Mit großer Fallhöhe
Gabriel, Peter: Scratch My Back
Von Bruno Jaschke
Peter Gabriels Coverversionen-CD "Scratch My Back".
Ein Großer vergangener Jahre singt Songs von zumeist "gegenwartsrelevanten" Künstlern. Kommt uns bekannt vor und verheißt nichts Gutes? Nun, ein Konzept-Künstler wie Peter Gabriel weiß sich gegen niedrige Spekulationen zu wappnen. So deklariert sich "Scratch My Back" eben nicht einfach nur als Coverversionen-Album, sondern als Austauschprojekt: Die Künstler, deren Songs er auf "Scratch My Back" interpretiert – Talking Heads, Arcade Fire, Bon Iver, Elbow, Magnetic Fields, David Bowie, Lou Reed, Neil Young, Radiohead, Regina Spektor, Paul Simon – werden auf einer passenderweise "And I’ll Scratch Yours" betitelten CD Gabriel-Songs interpretieren.
Bei den Arrangements wählte Gabriel nicht den heutzutage für solche Projekte üblichen minimalistischen Zugang (Johnny Cash, Neil Diamond), sondern bediente sich eines Symphonieorchesters. Obwohl sich Gabriel damit seiner größten Stärke, nämlich seines Rhythmusgefühls, beraubt, ist dies einer der Aktivposten der Platte: Statt die Lieder zu ersticken, tariert es sie behutsam und diffizil aus und gibt so den Rahmen vor für die Fallhöhen, die sich Gabriel als Sänger offensichtlich zum Ziel gesetzt hat.
Damit sind wir allerdings auch beim zentralen Problem der Übung: Gabriel wagt sich an Songs, deren Stärke in der Endgültigkeit des Ausdrucks liegt und denen schwer noch zusätzliche Nuancen abzuringen sind. Mit durchaus nicht reizloser, brüchiger Stimme versucht er, die meist ohnedies schon im Original recht getragenen Stücke über eine radikale Tempobremse und eine auf Intensitätsgefälle bedachte Intonation in ein neues Licht zu stellen. Interessanterweise funktioniert das just bei Hits wie Bowies "Heroes" oder Simons "The Boy With The Bubble" recht gut.
An anderer Stelle jedoch gerät dieser Versuch, eine Art Klassiker-Katalog des Pop-Individualismus zu basteln, ziemlich daneben. Besonders drastische Beispiele, wo Gabriel mit allen Registern seiner Sangeskunst ins Leere trifft, sind Stephin Merritts "The Book Of Love", dessen lakonischen Witz er nicht transportieren kann, und Arcade Fires "My Body Is A Cage", gegen dessen hymnisch-überschwängliches Pathos der 60-Jährige auf verlorenem Posten steht. Erstaunlicherweise nimmt "Scratch My Back" im Gesamten aber wenig Schaden an solchen Momenten des Scheiterns.
Peter Gabriel: Scratch My Back. (Real World/EMI)
Printausgabe vom Samstag, 06. März 2010
Online seit: Freitag, 05. März 2010 13:09:00
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