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Artikel aus dem EXTRA LexikonPrint this

Vor 400 Jahren erschütterten Galileo Galileis Fernrohrbeobachtungen das Weltbild und bestätigten die Theorien des Kopernikus

Jupiter erhält Gesellschaft

Venusphasen und Jupitermonde, wie sie in den "Opere di Galileo Galilei" (1718) gezeigt werden. Foto: Pinter

Venusphasen und Jupitermonde, wie sie in den "Opere di Galileo Galilei" (1718) gezeigt werden. Foto: Pinter

Von Christian Pinter

Padua, 1609: Neugierig schaut der 45-jährige Mathematikprofessor Galileo Galilei zum Firmament.

Er hat von einer Erfindung holländischer Brillenmacher gehört, mit deren Hilfe Gegenstände zwei- oder dreimal näher erscheinen. Der geschickte Experimentator baut das Sehglas nach, steigert seine Vergrößerung bis zum Dreißigfachen. Wahrscheinlich pocht sein Herz rascher, als er das schmächtige Rohr zum Himmel richtet, vielleicht zittern ihm sogar die Hände. Als er den hellen Mond anvisiert, blitzt die Okularlinse kräftig auf. Nur mühsam kann er das Auge an der richtigen Stelle halten; es ist, als müsste er durch ein Schlüsselloch spähen. Doch der Florentiner Tuchhändlersohn spürt die Anstrengung nicht. Zu groß ist seine Erregung.

Luna gleicht der Erde

Seit gut einem Jahrzehnt schon ist Galilei Kopernikaner. Doch aus Angst vor Verachtung hält er mit seiner Überzeugung hinterm Berg. Er weiß: Seinen Zeitgenossen mutet die Vorstellung einer bewegten Erde höchst absurd an. Für sie steht diese noch wie angewurzelt da, mitten im Herzen des Alls. Als wichtigsten Kronzeugen bemühen sie den alten griechischen Denker Aristoteles, der als beinahe unumstrittene Autorität in naturphilosophischen Fragen gilt. Seiner Lehre nach sind alle Himmelslichter aus einem idealen fünften Element geformt und daher perfekt und ewiglich. Im Zentrum des Kosmos sammeln sich hingegen die vier profanen Elemente Erde, Wasser, Feuer und Luft. Deshalb gibt es auf Erden nur Vergängliches, und deshalb hat unsere Welt mit den erhabenen Himmelskörpern nichts gemein – meinte Aristoteles.

Der himmlische Mond sollte im aristotelischen Weltbild ebenfalls eine völlig glatte Kugel sein. Doch Galilei sieht etwas ganz anderes. Lunas Antlitz erscheint ihm "gerissen und wellig", wie heißes Glas, das man in kaltes Wasser getaucht hat. Es ist übersät mit kleinen, runden "Flecken", deren kreisförmige, offenbar erhabene Ränder Bergrücken ähneln. Galilei weiß nicht, dass er auf unzählige Einschlagskrater blickt, obwohl er bereits etliche Einschlagsgruben in Wachs studiert hat. Aus deren Tiefe wollte er 1604 die Sturzgeschwindigkeit von Körpern im freien Fall ermitteln. Eine besonders weite Vertiefung nahe der Mondmitte erinnert ihn an Böhmen: Auf zeitgenössischen Karten ist es rundum von bewaldeten Bergen umschlossen.

Der Anblick der lunaren Licht-Schatten-Grenze verschlägt Galilei den Atem. Sie trennt die Mondnacht vom Mondtag und müsste, zöge sie wirklich über eine makellose Kugel, scharf sein, wie mit der Feder gezogen. Doch im Fernrohr erscheint sie gezackt. Helle "Auswüchse" wagen sich von dort in die Finsternis vor, dunkle verharren dafür im angrenzenden lichten Teil. Nur die Annahme eines stark zerklüfteten Mondreliefs kann dieses Schauspiel erklären: Die Kämme mächtiger Gebirge tauchen früh aus der Mondnacht auf; die tiefen, noch nicht vom Sonnenschein erfüllten Täler trotzen dem Tagesanbruch am längsten. "Ebenso wie das Antlitz der Erde", resümiert Galilei in seiner rasch publizierten Schrift "Sternenbote", ist der Mond "voller gewaltiger Erhebungen, tiefer Höhlungen und Krümmungen". Sie scheinen ihm sogar "die Unebenheiten der Erdoberfläche bei weitem zu übertreffen".

Der Planet Erde

Galilei freut sich. Ähnelt der Mond nämlich tatsächlich unserer Welt, so ist der vorgebliche Wesensunterschied zwischen dem Himmel und der Erde aufgehoben. Man darf unsere eigene Welt somit in eine Reihe mit den himmlischen Körpern stellen. Kopernikus hatte das schon hundert Jahre zuvor gewagt: In seiner Kosmologie ist die Erde ja nur noch einer von sechs Planeten, die auf unterschiedlich weiten Bahnen um die Sonne kreisen.

Die Aristoteliker spotten über philosophische "Schönheitsfehler" in der kopernikanischen Hypothese. Denn in ihr gibt es nicht bloß ein, sondern gleich zwei Bewegungszentren: Während die Planeten an die Sonne gebunden sein sollen, läuft der Mond ja weiterhin um die Erde. Wie könnte eine in Fahrt versetzte Erdkugel, so sticheln die traditionellen Gelehrten weiter, diesen Begleiter im Schlepptau halten? Müsste sie ihn beim Lauf um die Sonne nicht augenblicklich verlieren?

Auch diesen Einwand wird Galilei entkräften. Als er das Fernrohr im Jänner 1610 auf den Jupiter richtet, erspäht er drei, dann vier kleine "Fixsterne" in dessen Nachbarschaft. Sie folgen ihm hartnäckig, wenngleich sie ihre gegenseitige Stellung verändern. Zunächst traut Galilei seinen Augen nicht, doch dann wird "aus Zweifel Staunen": Dies sind neue Wandelsterne, die Jupiter umkreisen wie der Mond unsere Erde. Der Jupiter bildet also den Drehpunkt ihrer ungleich großen Bahnkreise – es gibt somit offensichtlich mehr als ein einziges Bewegungszentrum im Kosmos. Nach Aristoteles sollte Jupiter einmal pro Tag um die ruhende Erde herum jagen. Bei Kopernikus umrundet er alle zwölf Jahre einmal die Sonne. Wie immer seine Tour auch aussieht – er schafft sie, ohne die vier Satelliten zu verlieren. Also wird auch die Erde ihren Mond behalten, wenn man sie, der neuen Lehre folgend, in Bewegung setzt!

Der verwirrende Ring

Die Planeten baden im Licht der Sonne. Sie präsentieren sich im Fernrohr "vollkommen rund und wie mit dem Zirkel gezogen". So sieht Galilei den Jupiter und später auch den rötlichen Mars. Nur der "dreigestaltige" Saturn verwirrt ihn. Es ist, als stützte sich der Planetengott auf zwei Bedienstete. Zu Galileis Überraschung tauchen die beiden später ab und lassen ihren alten Herrn alleine zurück. Die Vergrößerung des damaligen Fernrohrs reicht nicht, um die Wahrheit zu erkennen. Erst später wird man den verstörenden Anblick korrekterweise auf Saturns einzigartigen Ringschmuck zurückführen. Ohne es zu wissen, schaut Galilei 1612 genau auf die äußerst schmale Kante des Planetenrings; deshalb lösen sich Saturns vermeintliche Begleiter in seinem Teleskop ein paar Monate lang scheinbar im Nichts auf.

Die für Galilei wohl schönste Überraschung bietet der Abendstern: Zu Herbstbeginn 1610 ist die Venus noch rundlich und ziemlich winzig. Doch dann legt sie an Größe zu, während der beleuchtete Teil ihrer Kugel abmagert. Schließlich verwandelt sich der Planet gar in eine schmale Lichtsichel. Offenbar ahmt Venus die Phasen des Mondes nach, wenngleich in umgekehrter Reihenfolge. Das Spiel wird von wechselnden Beleuchtungsbedingungen verursacht. Es ist in dieser Form nur möglich, wenn uns das angestrahlte Objekt zeitweise sehr viel näher und dann wiederum sehr viel ferner steht als die Lichtquelle.

Fazit: Die Venus muss die Sonne umrunden; eine andere Erklärung gibt es nicht. Schon glaubt Galilei, endlich den Schlüssel zum Siegeszug der kopernikanischen Lehre gefunden zu haben. Doch die Traditionalisten geben sich keineswegs geschlagen. Mag sein, so räumen sie ein, dass Venus und andere Planeten um die Sonne kreisen. Doch diese Sonne soll weiterhin tagtäglich um die Erde hetzen, jetzt eben mitsamt dem ganzen planetaren Tollhaus. Ein derartiges Mischmodell hat der Däne Tycho Brahe vorgeschlagen.

Galilei hält nichts von solchen Kompromissen. Unter Verweis auf den zerklüfteten Mond, die Jupitermonde und die Lichtphasen der Venus ruft er seine Überzeugung nun laut in die Welt hinaus. Er stellt die Anhänger des Aristoteles bloß, begegnet ihnen mit Sarkasmus und verspottet sie. Mit Theologen disputiert er ähnlich freimütig wie mit seinen philosophierenden Kollegen. Diese Leichtherzigkeit wird ihn später fast um Kopf und Kragen bringen. Doch noch ahnt Galilei die drohende Gefahr nicht.

Längst hat er das Band der Milchstraße mit dem Fernrohr in ein Heer schwacher Sterne aufgelöst. Das Siebengestirn im Wintersternbild Stier entpuppt sich als dichtgedrängter Haufen von mehr als drei Dutzend Sternen; ebenso die Krippe im Krebs, die den Menschen bis dahin nur als mattes diffuses Nebelfleckchen erschien. Auch diese drei Himmelsbeobachtungen lassen sich heute, 400 Jahre nach Galileis erstem Blick durchs Fernrohr, leicht nachvollziehen – ein einfaches Fernglas reicht dazu aus. Zitterfrei auf einem Stativ montiert, zeigt es in den ersten zwei, drei Märzwochen außerdem die Sichelgestalt der Venus, und um die Jahresmitte das Stellungsspiel der Jupitermonde. Im kleinen Fernrohr bietet Saturn jetzt gerade einen ungewöhnlichen Anblick: Wir schauen wieder einmal fast genau auf die feine Kante seines Rings. Und Lunas Gebirge werfen jedes Mal um das erste und letzte Mondviertel höchst eindrucksvolle Schatten.

Im Gedenken an die ältesten Fernrohrbeobachtungen hat die UNO 2009 zum "Internationalen Jahr der Astronomie" ausgerufen. Forschungseinrichtungen, Volkssternwarten und Amateurvereine bringen ihren Besuchern die Wunder des Himmels näher – und bitten sie, auf Galileis Spuren zu wandeln. (Termine: http://www.astronomie2009.at ). Und der Vatikan hat Galileo Galilei am 15. Februar erstmals mit einer feierlichen Messe geehrt.

Christian Pinter, geboren 1959, schreibt seit 1991 im "extra". Internet: http://www.himmelszelt.at

Helden des Himmels

Christian Pinter hat unter dem Titel "Helden des Himmels" ein astronomiegeschichtliches Lesebuch verfasst. In verständlicher Weise schlägt er einen Bogen von der Mythenwelt der Antike über die Astronomie der Neuzeit bis hin zur Entdeckung der kosmischen Expansion.
"Helden des Himmels" fußt auf den astronomiegeschichtlichen Beiträgen, die Christian Pinter für die "Wiener Zeitung" verfasst hat. Der Autor hat sie für sein Buch teils mehr, teils weniger ausführlich überarbeitet bzw. ergänzt.
Christian Pinters Buch erscheint am 23.2. bei Kremayr & Scheriau, umfasst 224 Seiten und widmet den Schlüsselfiguren Kopernikus, Galilei und Kepler natürlich besonders breiten Raum. Buchpreis: 22,90 Euro.
Am 26. Februar um 19.30 Uhr wird „Helden des Himmels“ im Wiener Planetarium, Oswald Thomas Platz 1, 1020, der Öffentlichkeit präsentiert.

Aufzählung Siehe auch: Helden des Himmels im Planetarium

Printausgabe vom Samstag, 21. Februar 2009
Update: Mittwoch, 25. Februar 2009 11:53:00

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