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Ich wäre gern ein "Grampie"

Von Holger Rust

Das Interesse an den Alten, pardon: Senioren – nein, auch nicht, an den Best Agern , ja das ist es! –, also das Interesse an den Best Agern setzte etwa um die Mitte der 1990er Jahre ein, als die Bevölkerungswissenschafter eindrucksvolle Zahlen über die alternde Gesellschaft lieferten und die Werbeagenturen flugs nachrechneten, wie viel Geld sich auf den Konten der Alten stapelt. Man kam auf eindrucksvolle Summen.

Von diesem Moment an gab’s einen unglaublichen Wirbel darüber, wie man die Tatsache, dass es sich um ältere Menschen handelt, mit dynamischem Vokabular überspielen könne. Es kamen seltsame Avatare auf die Welt: die Woopies ( Well Off Older People ), Yollies ( Young Old Leisurly People ) oder das, was ich gerne wäre, ein Grampie, Mitglied der "growing retired active moneyed people in an excellent state" .

Kürzlich gingen auch die geschwätzigen Trendforscher, die immer erst dann eine Zukunft entdecken, wenn ohnehin schon jeder darüber redet, ins Detail und illustrierten das Downaging zeitgemäß am Silver Sex und Gourmet Sex , weil ja im Alter alles etwas langsamer zugeht.

Das alles bestimmende Motiv war also – Jugend. Damit schlich sich ein kleiner Widerspruch in die These von der alternden Gesellschaft ein: Wenn nämlich der Wunsch nach Jugend die alternden Kunden prägt, wird man die Impulse für diesen Markt weniger bei den Alten als vielmehr bei den Jungen suchen müssen.

Diese geniale These verschlug mir und meinen Studenten zunächst einmal den Atem. Also prüften wir nach, befragten 350 Jüngere zwischen 16 und 25 Jahren und führten 30 Tiefeninterviews durch. Als Zugang zum Thema wählten wir das Konsumgut, das alle Gruppen dieser Gesellschaft am meisten fasziniert und um das sich die meisten Innovationsdebatten drehen – das Auto. Wie geht die Jugend mit dem liebsten Spielzeug der alternden Generation um, die jung bleiben will und daher auf die Jugend schaut? Jene Grampies, die das "m" mit "mobile" übersetzen"?

Vor wenigen Tagen – und somit brandaktuell – kamen erste Ergebnisse. Und wir trauten unseren Augen nicht: Die Jungen orientieren sich an den Alten. Ihre Vorstellungen vom Auto entsprechen genau jenen der Altvorderen, und sie wollen genau das, was die Alten mit dem Auto taten: herumfahren, Spaß haben und – wenn das Geld reicht – auch ein wenig Prestige. Die von 85 Prozent genannte Lieblingsfarbe des Traumautos ist – Schwarz.

Was das fürs Marketing bedeutet, ist noch offen. Sicher ist nur: Revolution steht bei jungen Kunden nicht auf dem Programm, auch wenn auf Nachfrage selbstverständlich die Umwelt pflichtbewusst mit einbezogen wird. Also müsste man, um die Jugend zu überzeugen, an der sich die Älteren orientieren, Innovationen für die Älteren lancieren, damit sich die Jugend an jenen orientiere.

Komplizierte Sache, aber einfach aufzulösen: Vergesst die Alters-, Stil- und Zielgruppen und bietet den Kunden einfach Impulse an, damit alle etwas von allen anderen übernehmen können!

Holger Rust, geboren 1946, ist Publizist und Professor für Soziologie in Hannover.

Printausgabe vom Samstag, 27. Februar 2010
Online seit: Freitag, 26. Februar 2010 13:24:29

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