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Artikel aus dem EXTRA LexikonPrint this

Himmlische Frauenpower

Von Christian Pinter

Aufzählung Unter den 88 Sternbildern am Firmament befinden sich auch einige Damen der antiken High Society.

In einem Land, das die Griechen "Äthiopien" nannten, regierten Cepheus und seine Gemahlin Cassiopeia. Einst prahlte die Königin, schöner zu sein als alle 50 Töchter des Meeresgotts Nereus. Also posiert sie eitel im Himmelsatlas des Danziger Astronomen Johannes Hevelius (1690), mit hüftlangem, geflochtenen Haar, auf einem prächtigen Thron sitzend.

Cassiopeias Frevel blieb nicht ungestraft. Ein gewaltiges Meeresungeheuer tauchte auf und verwüstete die Küste. Um dem Fluch ein Ende zu bereiten, folgte König Cepheus einem Orakelspruch: Er ließ seine Tochter Andromeda in eherne Ketten legen, um sie dem Untier zu opfern. Im letzten Moment tauchte der Zeus-Sohn Perseus auf, schwang sich mit seinen Flügelschuhen in die Lüfte, stieß dann im Sturzflug herab und bohrte dem Ungeheuer sein Schwert in den Leib.

Cassiopeia und Medusa

In jedem Herbst lebt der Mythos von neuem auf: Am Firmament findet man dann das Sternbild Andromeda in Begleitung von Mutter Cassiopeia, Vater Cepheus, dem späteren Gemahl Perseus und dem Meeresungeheuer, das sich als Sternbild "Walfisch" tarnt. Der deutsche Astronom Christian Mayer löste 1778 Andromedas Fußstern Alamak in zwei getrennte Lichtpunkte auf: Der hellere strahlt golden, der schwächere bläulich – ein fesselnder Anblick im Fernrohr.

Die Schwerkraft hat diesen beiden Sonnen tatsächlich Ketten angelegt: Sie werden einander ewig umkreisen. Andromedas Stolz ist der zarte Nebel M-31: Die fremde Galaxie nennt mehr als 500 Milliarden Sonnen ihr Eigen. Mit 2,5 Millionen Lichtjahren Abstand von der Erde ist sie das zweitfernste jener Himmelsobjekte, die man noch mit freiem Auge erspähen kann.

Beim Kampf mit dem Meeresungeheuer hätte Perseus eine viel tödlichere Waffe als sein Schwert einsetzen können. Kurz vor seinem Flug über Andromedas Heimat war er nämlich den Gorgonen begegnet. Die drei grausigen Schwestern galten als unbezwingbar. An Stelle der Haare züngelten Schlangen auf den Häuptern, und ihr Blick ließ alles zu Stein erstarren. Deshalb beobachtete Perseus das schreckliche Trio bloß in seinem blank polierten Schild. Dann holte er zum Schlag aus, schlug den Kopf der Gorgo Medusa ab und ergriff die Flucht.

Wer es wagt, mag zum himmlischen Medusenhaupt aufblicken. Dessen todbringendes Auge wird vom glänzenden Stern Algol markiert. Er ist meist so hell wie Andromedas Fußstern, "blinzelt" uns aber alle 69 Stunden dämonisch zu. Algol besteht aus zwei Sonnen, die einander so intim umrunden, dass sie unsere Teleskope nicht mehr zu trennen vermögen. Pünktlich wie ein Uhrwerk zieht jedoch die etwas dunklere Sonne vor der helleren vorbei und bedeckt diese zum Teil. Dann sinkt Algols Glanz auf ein Drittel ab.

Unter den insgesamt 88 Sternbildern ist die Jungfrau (lateinisch: Virgo ) wohl die bekannteste Frauengestalt. Griechische Autoren erblickten darin die Göttin Demeter, die für das Reifen der Feldfrüchte zuständig war. Andere hielten sie für deren Tochter Persephone. Auf alten Darstellungen trägt die Figur jedenfalls eine Ähre in der Hand. Dies weist, ebenso wie der Name des Hauptsterns "Spica" (lat., Ähre), auf ihre einstige Rolle als agrikultureller Zeitgeber hin. Heute brauchen die Bauern freilich kein Kalendergestirn mehr.

Das Haar der Berenike

Sogar eine historische Persönlichkeit mischte sich unter die Himmelsdamen. Im 3. Jahrhundert v. Chr. regierten König Ptolemaios III. und seine Frau Berenike II. in Ägypten, das seit Alexander unter griechischem Einfluss stand. Die Königin war berühmt für ihr goldglänzendes Haar. Dennoch opferte sie es der Liebesgöttin Aphrodite, um die Heimkehr ihres Gatten aus dem Dritten Syrischen Krieg zu erflehen.

Als der König seine Gemahlin endlich wieder im Arm hielt, vermisste er ihre Haarpracht. Um den Herrscher zu besänftigen, lenkte der Astronom Conon von Samos den königlichen Blick zum Frühlingshimmel. Oberhalb der Jungfrau glitzerte ein Dutzend schwacher Sterne. Aphrodite selbst hätte das Haar der Berenike ans Firmament gehoben, erklärte Conon wohl, ein Symbol der Treue und der Liebe setzend. Das gleichnamige Sternbild (lat.: Coma Berenices ) wird vor allem vom Offenen Sternhaufen Melotte-111 geformt. Nur 290 Lichtjahre entfernt, erscheint er uns untypisch groß und hell – aber auch ziemlich "zerzaust".

Einst forderte der kretische König Minos grausamen Tribut von den Athenern, weil sie seinen Sohn getötet hatten. Sie mussten ihm fortan alle neun Jahre sieben Mädchen und sieben Jünglinge schicken. Mit deren Blut sättigte er den Minotaurus. Dieses Ungeheuer, halb Mensch, halb Stier, hauste in einem unterirdischen Labyrinth. Als sich Theseus unter die Todgeweihten mischte, verliebte sich ausgerechnet des Minos Tochter Ariadne in ihn.

Die Prinzessin schenkte Theseus ein Schwert und ein Knäuel. Mit der Waffe durchbohrte er das Ungeheuer, mit dem abgespulten Faden fand er aus dem Irrgarten heraus. Das Liebespaar floh. Doch auf der Insel Dia (Naxos) ließ Theseus die Ariadne sitzen – wohl auf Geheiß des Dionysos, Gott des Weins und der Fruchtbarkeit, der die Verlassene tröstete. "Um sie durch ein ewig sichtbares Gestirn berühmt zu machen, nahm Dionysos ihr die Krone vom Haupte und warf sie gen Himmel" , erzählt Ovid: " Sie fliegt durch die zarten Lüfte, und im Fluge verwandeln sich die Edelsteine in strahlende Feuer".

Seither schmückt das Sternbild Nördliche Krone (lat.: Corona Borealis ) den Frühlingshimmel. Als modernes Zeichen der Ehrerbietung für die Prinzessin schießt die europäische Raumfahrtagentur ESA immer wieder Ariane-Raketen ins All.

Um das Tierkreissternbild Fische (lat.: Pisces ) ranken sich mehrere Legenden. Manche meinten, die Nymphe Galateia und ihr Geliebter Akis wären auf der Flucht vor einem ungehobelten Kyklopen ins Meer gesprungen und hätten dabei praktischerweise Fischgestalt angenommen.

Auch die Königstochter Callisto fand erst in verwandelter Gestalt Zutritt zum Himmelszelt. Einst zählte die Schöne zum Gefolge der Mondgöttin Artemis. Dann nahm Zeus, der unersättliche Olympier, sie gegen ihren Willen. Als Callisto die Schwangerschaft nicht mehr verbergen konnte, wurde sie von der jungfräulichen Artemis verstoßen.

Kaum hatte Callisto einen Sohn geboren, tauchte die Zeus-Gattin Hera auf und verwandelte die vermeintliche Nebenbuhlerin in eine schwarzzottelige Bärin. Hunde jagten Callisto fortan durch den Wald. Selbst ihr mittlerweile 15-jähriger Sohn legte den Bogen auf sie an. Jetzt erst griff Zeus ein. Er packte die Bärin und entrückte sie ans Firmament – als Sternbild "Großer Bär" (lat.: Ursa major ). Dank ihrer Nähe zum Himmelspol bleibt die riesige Bärengestalt unbeeinflusst vom Jahreszeitlauf. Wann immer wir zum Nachthimmel aufschauen, erwidert sie unseren Blick.

Bärige Hesperiden

Dort genießt sie die Gesellschaft des Kleinen Bären. Sein im Lateinischen ebenfalls weiblicher Name ( Ursa minor ) weist auch auf eine verwandelte Frauengestalt hin: Manche denken an Callistos Zofe, andere an eine Amme des Zeus. Möglicherweise aber erinnern diese Sterne an die Hesperiden: Die Töchter des Riesen Atlas hüteten goldene Äpfel, assistiert von einem Drachen. Tatsächlich wurde der Kleine Bär im 6. Jahrhundert v. Chr. aus den Flügeln des Sternbilds Drache geformt. An seiner Schwanzspitze leuchtet der berühmte Polarstern.

Zurück zu Callisto: Deren Verstirnung erzürnte die eifersüchtige Hera außerordentlich: "Ich verbot ihr, ein Mensch zu sein, und sie wurde zur Göttin!", rief die Gemahlin des mächtigen Zeus aus: "An meiner Stelle beherrscht eine andere den Himmel!" . Tatsächlich widmeten die alten Griechen ausgerechnet der First Lady des Olymp kein eigenes Sternbild. Nur ein wenig von Heras göttlicher Muttermilch spritzte einst aufs Firmament hinab – und gerann zum zarten Band der Milchstraße.

Christian Pinter, geboren 1959, ist Fachjournalist in Wien. Er schreibt seit 1991 über astronomische Themen im "extra". Internet: members.aon.at/dr.c.pinter/

Printausgabe vom Samstag, 07. April 2007
Online seit: Freitag, 06. April 2007 11:33:00

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