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Artikel aus dem EXTRA LexikonPrint this

Erinnerung an den Schauspieler Oskar Karlweis

Hoffnungsfroher Humor

Von Ursula Liebl

„Verehrt · verfolgt · vergessen" lautet der Titel einer Ausstellung, die noch bis 27. März in der Wiener Staatsoper zu sehen ist. Sie ruft jene Schauspieler in Erinnerung, die den
Nationalsozialismus nicht überlebten und trotz ihrer vorherigen Popularität von ihrem Publikum vergessen wurden. „Verehrt · verfolgt · vergessen" charakterisiert jedoch auch das Schicksal eines
Künstler, der sich zwar durch die Emigration retten konnte · und daher nicht in der Ausstellung gezeigt wird ·, der aber dennoch gänzlich in Vergessenheit geraten ist, obwohl er in der ersten Hälfte
des 20. Jahrhunderts die Theater- und Filmszene wesentlich geprägt hat: Oskar Karlweis.

Geboren 1894 in der Hinterbrühl, wo seine Eltern die Sommerfrischen verbrachten, und aufgewachsen in Wien, war ihm der Künstler bereits in die Wiege gelegt. Der Vater Karl Weiss (1850 bis 1901) ·
„hauptberuflich" leitender Beamter der k. k. priv. Südbahngesellschaft · veröffentlichte unter dem Pseudonym C. Karlweis u. a. zahlreiche Wiener Erzählungen und Volksstücke („Das grobe Hemd") und war
weit über Österreichs Grenzen hinaus erfolgreich. Die fünf Jahre ältere Schwester Marta · unter ihrem Mädchennamen selbst schriftstellerisch tätig · heiratete in den 20er-Jahren Jakob Wassermann, der
zu jener Zeit zu den bedeutendsten deutschsprachigen Literaten zählte. So war es also kein Wunder, dass Oskar Karlweis das begonnene Jus-Studium bald abbrach und sich ganz der Schauspielerei widmete.
Sein Rollenfach war laut eigener Definition der „Liebhaber mit humoristischem Einschlag", womit er sich von der oft auf ihn angewandten Bezeichnung „jugendlicher Komiker", wie es Chaplin, Buster
Keaton oder Szöke Szakall waren, abgrenzte.

Nach Auftritten an den führenden Bühnen in Wien und München (wo er 1921 in der Uraufführung von Hofmannsthals „Der Schwierige" neben Elisabeth Bergner und Gustav Waldau den Stani Bühl verkörperte)
ging er 1927 nach Berlin und reüssierte am dortigen Deutschen Theater sowie an den Bühnen von Viktor Barnowsky. In der Schiffer-Spoliansky Revue „Es liegt in der Luft" trat Karlweis 1928 als Partner
von Margo Lion und (der damals noch unbekannten) Marlene Dietrich auf. Karlweis verdankt nicht nur seine Existenz Johann Strauß Sohn · seine Eltern lernten sich in dessen Haus kennen · sondern war
auch noch der erste Mann, der die Hosenrolle des Prinzen Orlofsky in der „Fledermaus" 1929 unter Max Reinhardt am Deutschen Theater Berlin innehatte. Auftritte in weiteren Strauß-Operetten wie
„Wiener Blut" oder „1001 Nacht" (erst 1949 in einer Wiener Staatsopernaufführung) folgten. Da er darstellerisch ebenso überzeugte wie als Sänger und Tänzer, war Karlweis für gewisse Rollen Ralph
Benatzkys die Idealbesetzung, so auch · neben Liane Haid · 1930 in der Uraufführung von „Meine Schwester und ich".

Als der Jude Karlweis 1933 gezwungen war Deutschland zu verlassen, kehrte er in seine Heimatstadt Wien zurück, wo sich seine erfolgreiche Bühnenkarriere vor allem an der Josefstadt und den
Kammerspielen fortsetzte. Kritiker und Interviewpartner loben ihn in den höchsten Tönen, bezeichnen ihn als „Schauspieler von seltener Kultur", „Vorbild charmanter Liebenswürdigkeit" und „das
strahlende Licht in der Finsternis der musikalischen Lustspiele". Noch 1937 liest man: „Oskar Karlweis' Sprech-, Spiel-und Charakterisierungskunst, seine unnachahmliche Art, Pointen und Schlager
vorzutragen und zu höchster Wirkung zu bringen, sind zu bekannt, als dass sie an dieser Stelle besonders hervorgehoben werden müssten."

Seine Filmkarriere jedoch litt unter dem Aufführungsverbot in Deutschland für Produktionen mit jüdischen Emigranten. Stand er in den Jahren 1930 bis 1933 insgesamt 17-mal vor der Kamera, sollten die
anschließenden zwei Filme die letzten für eine lange Zeit bleiben. Der heute bekannteste Tonfilm, in dem Karlweis mitwirkte, war „Die Drei von der Tankstelle" (es gibt tatsächlich noch einen Dritten
neben Fritsch und Rühmann!), der sich zum größten kommerziellen Filmerfolg der Saison 1930/31 entwickelte. 1938 folgt die obligate „Reise" über die Schweiz und Tschechoslowakei nach Paris, wo er
gemeinsame Auftritte mit Karl Farkas absolviert. 1940 setzt er die abenteuerliche Flucht fort und überquert zusammen mit Friedrich Torberg die rettende Brücke nach Irun/Spanien, kurz bevor sie von
den Deutschen gesprengt wird. Jahre später würdigt Torberg in seinem Nachruf Karlweis mit folgenden Worten: „Einen Abend privat mit ihm zu verbringen, wog, wenn er in Form war, zehn
Kabarettbesuche auf. Wenn er nicht in Form war, dann allerdings nur neun . . . Ich weiß nicht, wie ich über diese trost- und hoffnungslose Zeit hinweggekommen wäre ohne den tröstlichen und
hoffnungsfrohen Humor, den Oscar Karlweis ausstrahlte."

Die neue Heimat Amerika stellte zunächst einmal · wie zuvor schon Frankreich · ein Sprachproblem dar. Karlweis, der kein Wort Englisch konnte, musste seine erste Rolle unter der Regie Otto Premingers
Silbe für Silbe auswendig lernen. Gemeinsam mit anderen deutschsprachigen Kollegen (u. a. Karl Farkas, Hermann Leopoldi, Paul Hörbiger) veranstaltete er „Bunte Abende" für Emigranten und füllte
Häuser wie die Carnegie Hall bis auf den letzten Platz. Sein erster großer Erfolg in Amerika war 1942 wieder der Prinz Orlofsky in „Rosalinda", der amerikanischen Version der Fledermaus in der
Inszenierung Max Reinhardts, die über 600-mal aufgeführt wurde. 1944 feierte Karlweis am Broadway als Jacobowsky Triumphe in der Uraufführung von Franz Werfels „Jacobowsky und der Oberst", das mehr
als 500-mal auf dem Spielplan stand und von Presse und Publikum umjubelt wurde. Auch Thomas Mann, mit dem er in der Emigration zusammentrifft, schwärmt von „seiner komischen Begabung, die
hervorragend ist".

Als Karlweis Ende 1948 erstmals nach mehr als zehn Jahren wieder in Wien auftritt, wird ihm ein euphorischer Empfang bereitet, und an der Renaissancebühne kommt es zur Wiedergeburt seiner
unterbrochenen österreichischen Theaterkarriere. In den Folgejahren pendelt er vielfach zwischen seinem Wohnsitz New York, Berlin und Wien, wo er u. a. in Mary Chases „Harvey" (von Alfred Polgar
übersetzt) oder in John Patricks „Das kleine Teehaus", das Karlweis selbst übersetzt, brilliert. In einigen Hollywood-Filmen spielt er ab 1951 europäisch angelegte Nebenrollen. Auf seine
Zerrissenheit zwischen zwei Kontinenten angesprochen meinte Karlweis: „Mit einem Fuß stehe ich noch drüben, mein Herz aber ist hier". Jenes Herz, geschwächt durch die Wirrnisse der Emigration,
hörte am 24. Jänner 1956 für immer zu schlagen auf.

Was blieb nun von dem einst so beliebten und gefeierten Künstler? Ein verwaistes Grab, nur seltene · und dann sehr knappe · Erwähnungen in diversen Chroniken und ein Geburtshaus, das trotz
unübersehbarer Aufschrift und Gedenktafel weder bei der Mehrheit der Hinterbrühler Bevölkerung noch im dortigen Gemeindeamt bekannt ist. Der Wunsch, den Professor Peter Loos, langjähriger Kollege und
Freund Oskar Karlweis', in seinem zweiten Nachruf 1986 geäußert hat, ist bis jetzt wohl unerfüllt geblieben: „Die älteren Verehrer seiner Kunst werden seiner gedenken, die jüngeren sollen sich
erinnern, und die Jugend soll wenigstens seinen Namen kennen." Eine Möglichkeit, Filme („Alles für die Firma", „Letzte Liebe") mit Oskar Karlweis zu sehen, gibt es derzeit im Bellaria-Kino im
Rahmen einer Retrospektive des Filmarchiv Austria. Diese trägt den Titel „Unerwünschtes Kino" und zeigt Filme, die durch den Ausschluss vor allem jüdischer Filmschaffender aus der
nationalsozialistischen Filmproduktion zwischen 1934 und 1937 in der Emigration entstanden. Aufgrund des erfreulicherweise großen Erfolges wurde die Retrospektive bis 30. März verlängert.

Freitag, 24. März 2000 00:00:00
Update: Dienstag, 01. März 2005 15:59:00

Lexikon



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