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Die Jagd nach den Exoplaneten

Am 8. Juni 2004 zog die Venus vor der Sonne vorbei. Aus einigen Lichtjahren Abstand wäre ihr Transit nur mit größter Mühe aufgefallen.  Foto: Pinter

Am 8. Juni 2004 zog die Venus vor der Sonne vorbei. Aus einigen Lichtjahren Abstand wäre ihr Transit nur mit größter Mühe aufgefallen. Foto: Pinter

Von Christian Pinter

Aufzählung In der Milchstraße kreisen Milliarden von Begleitern um ferne Sonnen. Aber wie können wir sie erkennen?

Zur Zeit trifft man im russischen Raumfahrtzentrum Baikonur Vorbereitungen auf den Start des knapp 300 kg schweren Planetenjägers Corot. Er soll rund 60.000 Sterne überwachen. Einige von diesen könnten ihm ein paar Stunden lang "zuzwinkern" und auf diese Weise die Existenz exotischer Planeten verraten. Corot fliegt in französischer Mission, an der sich die europäische ESA, Belgien, Brasilien, Deutschland, Spanien und Österreich beteiligen. Das Institut für Weltraumforschung in Graz lieferte ein wichtiges Element der Bordelektronik. Das Universitäts-Institut für Astronomie in Wien ist an der Datenauswertung beteiligt.

Das Innere unseres Sonnensystems wird von vier kleinen Welten regiert – Merkur, Venus, Erde und Mars. Wegen ihres festen Aufbaus und ihres steinernen Antlitzes haben sie die gewagt anmutende Bezeichnung "terrestrischer Planet" (nach lat. terra , Erde) erhalten. Die kühlen Gasriesen Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun formen ebenfalls ein Quartett. Jupiter mit elffachem Erddurchmesser und 318-facher Erdmasse dominiert unsere kosmische Heimat.

In der Milchstraße gibt es vermutlich Milliarden Sonnen, die Begleiter haben. Bisher hat man mehr als 200 solcher Exoplaneten entdeckt, einer im Erdformat war nicht darunter. Doch das liegt wohl nur an der Beobachtungstechnik. Aus unserer Perspektive erscheinen ferne Sonnen als Lichtpünktchen. Etwaige Planeten ertrinken in deren Schimmer. Ihr Nachweis ist nur indirekt möglich.

Dopplers Methode

Die erfolgreichste Nachweismethode trägt den Namen des Österreichers Christian Doppler und funktioniert so: Während des Umlaufs lässt die Anziehungskraft eines Planeten seine behäbige Sonne periodisch ein wenig hin und her, vor und zurück wackeln. Wir können bloß die radiale Komponente des Sterntanzes erfassen – also jene Bewegung, die direkt auf uns zu bzw. von uns weg gerichtet ist. Denn nur sie versetzt die Linien im Sternspektrum abwechselnd in Richtung Blau bzw. Rot. Der Rhythmus der Doppler-Verschiebung gibt die Umlaufszeit des Planeten preis, ihr Ausmaß seine Mindestmasse. Eine wirklich korrekte Massenangabe ist also leider unmöglich. Die Radialgeschwindigkeit hängt nämlich auch vom Winkel ab, unter dem auf das System "Stern-Planet" geblickt wird – der aber ist unbekannt.

Dank der Doppler-Methode wurde 1995 der Stern 51 im Herbststernbild Pegasus als Planetenbesitzer entlarvt. Seine Spektrallinien verschoben sich alle vier Tage und verwiesen auf einen äußerst raschen Begleiter mit enormer Mindestmasse. Bei folgenden Beutezügen kam man zu ähnlichen Ergebnissen: Man "erlegte" vorrangig dicke Gasriesen in sternnahen, hitzegeplagten Orbits; sie erhielten die Spitznamen "Heiße Jupiter" oder "Pegasiden".

Der Planetendurchgang

Auch das 150 Lichtjahre von uns entfernte Pegasus-Sternchen HD 209458 hat einen intimen Begleiter. Umlaufszeit: 3,5 Tage. Im gleichen Rhythmus, so erkannte man 1999, nimmt auch das Sternenlicht ab! Und zwar immer um 1,7 Prozent. Dann zieht der Exoplanet genau zwischen der Erde und seiner Sonne vorbei. Er bedeckt ein Sechzigstel der Sternoberfläche. Der Blickwinkel war damit bekannt und die erste verlässliche Massenbestimmung möglich. Der Planetendurchgang, "Transit" genannt, verriet aber noch weitere, höchst verblüffende Details.

Aus der Stärke des Lichtrückgangs schloss man auf den Durchmesser der fremden Welt. Sie ist um ein Drittel größer als unser Jupiter, besitzt aber nur zwei Drittel seiner Masse. Die mittlere Dichte ist dreimal geringer als die von Wasser. Bei jedem Transit müht sich ein Teil des Sternenlichts durch die Gashülle. Das prägt den Spektrallinien zusätzliche Signaturen ein: So wies man erstmals Wasserstoff, Sauerstoff, Kohlenstoff und Natrium bei einem Exoplaneten nach.

Stets einen halben Umlauf später verschwindet der Pegaside hinter seiner Sonne, dann sinkt die Infrarotstrahlung des Systems. Aus der Differenz ermittelte man eine Planetentemperatur von 850 Grad C. Diese Hitze bläht den Körper so kräftig auf. Der nahe Stern allein kann dafür nicht verantwortlich sein; es scheint eine rätselhafte, innere Wärmequelle im Exoplaneten zu geben.

Der transitierende Pegaside OGLE-TR-56b ist gar bis zu 1600 Grad C heiß. Vielleicht gibt es dort Wolken, aus denen Tropfen flüssigen Eisens regnen. Auch beim TrES-1 verstreicht ein "Jahr" überaus rasch: Sein Umlauf dauert nur drei Tage. Dann weilt er 140 Minuten lang im Transit. Eine gute Woche nach der Veröffentlichung dieses Funds registrierten auch europäische Amateurastronomen den Lichtrückgang. Beim Exoplaneten HD 149026b gelang einem kalifornischen Sternfreund sogar schon knapp vor der offiziellen Bekanntgabe die Registrierung. Irgendwann werden wohl Hobbyisten die Profi-Astronomen überflügeln.

Himmelsforscher betreiben derzeit mehrere Suchprogramme wie OGLE, TrES, HAT oder SuperWASP. Sie prüfen damit Abertausende von Sternen auf regelmäßige Lichtvariationen. Ein Helligkeitsabfall muss aber nicht unbedingt von einem Planeten verursacht sein. Etliche Sonnen verändern ihre Lichtproduktion aus "rein privaten", internen Gründen. Andere werden einfach von einer Zweitsonne bedeckt. Manche der schon mittels Doppler-Methode aufgestöberten Planeten könnten ihren Transit noch vor sich haben – sofern die Perspektive stimmt. Zunächst weiß niemand, ob bzw. wann sich die erhoffte "Sternfinsternis" ereignet. Profis mangelt es an Zeit für eine längere Observierung. Deshalb reichen sie die Verdächtigen an Amateure weiter.

Das amerikanische Netzwerk "Transit-search.org" erleichtert die Zusammenarbeit; es führt eine Liste mit 165 möglichen Transitkandidaten. Manche wie Tau im Sternbild Bootes oder Rho in der Nördlichen Krone sind sogar mit freiem Auge zu erkennen. Doch selbst der sehr erfahrene Beobachter vermag Sternhelligkeiten bestenfalls mit einer zehnprozentigen Genauigkeit einzuschätzen – zu wenig für Transits. Dafür braucht man elektronische Lichtmessgeräte. Etliche Liebhaberastronomen besitzen derartige Photometer bereits, und zwar in Form astronomischer Digitalkameras. Der Computer prüft die Helligkeit der abgebildeten Kandidaten an Hand jener von nahen Vergleichssternen. Profis registrieren dabei Lichtrückgänge im Promille-Bereich, Amateure kommen immerhin schon unter die Prozentmarke. Für den Fang eines Pegasiden kann das ausreichen. Das chaotische Sternenfunkeln, erzeugt von Turbulenzen innerhalb der Erdatmosphäre, setzt der Messgenauigkeit in jedem Fall Grenzen.

Die Roten Zwerge

Transits sind nur möglich, wenn wir genau auf die Kante der Planetenbahn schauen - ein perspektivischer Zufall, der sich bloß bei einem Bruchteil aller Exowelten einstellt. Selbst die "leichteste" übertrifft unsere Erde noch hundertmal an Masse. Denn ähnlich der Doppler-Methode bevorzugt das Transit-Verfahren planetare Goliaths, die eine größere Sternfläche bedecken. Bei einem Zwergstern riefe schon ein vergleichsweise kleiner Begleiter merkbaren Lichtabfall hervor. Wer einen terrestrischen Planeten einfangen will, sollte Rote Zwerge ins Visier nehmen. Ihrer Lichtschwäche wegen machen sie sich am Nachthimmel rar, tatsächlich aber machen sie drei Viertel aller Milchstraßensterne aus.

Rote Zwergsonnen sind vergleichsweise kühl. Deshalb rückt die "bewohnbare Zone" recht nah an ihre Oberfläche heran. Das ist jener wohl temperierte Bereich, in dem Wasser weder verdampft, noch zu Eis erstarrt. Ein Planetenfund in solch günstigem Sternabstand wäre besonders faszinierend, da wir annehmen, flüssiges Wasser sei die Voraussetzung für die Existenz von Leben. Aber selbst sternferne, eiskalte Gasriesen müssen deshalb nicht uninteressant sein – sofern sie von Monden umkreist werden. Gravitationelle Kräfte könnten diese Satelliten nämlich "durchkneten" und von innen her erhitzen. Unter einer schützenden Eiskruste verbirgt sich vielleicht ein Ozean. Ähnliches vermutet man bei unserem Jupitermond Europa.

Bei entsprechend günstiger Lage im Raum würden übrigens geduldige Bewohner anderer Welten auch unsere eigenen Planeten transitieren sehen. Für sie geriete die Sonne zu einem höchst unscheinbaren Sternchen. Jupiter und Saturn ließen dessen Schimmer um ein Hundertstel sinken – allerdings nur kurz und bloß einmal in 12 bzw. 29 Jahren. Uranus und Neptun reduzierten das Sonnenlicht alle 84 oder 165 Jahre um ein Tausendstel. Ein Erdtransit dauerte höchstens 13 Stunden und wiederholte sich nach 365 Tagen. Um Erde oder Venus nachzuweisen, müssten "Exo-Astronomen" die Sonnenhelligkeit mit der unglaublichen Präzision von 0,08 Promille überwachen.

Zurück zur irdischen Himmelsbetrachtung: Auch die verlässlichsten Photometer geben bei Anbruch der Morgendämmerung auf. Kontinuierliche Beobachtung ist nur vom All aus möglich. Deshalb wird Corot in einer Flughöhe von 826 km schweben und jeweils 150 Tage lang Himmelsausschnitte im Einhorn sowie im Grenzbereich der Sternbilder Adler, Schild und Schlange anvisieren. Die Trophäen der zweieinhalb Jahre währenden Jagd könnten hunderte transitierende Welten sein – Gasriesen ebenso wie terrestrische Planeten.

Christian Pinter, geboren 1959, ist Fachjournalist in Wien. Er schreibt seit 15 Jahren im "extra" über astronomische Themen.

Printausgabe vom Samstag, 04. November 2006
Update: Freitag, 03. November 2006 16:27:00

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