Wiener Zeitung Neu in der Linkmap:
 
  Wiener Zeitung Homepage Amtsblatt Homepage LinkMap Homepage Wahlen-Portal der Wiener Zeitung Sport-Portal der Wiener Zeitung Spiele-Portal der Wiener Zeitung Dossier-Portal der Wiener Zeitung Abo-Portal der Wiener Zeitung Suche Mail senden AGB, Kontakt und Impressum Das Unternehmen Benutzer-Hilfe
 Politik  Europa  Kultur  Wirtschaft  Computer  Wissen  extra  Panorama  Wien  Meinung  English  MyAbo 
 Lexikon Interview  Glossen  Bücher  Musik  Debatten 
Artikel aus dem EXTRA LexikonPrint this

Der Regisseur und Intendant Bruno Max im Gespräch

Theater nach dem Lustprinzip

Von Nicole Kolisch

„W enn Bruno Max Theater macht, dann muss er Kosten scheuen und gibt sich dafür umso mehr Mühe", schreibt der „Kurier" über einen der derzeit
wohl interessantesten und aktivsten Regisseure (nicht nur) der Wiener Theaterszene. Als Gründer des „Theaters zum Fürchten" hat er es seit 1987 auf rund vierzig Eigenproduktionen und auf den
Betrieb mehrerer Theater gebracht: In Wien werden die Scala (160 Plätze) und in naher Zukunft auch der Scalakeller (50-90 Plätze) vom TZF betrieben und programmiert. Außerhalb kommen noch das
Stadttheater Mödling (280 Plätze), das Theater in den Gewölben (Burg Lichtenstein/Maria Enzersdorf, zirka 170 Plätze) und · last but not least · das Theater im Bunker (Mödling; zirka 200 Plätze)
dazu. „Theater zum Fürchten" · das ist Theater ohne Netz und unter beträchtlicher Selbstausbeutung der Künstler.

„W. Z.": Woher kommt der Name „Theater zum Fürchten"?

Bruno Max: Das ist die alte Frage: Wo ist im Volkstheater das Volk und wo ist im Burgtheater die Burg? Eigentlich ist das eine Anlehnung an die „Lieder zum Fürchten" von Georg Kreisler. Es ist ein
Name der gut im Ohr hängen bleibt. Und etwas wie „Österreichisches Theater" oder „Wiener Ensemble" wäre mir zu bombastisch gewesen. Damit kann man dann nach Guinea auf Tournee fahren und wird dort
für einen Staatsbetrieb gehalten. Der Name ist nicht · oder zumindest nicht mehr · Konzept. Das „Theater zum Fürchten" ist der Betreiberverein für die Scala bzw. für das Stadttheater Mödling und für
die Sommerprojekte in Mödling und Maria Enzersdorf.

„W. Z.": Ihr Theater Scala feiert heuer fünfjähriges Jubiläum . . .

Max: So ist es. Die Scala haben wir wirklich mehr oder minder „from scrap" aufgebaut. Da war zuletzt ein jugoslawischer Box-Club. Und vorher vom Supermarkt über eine Diskothek bis hin zum Atlantis-
Kino einfach alles. Und in dem Raum war ja nichts Brauchbares vorhanden. Wir haben die blaue Ölfarbe, die goldenen Sterne von der Wand gekratzt, die Sandsäcke abgehängt und ein Theater draus gemacht.
Ohne einen Schilling Subvention · außer der Betriebssubvention, die eine freie Gruppe normalerweise für zwei Stücke bekommt. Den Raum haben wir durch Zufall, durch ein Inserat in der Zeitung
gefunden. Wir haben im November 1994 den Mietvertrag unterschrieben, binnen zehn Wochen daraus ein Theater gebaut und im Jänner 1995 die erste Produktion herausgebracht. Erst drei Jahre später haben
wir gerade einmal eine halbe Million Schilling für Hausbetrieb usw. bekommen. Im Moment kriegen wir von der Gemeinde 2,5 Millionen Schilling im Jahr mit einem Dreijahresvertrag. Das ist ungefähr ein
Viertel von dem, was eine normale Mittelbühne dieser Größenordnung bekommt. Aber es ist eben leider so, dass unsere freie Gruppe zu einer Zeit entstanden ist, wo sozusagen die „ewigen Pfründe" in
Wien bereits hinreichend vergeben waren · und die werden bis zur Pensionierung der diversen Mittelbühnenprinzipale wahrscheinlich nicht anders vergeben werden. Und die Gemeinde ist ja auch absolut
dagegen, dass neue Theater gebaut werden. Daher kommt auch eine seltsam anmutende Logik der Subventionsgeber. Als freie Gruppe haben wir in keiner Weise irgendwelche Investitionen tätigen dürfen.
Wenn wir uns irgendwo eingemietet haben, haben wir vielleicht für zwei Monate 100.000 Schilling Miete bezahlt oder mehr. Und das ist für die Subventionsgeber völlig in Ordnung. Aber wenn ich sage: Um
DAS Geld bau' ich mir selber ein Häuschen und richte es so her, dass ich immer darin spielen kann, dann ist das plötzlich nicht mehr in Ordnung. Wenn ich einen Scheinwerfer kaufe anstatt ihn nur zu
mieten, muss ich diese Investition sofort rechtfertigen. Für freie Gruppen ist das überhaupt buchhalterisch ein Wahnsinn, weil solche Investitionen eigentlich nicht erlaubt sind. Wenn du jeden Abend
diesen Scheinwerfer auf der Bühne mit einem großen Hammer ruinierst, dann wird das sofort als „Event-Ausgabe" anerkannt. Aber wenn du ihn gut behandelst, dann kriegst du Probleme.

„W. Z.": Haben Sie für die Scala ein bestimmtes dramaturgisches Konzept?

Form geht nach Inhalt

Max: Ich hab eigentlich gar kein dramaturgisches Konzept · außer, dass die Dinge, die ich inszeniere, mich interessieren müssen. Bei den knappen Vorbereitungen könnte ich auch gar keine
Stücke machen, die mir nicht in irgendeiner Form ein Anliegen sind. Lust und Laune · das ist sicher Teil meines Theaterkonzepts. Und ich erzähle gerne Geschichten. Reine statische Zustände
interessieren mich eigentlich weniger. Und formale Experimente um ihrer selbst willen, interessieren mich eigentlich auch nicht, weil ich glaube, dass die Form sich dem Inhalt anpassen muss. Das
„Theater zum Fürchten" hat schon an den verschiedensten Orten die verschiedensten Projekte gemacht. Das geht von großen Inszenierungen, Stücken mit (für freie Gruppen) riesigem Ensemble, bis hin zu
minimalistischen Projekten, die fast mehr Happening-Charakter hatten. Oder Konzept-Stücke, wie die De-Sade-Show oder „Grimm im Bunker". Da war's so, dass außer dem Regisseur · ähnlich wie beim Film ·
keiner der Beteiligten den Überblick hatte, was das eigentlich wird. Ist aber beide Male sehr gut aufgegangen. Und weil der Schauspieler da jeweils nur in einem relativ kleinen Teil involviert ist,
können da auch Leute mitmachen, die man sich sonst über einen längeren Zeitraum hinweg (mit konventioneller Probenzeit) gar nicht leisten könnte.

Das sind Ausflüge, die ich sehr gerne mache. Aber es geht auch darum, den Mittelbühnenstatus irgendwie zu rechtfertigen. Auch wenn das vielleicht unpopulär ist: Ich finde, dass es keine Verpflichtung
zur Subvention gibt, und dass das deshalb etwas ist, was man mit einer gewissen Gegenleistung (im künstlerischen Sinne) rechtfertigen muss. Also man kann nicht einfach sagen: Um das Geld werden wir
uns jetzt selbst verwirklichen. Es muss etwas gemacht werden, was herzeigbar ist, was auch eine gewisse Anzahl von Vorstellungen, eine gewisse Bandbreite liefert. Dazu gehört natürlich auch, dass man
sich nicht wiederholt, dass man immer wieder Neues probiert. Wenn jetzt jemand kommt und meint: „Sie haben doch immer Elisabethaner gemacht, wieso machen Sie denn jetzt einen Russen oder Botho Strauß
oder Hilde Spiel?", dann kann ich nur sagen: Weil mich das im Moment gerade interessiert und weil das eine Facette ist, die mir in meinem Programm fehlt.

„W. Z.": Haben Sie auch Gastregisseure in der Scala?

Max: Bis jetzt ist sich das aus finanziellen Gründen nicht ausgegangen, weil natürlich ein Gastregisseur wesentlich teurer ist, als ich selbst bin. Und auch weil die Mittel in Wien sehr an meine
Person gebunden sind. Durch die Kombination mit dem Mödlinger Theater kommen jetzt aber auch Gäste nach Wien. Das Mödlinger Theater haben wir im Frühjahr 1998 bekommen und wir müssen dort einen
kompletten Repertoirebetrieb aufrechterhalten · und das für eine relativ kleine Stadt. Ich versuche jetzt, Produktionen auszutauschen, um für Mödling eine Vielfalt des Programms zu machen und für
Wien die Kosten zu reduzieren. Und das funktioniert ganz gut. Daraus ergibt sich aber ganz klar, dass bei neun bis zehn Produktionen, die wir im Jahr in Mödling machen, ich nicht alle selber machen
kann. Ich mache ungefähr drei oder vier Inszenierungen im Jahr. Wichtig ist mir eine Art „Vereinbarung" mit dem Publikum, die lautet: „Auch wenn ihr das Stück jetzt nicht kennt, und auch wenn es ein
Thema ist, mit dem ihr nicht unmittelbar zu tun habt · schaut's euch das an! Wir können euch garantieren, dass es eine seriöse Auseinandersetzung, sowohl mit dem Werk, als auch mit dem Inhalt gibt."
Das ist essentiell dafür, dass man Zuschauer überhaupt in Dinge kriegt, die sie nicht kennen oder die ihnen nichts sagen.

Da hab ich jetzt natürlich das Problem, dass auch Produktionen von Gastregisseuren mehr oder minder mir zugerechnet werden. Und das ist natürlich ein Experiment. Immerhin müssen diese Leute unter den
Bedingungen arbeiten, unter denen ich eigentlich die ganze Zeit arbeite · und das sind nicht alle gewöhnt.

Shakespeare und Genossen

„W. Z.": Können Sie noch etwas über Ihren persönlichen Werdegang erzählen?

Max: Ich bin in Salzburg geboren. Bin dann 1980 · mit 18 Jahren · ans Reinhardt-Seminar gekommen, habe dort Regie gemacht, aber auch sehr viel Schauspiel und bin dann noch während der
Seminarzeit als Regieassistent ans Burgtheater engagiert worden. Das war ich dann vier Jahre und habe in der Zeit auch meinen Abschluss am Reinhardt-Seminar gemacht. 1986 habe ich meine erste
unabhängige Produktion gemacht und auch frei produziert · das war, eigentlich ganz untypisch, die deutschsprachige Erstaufführung des Musicals „Little Shop of Horrors" in der Szene Wien. Die
Wiederaufnahme lief dann bereits unter dem Trägerverein „Theater zum Fürchten" . . . Mit dem Stück waren wir damals unserer Zeit voraus. Der große Hype um „Little Shop" ist dann erst zwei, drei Jahre
später aus Amerika gekommen · aber da hatten wir schon etwa fünfzig Vorstellungen gespielt!

Dann haben Hans Kudlich und ich einen Raum gesucht für ein Elisabethaner Projekt, das uns schon lange am Herzen gelegen ist, und da haben wir die Gewölbe unter der Burg Lichtenstein gefunden, die wir
dann im Sommer zwölf Jahre lang bespielt haben.

„W. Z.": Sie sind bekannt für Ihre Affinität zu Elisabethanern . . .

Max: Ja. Insgesamt habe ich, ich glaube, 18 Stücke von Shakespeare und Zeitgenossen gemacht. Für mich ist das eine tolle Zeit des sehr „praktischen" Theaters, eine Zeit, in der Theater eine Art
von Wirksamkeit gehabt hat, die es später nicht mehr in der Form gegeben hat. Ein Zeitraum von vielleicht zwanzig bis dreißig Jahren, in dem 600 Stücke geschrieben worden sind, von denen uns lang
nicht alle erhalten sind. Und die meisten dieser Stücke enthalten essentiell alles, was man am Theater sagen kann. Das geht von manieristischen Experimenten bis hin zum absurden Theater. Der halbe
Beckett kann daheim bleiben, wenn man „König Lear" spielt. Man kann Dario Fo vergessen, wenn man Stücke von Middleton wie „A Mad World, My Masters" spielt. Fast jeder Elisabethaner findet
sich im 20. Jahrhundert in irgendeiner essenziellen Richtung des Theaters wieder. Das ist das Spannende daran. Und hier gibt es keine „drei Monate auf Bewährung unter Wahrung der bürgerlichen
Rechte". Hier sind die Entscheidungen auf Leben und Tod. Das englische Theater hat all diese Stücke nie vergessen. Die werden ständig gespielt. Ich werde immer wieder gefragt: „Wo haben Sie dieses
Stück ausgegraben?". Da kann ich nur sagen: „Das brauch ich nicht ausgraben, das ist ein viel gespielter Klassiker."

Die kommerzielle Seite

„W. Z.": Und wie geht es jetzt weiter?

Max: Am 19. Februar kam in der Scala „kalldewey, farce" heraus. Das ist unsere Super-Rap-Show-Latest-Edition-Version des für mich lustigsten und absurdesten Stückes von

Botho Strauß. Danach mach' ich in der Scala „Falstaff" · da ist das Thema Spaß auch nicht unwichtig! Außerdem bauen wir den Keller in der Scala so weit aus, dass man ihn bespielen kann für
kleinere Projekte.

Für die Zukunft wollen wir einfach versuchen, dass alle Beteiligten besser als von der Sozialhilfe leben können. Das wäre schon ein Ziel, und aufs innigste zu wünschen. Das setzt aber voraus, dass
wir mit der Zeit anderen alteingesessenen Mittelbühnen, denen vielleicht schon ein bisschen die Puste ausgeht, gleichgesetzt werden.

Was weiter ist? Das Bessere ist immer des Guten Feind. Man kann also nicht sagen, wohin das alles gehen wird. Max Reinhardt hatte in seiner besten Zeit 14 bis 16 Theater und betrieb sie ohne große
Subventionen auf kommerzieller Basis. Ich glaube, dass das Kommerzielle ein wesentlicher Faktor ist. Wir versuchen, die Auslastung im Bereich eines Stadttheaters zu halten · das heißt, ungefähr 25%
der Kosten aus den Einnahmen zu decken. Wenn die Scala immer voll wäre, wären es 40 Prozent.

Man darf nicht vergessen, dass wir in dem einzigen Land der Welt leben, in dem man mit „Cats" Verluste machen darf. Wenn es denen gelingt mit einem Stück, das überall auf der Welt Gewinne
macht, 200 Millionen Schilling Verlust im Jahr zu machen, kann man bei Klein-und Kleinsttheatern nicht erwarten, dass die besser bilanzieren.

„W. Z.": Ihr persönliches Ziel für die Zukunft?

Max: Älter werden.

Freitag, 25. Februar 2000 00:00:00
Update: Dienstag, 01. März 2005 16:00:00

Lexikon



Wiener Zeitung - 1040 Wien · Wiedner Gürtel 10 · Tel. 01/206 99 0 · Impressum · AGB