Plötzlich öffnete sich ein Fenster, Marinelli erschien an demselben mit einem Stock in der Hand und schrie auf das Publikum herab: ,Wenn das Lärmen nicht auf der Stelle aufhört, so lass' ich heute gar keine Komödie spielen.' Und auf dieses Donnerwort war sogleich die Ruhe hergestellt. Niemand mukste mehr, um nur die Comödie zu sehen . . ." So etwas muss man sich erst einmal vorstellen.

Triumphe in der Leopoldstadt

An eben diesem Theater, dem Theater in der Leopoldstadt, feierte Therese Krones, die von den zeitgenössischen Kritikern als die genialste, originellste und beliebteste Schauspielerpersönlichkeit ihrer Zeit bezeichnet wird, wahre Triumphe.

Die am 7. Oktober 1801 im schlesischen Freudenthal (im heutigen Bruntál in Tschechien) als Tochter eines theaterbesessenen Vaters geborene Komödiantin besuchte keine Schule und schon gar keine Schauspielschule. Das hätte erstens Sesshaftigkeit bedingt und zweitens Wohlhabenheit. An ersterem fehlte, am zweiten mangelte es.

Die kleine Therese zog mit dem Vater, der mit seiner Frau und seinen beiden Kindern - es gab noch einen Sohn Joseph - eine Theaterwandergruppe bildete, auf staubigen Straßen durch die Lande. In Scheunen, Jahrmarktbuden und Wirtshäusern führte die Komödienkompagnie Possen, Schwänke und Parodien auf. Therese war fünf Jahre alt, als dieses Wanderleben begann, und sie war neun, als sie im Theater in der Leopoldstadt zum erstenmal auf der Bühne stand. Vorübergehend. Denn bald ging es wieder weiter, kreuz und quer durch die Habsburgermonarchie, von Graz bis Agram und dann nach Norden, nach Zwittau und Troppau, bis sich Therese von der väterlichen Truppe trennte. Ihr Weg führte sie im Oktober 1821 in das Theater in der Leopoldstadt zurück, wo sie sich in einem Ensemble mit so hervorragenden Darstellerinnen wie Katharina Ennöckl und Louise Gleich-Raimund erst einmal bewähren musste. Die Neue wurde mit allen erdenklichen Mitteln bekämpft. Es gab Gehässigkeiten, Kabalen, Eifersüchteleien, demütigende Hintansetzungen. Es soll sogar zu Handgreiflichkeiten gekommen sein.

Therese Krones bekam zunächst nur kleine, unbedeutende Rollen. Sie spielte Stubenmädchen, Zofen, naive Liebhaberinnen. Sie war nahe daran, das Leopoldstädter Theater zu verlassen, entschloss sich dann aber, zu bleiben - und spielte sich wacker in den Vordergrund. Drei Jahre nach ihrem Debüt gelang ihr 1824 schließlich der große Erfolg. In der Rolle der Zilly in Adolf Bäuerles komischer Zauberoper "Aline oder Wien in einem anderen Weltteile" spielte sie so frei, temperamentvoll und so voller Übermut, dass sie vom Publikum mit Beifall überschüttet wurde.

Künstlerischer Durchbruch

Einige Wochen später gelang ihr in einem romantischen Zauberspiel Bäuerles der künstlerische Durchbruch. Mit ihrer unbefangenen Schalkhaftigkeit, ihrem bezwingenden Mienen- und Gebärdenspiel, ihrer kühn improvisierenden Rollengestaltung und ihren köstlichen Einfällen hatte sie sich endgültig durchgesetzt. Am Leopoldstädter Theater war ein neuer Stern aufgegangen, die Wiener hatten einen neuen, originellen Theaterliebling.

Sie stand von nun an beinahe allabendlich auf der Bühne, ließ ihrem Temperament freien Lauf, produzierte mutwillig Scherze, spielte aus dem Augenblick für den Augenblick, gestaltete ihre Rollen jeden Abend ein wenig anders und schäkerte mit den Zuschauern. Den Leuten gefiel es, ein Teil der Kritik fand ihr Spiel jedoch outriert, ja geradezu anstößig.

"Diese Schauspielerin fängt nachgerade an, sich von dem Beifall des Publikums blenden zu lassen, und zwar so, dass man ihre Komik schon fast mit dem Namen Keckheit belegen dürfte", schrieb eine Zeitung. "Sie spricht Dinge aus, die vorzüglich in dem Munde eines Frauenzimmers etwas sonderbar klingen, und wird, wenn sie nicht noch zur rechten Zeit einlenkt, bald zum weiblichen Hanswurst herabsinken. Es wäre jammerschade um ihr eminentes Talent." Die Krones sank nicht zum weiblichen Hanswurst herab. Sie wuchs vielmehr in neue Aufgaben und Rollen hinein, die kein Geringerer als Ferdinand Raimund für sie schrieb.

"Gspusi" mit Raimund

Der schwermütige, hypochondrische Schauspieler und Dramatiker, der ab 1817 dem Ensemble angehörte und später sogar ein paar Jahre die Direktion innehatte, hatte das schauspielerische Genie der Krones erkannt. Er schrieb ihr in seinem Stück "Der Diamant des Geisterkönigs", in dem er selbst den Diener Florian spielte, die Rolle der Köchin Mariandl auf den Leib. Es war ein geglücktes, beglückendes Zusammenspiel. Der Burgschauspieler und Zeitchronist Karl Ludwig Costenoble notierte begeistert: "Raimund-Florian und Krones-Mariandl, welch eine Harmonie zwischen beiden, der ewig wahren Natur abgelauscht." Und selbst Franz Grillparzer fand für die Krones lobende Worte.

Im November 1826 errang die Schauspielerin als Jugend in Raimunds Zaubermärchen "Der Bauer als Millionär" einen der größten Erfolge in ihrem Bühnenleben. Ihr Abschiedslied "Brüderlein fein" riss das Publikum des Leopoldstädter Theaters zu Jubelstürmen hin. Die Krones wurde in dieser Rolle, beinahe über Nacht, zur Legende. Auf Glückwunschkarten, Bechern und Gläsern wurde sie als Raimunds "Jugend" verewigt. Sie brillierte dann auch in anderen Rollen, etwa als "Julerl" oder als "Fisperl" in Bäuerles Singspiel "Gisperl und Fisperl", das ein Serienerfolg wurde.

Therese Krones hatte eine zarte Konstitution. Sie litt an einem schweren chronischen Darmleiden, das die Künstlerin immer wieder zu Kuraufenthalten in Marienbad und in Baden bei Wien und zu Unterbrechungen ihrer Theatertätigkeit zwang. In den Zeiträumen zwischen ihren Krankheitsanfällen ließ die Schauspielerin ihrer Lebenslust und ihrer Theaterleidenschaft freien Lauf.

Therese Krones war ein leichtlebiges junges Ding. Sie wechselte oft ihre Liebhaber, die Männer mussten nicht allzu lange um ihre Gunst werben. "Die Natur hat mir schwachem Geschöpf zu viel Gefühl gegeben", bekannte sie freimütig. Sie soll auch mit Raimund ein "Gspusi" gehabt haben, aber die Wiener dichteten ihr viel mehr Liebschaften an, als sie tatsächlich hatte.

Ihr Leichtsinn ließ sie 1827 dann in eine Affäre schlittern, die sie zum Stadtgespräch von Wien machte. Sie fiel auf einen Polen namens Severin Jaroszinsky herein, der sich als Graf ausgab, in Wahrheit jedoch nichts anderes war als ein Hochstapler und gemeiner Verbrecher. Als der "Herr Graf" seinen aufwändigen Lebensstil nicht mehr finanzieren konnte, verübte er an seinem ehemaligen Lehrer, dem 70-jährigen Mathematikprofessor Abbé Johann Konrad Blank, einen Raubmord, der riesiges Aufsehen erregte.

Jaroszinsky wurde ausgeforscht und ein paar Tage nach der Tat in seiner Mietwohnung im Trattnerhof am Graben verhaftet. Eben zu diesem Zeitpunkt befand sich Therese Krones, die der Mörder zum Mittagessen eingeladen hatte, in der Wohnung. Monatelange Verhöre folgten, die Schauspielerin musste als Zeugin vor Gericht aussagen. Sie wurde von jedweder Mitschuld an der Tat freigesprochen, der Mörder zum Tod verurteilt. Severin Jaroszinsky wurde am 30. August 1827 vor den Augen einer vieltausendköpfigen Menschenmenge, die sich das Schauspiel nicht entgehen ließ, bei der "Spinnerin am Kreuz" gehenkt.

Das Publikum des Leopoldstädter Theaters nahm die Bekanntschaft der Krones mit einem Raubmörder nicht ohne weiteres hin, aber zu einem Theaterskandal kam es nicht. Die laue Stimmung, die ihr entgegenschlug, wich allmählich der Begeisterung. Therese Krones zog bald wieder aller Register ihrer verblüffenden Verwandlungsfähigkeit, spielte alte Jungfern und Xanthippen und bestach durch ihre Schlagfertigkeit und ihren sprühenden Einfallsreichtum. Im Jahr der Jaroszinsky-Affäre verkörperte sie nicht weniger als 15 neue Rollen.

Es spricht vieles dafür, dass sie versucht hat, ihren seelischen Kummer in Arbeitswut zu ertränken. Im Jahr 1828 konnte sie krankheitshalber nur selten auftreten, aber dafür stand sie im nächsten Jahr fast wieder jeden zweiten Abend auf der Bühne. Umso überraschender kam für alle Eingeweihten zu Beginn des Jahres 1830 ihr Entschluss, das Leopoldstädter Theater zu verlassen. Am 23. Jänner gab sie in einer ihrer Paraderollen, als Putzmacherin Julerl, ihre Abschiedsvorstellung.

Sie kam mit dem neuen Direktor des Hauses, Rudolf Ritter von Steinkellner, nicht zurecht. Steinkellner war ein selbstsüchtiger, protziger Despot, der vom Theater wenig verstand und die Schauspieler wie Leibeigene behandelte. Was zwischen ihr und seiner populären Darstellerin vorgefallen ist, ist im Detail nicht bekannt. Die Krones musste sich jedenfalls, wie übrigens auch Ignaz Schuster, der mit der Figus des "Staberls" in Bäuerles Stück "Die Bürger von Wien" Berühmtheit erlangte, Joseph Korntheuer und Ferdinand Raimund Zurücksetzungen, Kränkungen und Beleidigungen gefallen lassen. Sie war nicht gewillt, das hinzunehmen.

Therese Krones hätte nach Berlin oder Prag gehen können. Sie hatte von dort Angebote. Aber sie zog es vor, in Wien zu bleiben. Schon drei Tage nach ihrem letzten Auftreten in der Leopoldstadt gab sie ein hochbezahltes Gastspiel im Theater an der Wien. Sie hatte einen vortrefflichen Einstand. "Der Beifall, den Demoiselle Krones bei ihrem ersten Erscheinen im Theater an der Wien erhielt, bei welchem sie fünfmal gerufen wurde, war ungewöhnlich", berichtet die Theaterzeitung.

Ergreifende Nachrufe

Der Erfolg konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass das neue Theater nicht der geeignete Ort für ihre Darstellungskunst war. Ihre zarte Stimme füllte den riesigen Theatersaal nicht, sie musste übertreiben, konnte in vielen Szenen die feinen Nuancen nicht setzen, die man von ihr erwartete. Vor allem aber fehlte ihr der enge Kontakt zum Publikum, der sie in der Leopoldstadt zu Höchstleistungen inspiriert hatte.

24 Gastrollen am Theater an der Wien waren geplant, aber die Krones ist nur in 6 Rollen an 22 Spielabenden aufgetreten. Dann warf sie im März 1830 ihr schweres Darmleiden erneut auf das Krankenlager. Wieder einmal fuhr sie in das böhmische Marienbad zur Kur. An das Theater ist sie nicht wieder zurückgekehrt. Am 28. Dezember 1830 erlag Therese Krones im Alter von 29 Jahren ihrer Krankheit. Der Leichnam der berühmten Schauspielerin wurde zunächst auf dem St. Marxer Friedhof beigesetzt und später in ein Ehrengrab der Gemeinde Wien auf dem Zentralfriedhof umgebettet (Grab 32 A, Nr. 45 A).

Es gab viele Nachrufe auf sie. Einer der schönsten war in der Münchner Zeitschrift "Inland" zu lesen. "Ein solch dramatisches Talent", urteilte der Kritiker, "eine solche ungeheure Beherrschung aller Umgebungen, so wie der eigenen unerschöpflichen Mittel in Organ, Mimik, Stellung, richtigem Takt, Geistesgegenwart, kurz so Alles, was zu einem vollendeten Schauspieler berufen kann, habe ich früher niemals in einem und demselben Menschen vereint gefunden." Und selbst der gefürchtetste Kritiker des Vormärz, der wortwitzige Moritz Gottlieb Saphir, rang sich zu dem Urteil durch: "Die Krones glänzte nicht, sie strahlte nicht, sie schimmerte nicht, sie stach in die Augen, sie stach in die Ohren, sie stach in die Sinne."

Freitag, 05. Oktober 2001 00:00:00
Update: Dienstag, 01. März 2005 14:57:00

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