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Artikel aus dem EXTRA LexikonPrint this

Das Architekturbüro Fellner & Helmer versorgte halb Europa mit Schauspielhäusern

Die Theaterfabrik

Von Wolfgang Ludwig

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts kam es durch das gesteigerte Unterhaltungsbedürfnis des Bürgertums und mangels an Spielstätten zu einem noch nie da
gewesenen Bauboom bei Theater- und Opernbauten. Das Architektenduo Fellner & Helmer hatte für ganz Europa die richtigen Objekte in der Schublade.

Das Bürgertum wollte seine eigenen Bühnen, die Provinzstädte wollten den Residenzen nicht nachstehen, und alle mussten ab 1881 nach dem Ringtheater-Brand die verschärften Sicherheitsbestimmungen
einhalten. Mit anderen Worten: Der Theaterbau in ganz Europa boomte.

Von Czernowitz bis Hamburg, von Szeged bis Zürich, in Wien, Baden, Budapest, Zagreb, Prag und dutzenden anderen Orten wurden innerhalb weniger Jahre Theater, Opernhäuser und Varietés zum Bau
ausgeschrieben und schließlich im Büro Fellner & Helmer in Auftrag gegeben. Alle Aufträge hatten einiges gemeinsam: Der Bau musste rasch fertig sein (oft blieb, wie z. B. in Zagreb, nur ein Jahr vom
Baubeginn bis zum Eröffnungstag, da sich der Kaiser für diesen Termin angesagt hatte), er sollte funktionell, repräsentativ und vor allem kostengünstig sein.

In 48 Fällen in ganz Europa hieß die Lösung: Fellner und Helmer. Sofern es Wettbewerbe gab, gewann das Duo diese souverän, oft erfolgte die Auftragsvergabe aber auch ohne Ausschreibung, nur auf den
guten Ruf der beiden.

Ferdinand Fellner wurde 1847 als Sohn des Architekten Ferdinand Fellner sen. in Wien geboren. Sein Vater war ebenfalls auf den Theaterbau spezialisiert und hatte mehrere Häuser in Wien, u. a. das
Thalia-Theater auf der Lerchenfelder Straße, errichtet. Sein Sohn übernahm nach dem Architekturstudium das schon bestehende, gut renommierte Büro. Auch der Sohn Ferdinand Fellner jun. wurde Architekt
und trat in den Familienbetrieb ein.

Hermann Helmer stammt aus Harburg bei Hamburg, wo er 1849 geboren wurde. Er lernte erst Maurer, besuchte dann eine Baugewerbeschule und studierte sozusagen im zweiten Bildungsweg. Als
Architekturzeichner kam er 1868 in das Büro von Fellner sen. und gründete 1873 zusammen mit dessen Sohn ein gemeinsames Atelier. Nach dem Tod Fellners (1916) und Helmers (1919) übernahm Helmers Sohn,
ebenfalls Architekt, das inzwischen weltberühmt gewordene Büro als Alleinerbe, da Fellners Sohn inzwischen verstorben war. Die große Zeit des Theaterbaus war aber nun in den schwierigen zwanziger
Jahren zu Ende, und so wurde der Betrieb bald aufgelöst.

Absolute Professionalität

Das Geheimnis des Erfolgs der beiden Stararchitekten ist leicht erklärt. Zuverlässigkeit, Berechenbarkeit und absolute Professionalität zeichneten ihren Arbeitsstil aus. Dazu einige Beispiele: Im
Jahr 1900 erhielten Fellner & Helmer den Auftrag zum Bau eines Theaters in Czernowitz. Der Baubeginn verzögerte sich jedoch um vier Jahre. Inzwischen gab es einen Auftrag aus Fürth. Es wird
angenommen, dass der Czernowitzer Entwurf 1901 kurzerhand in Fürth eingereicht wurde, wo man sogleich mit dem Bau beginnen konnte. Als man 1904 in Czernowitz endlich so weit war, wurden dieselben
Pläne, geringfügig verändert, nochmals verwendet.

Ein anderes Problem hatte man in Zagreb: 1881 erhielten Fellner & Helmer den Auftrag zum Bau des Kroatischen Nationaltheaters. Auch hier gab es verschiedene Verzögerungen, und man konnte erst 1894 zu
bauen beginnen. Da Kaiser Franz-Joseph am 1. Oktober 1895 die Stadt besuchen sollte, erhielt Helmer, der für die Ausführung verantwortlich war, die strikte Auflage, bis dahin fertig zu sein · die
Fertigstellung erfolgte termingerecht.

Schnelligkeit war überhaupt ein Markenzeichen der beiden. Das Stadttheater von Karlsbad · übrigens mit Fresken von Gustav Klimt ausgestattet · wurde nach nur 18 Monaten fertig, in Gießen dauerte der
Bau kaum länger als ein Jahr, und in Budapest war das Volkstheater (Nepszinház) nach 18 Monaten fertig gestellt.

Einen besonderen Wunsch äußerten die Bauherren in Kecskemét: Ihr neues Theater sollte genauso aussehen wie das Lustspieltheater (Vigszinház) in Budapest · nur kleiner. Also bauten Fellner & Helmer
mit 850 Plätzen eine verkleinerte Kopie ihres Budapester Entwurfs, der 1.402 Plätze hatte.

In Klagenfurt wurde anlässlich des 60-jährigen Regierungsjubiläums von Franz-Joseph 1908 das Stadttheater in Auftrag gegeben. Aus Zeitgründen führte man keinen Wettbewerb durch und vergab den Auftrag
gleich an Fellner & Helmer, die den Stadtvätern sofort einen ursprünglich für eine andere Stadt gedachten Bauplan vorlegten. Zehn Jahre zuvor hatte Graz sein Stadttheater (heute: Opernhaus) bekommen.

Durch das Vorhandensein verschiedenster Baupläne, die nach Wunsch des Bauherrn oft nur geringfügig abgeändert wurden, konnten Kosten gespart und nach kurzer Planungsphase gleich mit dem Bau begonnen
werden. Zum Vergleich: Sämtliche 48 Fellner & Helmer-Theater kosteten genauso viel wie der Bau der Pariser Oper!

Sicherheit hat Vorrang

Aufgrund der häufigen Brandkatastrophen wurde für Theaterbauten vor der Jahrhundertwende eine durchschnittliche Lebensdauer von nur 22 Jahren ermittelt. Brände machten auch vor Bauten von Fellner
& Helmer nicht Halt. Das Stadttheater in Wien (später: Ronacher) brannte 1884 ab, nur zwölf Jahre nach der Eröffnung. In Temesvár gab es fünf Jahre nach der Eröffnung Feuer, in Berndorf nach nur vier
Jahren.

Als 1881 das 1.700 Zuschauer fassende Ringthater in Wien abbrannte und 386 Menschen dabei den Tod fanden, hatte das endlich weitreichende Folgen für die bisher völlig unzulänglichen Bauvorschriften.
Eiserne Vorhänge, beleuchtete Notausgänge, eigene Treppen für die höheren Ränge und andere wichtige Einrichtungen wurden den Theaterbauten in der ganzen Monarchie verordnet. Aber bereits 1904
kritisierte Helmer in einem Vortrag vor dem Wiener Architektenverein „eine höchste Vernachlässigung der Vorsichtsmaßregeln sowie eine Sorglosigkeit der Aufsichtsbehörde" und schlug neue
Sicherheitsmaßnahmen vor, die er an einem Modell-Theater, das im Maßstab 1:3 auf privatem Gelände in Wien errichtet wurde, testen ließ. Dabei stellte sich heraus, dass bei einem Brandherd auf der
Bühne die Lüftungsklappen im Zuschauerraum zu schließen seien und ein Lüftungsschacht zum Rauchabzug im Bühnenhaus unbedingt notwendig war. Außerdem zeigte sich, dass eine Sprinkleranlage zusätzlich
zum schon bestehenden Eisernen Vorhang das Risiko des Übergreifens der Flammen auf den Zuschauerraum wesentlich verminderte. Diese neuen Maßnahmen erhöhten die Sicherheit in den späteren Bauten von
Fellner & Helmer deutlich, obwohl der Einbau elektrischer Anlagen und Leitungen wegen möglicher Kurzschlüsse ein neues Risiko darstellte.

Zeit für anderes

Trotz der rund 50 Theaterbauten in den 40 Jahren der Zusammenarbeit fand das Duo (und seine bis zu 20 Angestellten) noch Zeit für zahlreiche andere Bauten. Man errichtete Geschäftshäuser (in Wien:
Warenhaus Gerngroß, in Graz: Kastner & Öhler), Wohnhäuser (z. B. den Margaretenhof in Wien), Palais, Schlösser (Schlumberger-Schloss bei Bad Vöslau), eine Sternwarte in Wien Hernals, das Rathaus in
Liesing, Hotels (Panhans am Semmering, Waldeck in Pilsen, Schneeberghotel), Banken, Büros . . . die Liste ist beinahe endlos. Fellner & Helmer-Bauten gibt es praktisch in ganz Mittel- und Osteuropa,
vereinzelt auch in der Schweiz und in Deutschland.

Je nach Entstehungszeit weisen die Bauten verschiedene historisierende Stilelemente auf · die Architekten hielten sich bei den Äußerlichkeiten ganz an das Schönheitsideal der Auftraggeber, und die
favorisierten eben zeitweise Barockelemente, dann wieder deutsche Renaissance, Klassik oder Anlehnungen an andere schon bestehende Bauwerke. Das Innere war meist verschwenderisch üppig ausgestaltet.
Bei der Bautechnik hingegen wandten sie die neuesten Methoden, wie z. B. Eisenbetonkonstruktionen, an.

Bei dieser Vielfalt und Zahl von Bauten ist es kein Wunder, dass sehr viele bis heute überlebt haben. Zwar wurden häufig Renovierungen durchgeführt, und besonders bei den Theatern kam es zu
Umgestaltungen und Modernisierungen des Zuschauerraumes. Häufig wurde die Zahl der Sitzplätze reduziert, um den Sitzkomfort zu erhöhen, allzu schwülstiges Dekor wurde beseitigt, und auch im
Bühnenbereich wurde im Sinn einer verbesserten Bühnentechnik umgebaut. In den Kriegen zerstörte Theater baute man weitgehend wieder auf und stellte sie unter Denkmalschutz.

Fast alle sind heute noch in Betrieb und stellen Mittelpunkte des kulturellen Lebens in dutzenden Städten Europas dar · ein Zeichen, wie modern und vorausschauend die beiden Wiener Architekten im
letzten Jahrhundert gebaut haben.

Literatur zum Nachschlagen:

Felix Czeike: Historisches Lexikon. Wien 1953.

Hans Christian Hoffmann: Die Theaterbauten von Fellner und Helmer. Diss. (In: Studien zur Kunst des 19. Jhdts., Bd. 2). München 1966.

Alois v. Wurm-Arnkreuz: Architekt Ferdinand Fellner und seine Bedeutung für den Theaterbau. Wien. Leipzig 1919.

Die Architekten der Illusion. Theaterbau und Bühnenbild in Europa. Ausstellungskatalog Stadtmuseum Graz 1999.

Freitag, 07. Jänner 2000 00:00:00
Update: Dienstag, 01. März 2005 16:02:00

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