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Artikel aus dem EXTRA LexikonPrint this

Von Afrika ins Burgenland

Erwin Kappel:"Das Allerwichtigste ist, dass ein präpariertes Tier gut aussieht!" Foto:  Willy Puchner

Erwin Kappel:"Das Allerwichtigste ist, dass ein präpariertes Tier gut aussieht!" Foto: Willy Puchner

Von Willy Puchner

Der junge österreichische Präparator Erwin Kappel bearbeitet neben heimischen Tieren auch solche, die vom schwarzen Kontinent stammen.

Im Haus des Präparators hat alles seine Ordnung. In kleinen Behältern und Schubladen stapeln sich die Materialien, die er für seine Arbeit braucht. Zuoberst lagern die Augen – Glasaugen für Reptilien, Vögel, Fische und Säugetiere, immer paarweise. In einem Regal daneben sind kleine Schachteln, beschriftet mit "Fasanzungen", "Katzenzungen" oder "Rothirschzungen". Auf einem ausgedienten Schuhkarton steht "Sonstiges". Darin befinden sich Vogelfüße, Zähne, Federn, Teile eines ausgekochten Fuchsschädels, Gebisse, Knochensplitter und jede Art von Bälgen.

Erwin Kappel, ein junger Präparator aus Stadtschlaining (Burgenland), liebte schon als Kind Tiere aller Art. Mit fünfzehn überlegte er, was er aus seinem Leben machen könnte, und wusste, dass er auf keinen Fall in der Kälte arbeiten oder einen Chef haben möchte. Sein Vater gab ihm den Rat, er solle doch Präparator werden, denn "Jäger wird es immer geben". Der Sohn tat’s.

Glänzen und brillieren

Zunächst erlernte Kappel das Handwerk in Wien. Mit neunzehn Jahren machte er sich selbständig. Heute bemüht er sich wie besessen um "vollkommene Präparate". Jedes Tier, das er bearbeitet, soll durch seine Gestaltung gewissermaßen wieder lebendig werden. "Das Allerwichtigste ist, dass ein präpariertes Tier gut aussieht!"

In seiner kleinen Werkstätte verkehren Waidmänner, Schützen, Großwildjäger und sonstige Schützen. "Unglaublich, auf wen man in meinem Beruf alles trifft", sagt Erwin Kappel, "ich kenne Grafen und Barone, Großgrundbesitzer, Industrielle und sogar einen Polizeichef!"

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Der Präparator nimmt Aufträge aus der ganzen Welt entgegen. Foto: Willy Puchner

Er weiß, dass seine Objekte einen schönen Platz bekommen werden. Darum will er sie in den ewigen Jagdgründen eines Wohnzimmers oder einer Hütte in wunderschöner Haltung präparieren. Sie sollen ein Zeichen des Triumphes sein und dem Prestige des Kunden dienen. Sie sollen glänzen und brillieren.

Kappel nimmt ein Murmeltier vom Regal und streichelt es. "Ich habe keine eigenen Tiere, sondern nur die, die übrig bleiben, weil sie von meinen Kunden nicht abgeholt werden." Er holt einen Haarföhn aus der Lade und föhnt die langen Zotten des Nagetiers. Die weichsten Felle haben die Biber. "In der Dichte von solch feinen Haaren könnte ich mich lange aufhalten."

Für einen Jägerball bereitet Kappel gerade zwei Murmeltiere vor – eines aufgerichtet, das andere kauernd. Für die Präsentation hat er sie auf einem künstlichen Stein montiert. Der Fels wurde abgeschliffen, angemalt und mit Islandmoos verziert, so dass er naturgetreu aussieht. Jede öffentliche Veranstaltung oder Präsentation dient Kappels Image. Sein Vater hatte Recht, seit geraumer Zeit nimmt die Arbeit kein Ende. Von nah und fern werden Häupter und Bälge herbeigebracht.

Neben der Werkbank liegen viele Tierkörper, in Plastik verstaut: eine Lieferung aus Afrika. Häute und Köpfe von einem Warzenschwein, von Springböcken, von einem Oryx, einem Büffel, einem Zebra und einem Pavian. In einer anderen Ecke steht eine große Kiste mit einem Mufflon und einem Bären darin.

"Die Technik des Präparierens hat sich grundlegend verändert", erzählt Erwin Kappel. "Bis zur Mardergröße arbeite ich in der altbewährten Wickeltechnik. Ab der Größe eines Fuchses verwende ich Dermoplastiken."

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Das Ausgangsmaterial für manche Plastik besteht aus PU-Schaum. . . Foto: Willy Puchner

Erwin Kappel ist begeistert von der alten Wickeltechnik. An einem Vogel führt er vor, wie sie funktioniert. Nachdem das Fleisch entfernt, das Vogelfell gewaschen, getrocknet und eingepudert worden ist, wird der Körper der Schnepfe mit einem Drahtgestell nachgeformt. Das ist der entscheidende Moment: Das Tier soll in einer natürlichen Haltung gestaltet werden. In das Drahtgestell wird Holzwolle hineingepresst und mit einem starken Zwirn fest umwickelt. Der künstliche Vogelkörper wird mit Modelliermasse eingestrichen, die Muskeln herausgearbeitet und das Gefieder samt Kopf und Füßen in noch feuchtem Zustand darüber gezogen. Danach hat der präparierte Tierkörper Zeit zum Aushärten und Trocknen.

Nach einigen Stunden kommt der Vogel in die abschließende Maske. Das Federkleid wird noch einmal geputzt, die Federn werden geschlichtet, mit Nadeln fixiert, so dass sie auf dem richtigen Platz liegen bleiben. Dann werden die Augen eingesetzt: "Damit wird dem Vogel Leben eingehaucht!" Zuallerletzt wird das Modell gesprayt, um den Eindruck von Glanz zu erzeugen. Er kommt auf ein Podest und wird in die endgültige Stellung gebracht, "so wie es der Kunde wünscht".

"Heute müsste man den Tierpräparator eigentlich ‚Taxidermisten‘ nennen", meint Erwin Kappel. Die gegerbte Haut der Säugetiere wird auf eine Tierattrappe geklebt und zusammengenäht. "Man kann Körperteile, Köpfe, Gliedmaßen bei Dermoplastikern erwerben. Die Basis der nackten Modelle besteht aus PU-Schaum und sind leicht zu bearbeiten."

Gelegentlich erhält Erwin Kappel Lieferungen aus Afrika. Alles, was von dort kommt, erzählt er, wurde schon gereinigt. "Im sogenannten grünen Zustand darf nichts über die Grenze gebracht werden." Die Reste der Kreaturen, die in die Werkstatt nach Stadtschlaining kommen, sind frei von Blut, Fleisch und Verwesung. Nachdem ein Tier erlegt ist, wird ihm von einem einheimischen "Skinner" das Fell abgezogen, dann wird es mit Steinsalz eingerieben, um die Feuchtigkeit zu entziehen, und zum Trocknen gelagert. Die Schädel werden gekocht, damit sie steril werden, Ohren, Nasen, Lippen und Augenlider gespalten, indem sie von innen nach außen gestülpt werden.

Manchmal bringen Großwildjäger das fremde, exotische Getier selbst zum Tierpräparator. Sie erzählen dann von Safaris, Wassertümpeln, Savannen und tropischen Temperaturen. Ein Kunde berichtete von einer seltsamen Begegnung mit Affen. Als er einen alten Pavian erlegt hatte, so erzählte er, dauerte es viele Stunden, bis die Affengruppe den alten Affen freigab. Sie saßen um den toten Körper und winselten. Das stimmte auch den Waidmann nachdenklich.

Vorwände fürs Jagen

Als ich Erwin Kappel frage, warum Großwildjäger Affen jagen, sagt er, dass sie den Einheimischen damit etwas Gutes täten, denn die Tiere fielen über die Dörfer her. Vor kurzem sei ein Affe in einen Wasserturm gefallen und habe das Trinkwasser der Dorfbewohner verseucht, was für die Menschen tödlich sei.

Zu den am stärksten verbreiteten Vorwänden fürs Jagen zählen die Behauptung, Menschen vor wilden Tieren zu schützen, und das Argument, ein Gleichgewicht zwischen Lebensraum und Wildbestand herzustellen, sage ich. Der Jäger erfülle nur seine Pflicht, füge ich ironisch hinzu, und es sei selten, dass er sich zu seiner Lust am Töten bekenne.

"Für mich ist es gut", sagt Erwin Kappel, "wenn einer mit reicher Beute zurückkehrt, und noch besser, wenn er sie zu einer Trophäe verarbeiten lässt. Ich kenne Jäger, die haben eigene Trophäenzimmer, die viermal so groß sind wie mein Arbeitsraum." Eine Reise nach Afrika sei teuer, ebenso der Abschuss eines Tieres. Fast alle Jäger wollen daher eine bleibende Erinnerung. Manchen genügt ein gegerbtes Fell, anderen eine Holzplatte mit Gehörn oder Schädeln. Die Krönung ist für Erwin Kappel jedoch ein Präparat, "denn das zeigt den Charakter des Tieres am besten".

Willy Puchner, geboren 1952 in Mistelbach, lebt als Fotograf, bildender Künstler und Autor in Wien. Zahlreiche Veröffentlichungen in internationalen Zeitschriften und Magazinen. Letzte Buchpublikation: "Willy Puchners Tierleben" (Brandstätter Verlag, Wien 2008).

Printausgabe vom Samstag, 06. März 2010
Online seit: Freitag, 05. März 2010 14:43:00

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