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Artikel aus dem EXTRA LexikonPrint this

Kreation des Danziger Astronomen Hevelius: Das Sternbild "Schild des Sobieski" verherrlicht Polens König Jan III. als Retter von Wien und als Verteidiger der Christenheit

Entsatzheer am Himmel

Hevelius mit seinem kunstvollen Sextanten.Foto: Pinter

Hevelius mit seinem kunstvollen Sextanten.Foto: Pinter

Der "Sobieskische Schild" in Littrows Sternatlas, Ausgabe 1885.

Der "Sobieskische Schild" in Littrows Sternatlas, Ausgabe 1885.

Von Christian Pinter

Als die alten Griechen einander von den Sternbilder-Mythen erzählten, war Wien nicht mehr als eine unbedeutende keltische Siedlung: Kein Wunder, dass der antike Himmel sehr gut ohne Vedunia ("Waldbach") auskam. Erst im späten 17. Jahrhundert verwob man mit dieser Stadt an der Donau eine himmlische Konstellation – allerdings eine der kleinsten und unscheinbarsten.

Unsere Geschichte beginnt in der Hansestadt Danzig, wo Johannes Hevel am 28. Jänner 1611 als Sohn einer reichen protestantischen Bierbrauerfamilie geboren wird. Mathematikprofessor Peter Crüger, Schüler von Tycho Brahe und Johannes Kepler, begeistert ihn für die Himmelskunde. Nach kurzem Studium der Rechte in Leiden begibt sich Johannes auf eine mehrjährige Reise nach Paris und London, die beide zu führenden Zentren der Naturwissenschaft aufsteigen werden. Doch Johannes kehrt bereits 1634 heim, um sich dem Familienbetrieb zu widmen. Das Danziger Joppenbier findet sogar in England Absatz. Die Fässer werden auch im Altstädter Rathaus gelagert. Dort bestimmt Johannes ab 1651 das Geschick der Stadt als Ratsherr mit.

Hevelius’ Sternenburg

Der Stammsitz der Familie liegt in der angrenzenden Korzenna-Straße, damals "Pfefferstadt" genannt. Dichtgedrängt stehen die äußerst schmalen, aber hochstrebenden Bürgerhäuser nebeneinander. Hevels erste Frau, Katharina Rebeschke, bringt die beiden Nachbargebäude in die Ehe mit. So kann ihr Gatte eine 110 Quadratmeter weite, luftige Holzplattform über die Dächer des Häusertrios spannen. Auf dieser Sternenburg sind "die kostbarsten Instrumenta" versammelt, stellt der auf Besuch weilende deutsche Astronom Gottfried Kirch später fest.

Mit ausladenden Fernrohren projiziert Hevel, der sich nun latinisiert "Hevelius" nennt, das Bild des Mondes auf eine Leinwand. So hält er zunächst die Umrisse größerer Mondformationen fest. Die vielen kleineren fügt er nach direkten Teleskopstudien hinzu. 1647 stellt er die 600 Seiten starke "Selenographia" zusammen, benannt nach der griechischen Mondgöttin Selene. Darin schenkt er lunaren Gebirgszügen vertraute Namen wie "Alpen" oder "Apenninen". Das teils von eigener Hand kolorierte Werk macht den Autor weithin bekannt, ja berühmt.

Ludwig XIV. sähe Hevelius gern in Paris. Doch der bleibt seiner Heimatstadt treu. So fördert ihn der französische König aus der Ferne, stellt sich mit einem jährlichen Gehalt ein. Ähnlich generös wird sich der spätere polnische König Jan III. Sobieski erweisen.

Von der Sternenburg aus zielen mannshohe astronomische Visiergeräte zum Nachthimmel, sogenannte "Sextanten" und "Quadranten". Sie kommen ohne jede Optik aus. Hevelius sieht sich in der Tradition des grandiosen dänischen Himmelsbeobachters Tycho Brahe. Der hatte, knapp hundert Jahre früher und also noch vor Erfindung des Fernrohrs, das Firmament über der Insel Ven vermessen. Hevelius will Tychos Sternkatalog verbessern, die Winkelabstände zwischen den Fixsternen noch genauer ausloten. Vor den Stadttoren betreibt er ein 45 Meter langes Teleskop. Doch bei der Ermittlung hochpräziser Sternpositionen misstraut er den Glaslinsen. Sie sind noch viel zu unperfekt.

Bei der mühsamen Arbeit genießt Hevelius tatkräftige Unterstützung durch seine zweite Gattin: Die um 36 Jahre jüngere Kaufmannstochter Elisabetha Koopman steht mit ihm Nacht für Nacht auf der hohen Sternenburg. Später wird man sie als "erste Astronomin der Geschichte" rühmen. Allerdings beschwört das Beharren auf freisichtige, eigentlich schon überholte Messmethoden heftige Kritik aus London herauf.

Um den Streit beizulegen, schickt die Royal Society den 22-jährigen Edmond Halley nach Danzig. Im Sommer 1679 werken beide Männer Seite an Seite – Halley am Fernrohr, Hevelius am 180 Zentimeter großen Sextanten. Schließlich bestätigt Halley die Qualität der Hevel’schen Messungen. Kaum ist der Engländer abgereist, werden Sternenburg, Wohnhaus, Bibliothek und Manuskripte ein Raub der Flammen. Jahre verstreichen, bis das Ehepaar Hevel wieder an systematische Himmelsbeobachtungen denken kann.

700 Kilometer weiter südlich bahnt sich indes eine ganz andere Katastrophe an. Das Osmanische Reich hat sich weit nach Südosteuropa vorgeschoben. Schon 1529 scheiterten die Türken vor Wien. Jetzt, im Juli 1683, lagern sie neuerlich vor der strategisch wichtigen Stadt. Den 16.000 hier Eingeschlossenen stehen 200.000 Angreifer gegenüber. Nach zwei Monaten Belagerung sind Nahrungsmittel und Schwarzpulver in Wien bereits knapp. Minen haben Breschen in die Mauer gesprengt. Schließlich eilen 80.000 polnische, österreichische und deutsche Soldaten zu Hilfe – unter der Führung von Polens König Jan III. Sobieski. Am 12. September 1683 entscheidet die Schlacht am Kahlenberg über Wiens Schicksal. Polnische Reiter spielen dabei die Schlüsselrolle. Bei der Verfolgung der Osmanen entrinnt Sobieski nur knapp dem Tod. Die weitere Zurückdrängung – vor allem durch Prinz Eugen – wird Österreich den Aufstieg zur Großmacht ebnen.

Politisches Firmament

Dreieinhalb Jahre später stirbt Johannes Hevelius – an seinem 76. Geburtstag. Seine letzte Ruhe findet er in der Danziger Katharinenkirche. Elisabetha setzt ihm 1690 ein besonderes Denkmal: Sie gibt posthum den Sternkatalog ihres Gatten und seine herrliche Kartensammlung "Firmamentum Sobiescianum" heraus. Das dem polnischen König zu Füßen gelegte Firmament ist mit neuen Bildern geschmückt. Sie füllen die "Lücken" zwischen den alten Konstellationen aus.

Manche von Hevels Kreationen, wie der dreiköpfige Cerberus oder der Berg Maenalus, werden von späteren Astronomen entfernt. Andere überdauern: Das Einhorn, eigentlich schon von früheren Himmelsforschern erdacht, springt anmutig über die Milchstraße. Die beiden Jagdhunde hetzen den altvertrauten Großen Bären. Die winzige Eidechse muss sich vor dem Huf des antiken Flügelrosses Pegasus in Acht nehmen. Um den Luchs auszumachen, braucht man dessen sprichwörtlich gute Augen. Das Füchschen schleicht sich mit einer gestohlenen Gans davon. Der alte Löwe hat mit dem Kleinen Löwen artgerechte Gesellschaft erhalten. Und mit dem Sextant verewigt Hevelius jenes kunstvolle Messgerät, an dem er und Elisabetha so viele Stunden verbracht haben.

Zwischen die alten griechischen Konstellationen Adler, Schlange und Schütze schiebt Hevelius nun das Bild "Schild des Sobieski" ein. Schwache Sternchen markieren den Rand der Schutzwaffe, drei ähnlich zarte halten das Kreuz Jesu in Mitten des Schilds fest. Das Bild verherrlicht Sobieski nicht nur als Retter Wiens, sondern auch als "Streiter für die Christenheit".

Trotz der historischen Bande heben sich die Sternchen des Himmelsschilds nur mäßig hoch über den Wiener Horizont. Der Hauptstern Alpha Scuti glänzt beim Blick durchs Teleskop in edlem Gold. Fern des aufgehellten Stadthimmels übernimmt die sommerliche Milchstraße die Regentschaft: Im Schild schimmert eine ihrer hellsten Regionen, die "Schildwolke". Sie verzaubert Fernglasbetrachter.

In dieser Milchstraßenwolke stieß der schon erwähnte Gottfried Kirch zwei Jahre vor der Türkenbelagerung auf einen dicht gedrängten Sternhaufen: M 11 ist einer der königlichsten seiner Art. Moderne Amateurfernrohre machen allein darin 100 bis 400 Lichtpünktchen aus. In Wirklichkeit scharen sich dort aber wohl tausende Sonnen zusammen, in einem Raum von bloß 25 Lichtjahren Durchmesser. Sie alle wurden vor wenigen hundert Millionen Jahren gemeinsam in der selben Gas- und Staubwolke geboren. Obwohl Hevelius intensiv nach ungewöhnlichen Himmelsobjekten Ausschau hielt, ist ihm diese Augenweide entgangen. Sein "Schild des Sobieski" sollte die Erinnerung an Jan III. für alle Zeiten lebendig halten. Der König selbst erfreute sich jedoch nur sechs Sommer lang an diesem Geschenk und starb im Juni 1696.

Wiener Kreationen

Wiens Stadtmauer existierte noch, als der Direktor der heimischen Universitätssternwarte 1789 die Einführung von drei weiteren Sternbildern vorschlug. Acht Jahre zuvor hatte Wilhelm Herschel in England den Planeten Uranus entdeckt. Daher wollte Maximilian Hell ein großes und ein kleines Fernrohr Herschels verstirnen - und zwar so, dass der Tubus Herschelii major und der Tubus Herschelii minor den Entdeckungsort des Uranus am Winterhimmel flankierten. Zu Ehren von Englands Georg III. ersann Hell zudem das Sternbild "Psalterium Georgii". Es war nach dem alten Saiteninstrument Psalter benannt, dessen Klang die Psalmen begleitete, und sollte die Frömmigkeit von Herschels königlichem Gönner rühmen.

Maximilian Hells Wiener Kreationen setzten sich aber nicht wirklich durch. Astronomen ignorierten sie oder holten sie bald wieder vom Himmel herunter. Die dafür verwendeten Sternchen kehrten in die klassischen Konstellationen zurück. Auch am "Schild des Sobieski" nagte der Zahn der Zeit. Dessen Name mutierte zum schlichten, anonymen "Schild" – und verlor damit endlich jeden politischen und religiösen Bezug.

Christian Pinter, geboren 1959, lebt als Fachjournalist in Wien und schreibt seit 1991 über astronomische Themen im "extra". Internet: members.aon.at/dr.c.pinter/

Printausgabe vom Samstag, 06. September 2008
Online seit: Freitag, 05. September 2008 14:30:00

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