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Artikel aus dem EXTRA LexikonPrint this

Das Mondlicht fasziniert auch ohne Rückgriff auf moderne Mythen

Frau Lunas Silberschein

Von Christian Pinter

Im Deutschen ist der Mond männlich. Andere Kulturen sahen in der stärkeren Sonne den Mann, im schwächer leuchtenden Mond die Frau. Bei den Römern hieß eine Mondgöttin Luna - und so nennt man den Mond im Italienischen noch heute. Ihre Göttlichkeit hat Frau Luna mittlerweile verloren, doch ihr Licht sorgt nach wie vor für zauberhafte Eindrücke und Illusionen.

Der Mond kann sich mit tiefrotem Gesicht über den Horizont schwingen, als schämte er sich unseres Blicks. Beim Aufgang müssen seine Strahlen einen überaus weiten Weg durch die Erdatmosphäre zurück- legen; blaues Licht wird dabei stärker geschwächt als rotes. Klettert er höher, färbt sich sein Antlitz golden, gelb, gelblich-weiß und schließlich fast rein weiß. Alchimisten tauften das Silber nach dem Mondenschein "Luna".

Wegen seiner Lichtphasen galt der Mond schon früh als recht wechselhaftes Gestirn. Mittelalterliche Astrologen machten ihn daher auch für menschliche Gemütszustände verantwortlich. Unser Wort "Laune" geht auf "Luna" zurück - und damit auch der Begriff "launisch", der ja soviel bedeutet wie "von unbeständigen Stimmungen beherrscht". Mit "Lunatismus" bezeichnete man eine Form des Nachtwandelns. Im Englischen steht "lunatic" sogar für "verrückt".

Die wechselnden Mondphasen entstehen, weil der Himmelskörper im Licht der Sonne badet. Der Beleuchtungswinkel ändert sich, während er um die Erde zieht und beide Welten gemeinsam um die Sonne laufen. Ein komplettes Phasenspiel dauert im Schnitt 29 Tage und 13 Stunden. Deshalb finden wir alle 29 oder 30 Tage das Vollmondsymbol im Kalender. Manche Völker glaubten überhaupt, der Mond sei nur zur Zeiteinteilung erschaffen worden. Kurz vor Erreichen des Vollmondtermins steigt der Glanz des Mondes stark an. Die Lichtquelle Sonne weilt dann in unserem Rücken, beleuchtet den Trabanten aus unserer Perspektive frontal. Nun strahlt er etwa so wie eine Kerze in zwei Metern Abstand. Obwohl er nach der Sonne das gleißendste Gestirn ist, bräuchte es doch eine halbe Million Vollmonde, um mit der Kraft der Sonne zu wetteifern.

Frühgeburt am Himmel

Auf Taiwan hielt man den Mond deshalb für eine einstige zweite Sonne, die später verwundet wurde und ermattete. Die Papua sprachen von einer Frühgeburt, die nie zur vollen Pracht heranreifte. Das Mondlicht reicht jedenfalls, um den Nachthimmel deutlich aufzuhellen. Die schwachen Sterne verschwinden - neun von zehn können im Mondenschein "ertrinken". Die verbleibenden gestatten es, den überaus raschen Mondlauf abzustecken: Kein anderes Gestirn zieht so schnell durch die Sternbilder. Alle zwei oder drei Tage besucht Frau Luna eine neue Konstellation. In knapp vier Wochen ist sie einmal ganz herum gekommen.

Die Streuung des Sonnenlichts an Gasteilchen der Luft färbt den Himmel blau. In sehr viel geringerem Ausmaß schafft dies auch der Vollmond, wie man leicht nachprüfen kann. Hollywood imitierte Nachtaufnahmen durch Unterbelichtung bei tiefblauem Taghimmel. Diese Illusion einer mondbeschienenen Szene heißt "Amerikanische Nacht". François Truffaut taufte 1973 einen Spielfilm danach - La nuit américaine.

In vielen Mythen sind Sonne und Mond verwandt, Bruder und Schwester, Eheleute oder Verliebte: Die Sonne beherrscht den heißen Tag, dem Mond wurde die Nacht zugeordnet. Da es in klaren Nächten leicht abkühlt, bildet sich Tau, in manchen Regionen eine wichtige Wasserquelle für Pflanzen. So verband man den Mond schließlich mit Feuchtigkeit und Vegetation.

Manche Menschen reagieren überrascht, wenn sie das vermeintliche "Nachtgestirn Mond" plötzlich am Tage erblicken. Nicht so freilich Astronom John Herschel, als er an einem späten Nachmittag durch die südafrikanische Tafelbai segelte. Der Erdbegleiter glänzte über dem sonnenbeschienenen Tafelberg, jedoch nicht so hell wie das Wahrzeichen Kapstadts. Die Mondoberfläche, so schloss der Engländer bereits um 1834, muss also aus recht dunklem Gestein bestehen. Tatsächlich wirft sie im Schnitt nur 7 Prozent des Sonnenlichts zurück, kaum mehr als irdische Vulkanasche.

Etwa ein Drittel der uns zugewandten Mondseite besteht aus den noch dunkleren Mondmeeren. Es sind gewaltige Einschlagsbecken, die vor mehr als 3 Milliarden Jahren von Magma überflutet wurden. Die helleren Mondpartien sind älter und deswegen mit Zigtausenden Kratern übersät. Diese Krater zeigt erst das Fernrohr; die weiten Mondmeere lassen sich hingegen schon mit freiem Auge betrachten. Die Alten sahen in ihrer Anordnung ein menschliches Gesicht, einen Hasen etwa oder eine Krabbe.

Hütte aus weißer Rinde

Nachts genügt der Schein des Erdbegleiters, um irdischen Gegenständen klar erkennbare Mondschatten zu schenken. Die kräftigen Farben und zahlreichen Helligkeitsabstufungen des Tages fehlen der Landschaft jetzt aber: Flächen, die nicht direkt vom Mond angestrahlt werden, erscheinen uns beinahe einförmig dunkel. Wenn Künstler Mondlichtszenen malen, arbeiten sie daher mit sehr wenig Lichtkontrast. Im Gegensatz zum menschlichen Auge addiert Fotomaterial Lichteindrücke. Mehrere Sekunden lang belichtete Aufnahmen bei Mondenschein können aussehen, als wären sie mitten am Tag geschossen (siehe Abbildung oben).

Beim nächtlichen Spaziergang in der Stadt oder am Land mutet es an, als würde der ferne Begleiter "mitwandern". Hingegen sorgen sehr rasch vorbeiziehende Wolken für den gegenteiligen Effekt. Die Wolken scheinen still zu stehen, während der Mond nun vermeintlich über das Firmament jagt, ohne freilich richtig vorwärts zu kommen. Dünne Wolken umgeben ihn oft mit einer weißlichen, kreisförmigen Lichterscheinung, dem so genannten Hof. Nach einer australischen Legende baut sich der Mond dann eine Hütte aus weißer Rinde, um Schutz vor der Kälte zu suchen.

Hof und Halo

Der Hof, auch "Aureole" genannt, ist nicht selten von einem farbigen Kranz begrenzt. Er wird durch Beugung des Mondlichts an Wassertröpfchen oder Eisnadeln hervorgerufen. Je größer die Tröpfchen in der Wolke, desto kleiner der Lichtkreis. Meist messen sie nur ein Fünfzigstel bis ein Hundertstel Millimeter. Die Beugung ist auch von der Wellenlänge des Lichts abhängig. Die Kränze sind deshalb innen blau, dann folgen Grün und Rot. Klare Farben weisen auf gleichmäßige Tröpfchendurchmesser hin, verwaschene auf stark streuende.

Der innerste Ring zeigt oft nur ein intensives Rotbraun. Mitunter legen sich weitere Kränze um ihn herum, die ein schwächeres, aber vollständigeres Farbenspiel präsentieren. Deckt man die blendende Mondscheibe ab, tritt es deutlicher hervor. Brillenträger können ähnliche Erscheinungen durch Anhauchen der Gläser simulieren.

Anders entsteht der Halo, ein viel mächtigerer Lichtring. Bei niedrigen Temperaturen kondensiert Wasserdampf in großen Höhen an Staubteilchen. Die Eispartikel bilden Wolken, die sich schleierartig über den Himmel ausbreiten können. Im Inneren der sechskantigen Eiskristalle wird Mondlicht gebrochen. Ein weiter Kreis von meist 22 Grad Radius taucht auf. Bei durchgestrecktem Arm passt die Handspanne grob zwischen Mond und Ring. Manchmal zeigt der Halo genau in Mondhöhe ein oder zwei Lichtflecke mit rötlichem Innenrand. Das sind die so genannten "Nebenmonde".

Mit dem Mond im Rücken erspäht man selten sogar einen Mondregenbogen. Am ehesten gelingt dies bei Vollmond. Doch auch dann bleibt er fast immer zu matt, um dem Auge Farbwahrnehmungen zu gestatten.

Gerade der Vollmond zieht den Blick oft magisch an, als wäre er selbst ein großes, den Betrachter fixierendes Auge am Firmament. Welches Geldstück würde ihn bei völlig durchgestrecktem Arm gerade komplett abdecken - eine 2-Euro-Münze, eine 10-Cent-Münze? Die überraschende Antwort: Selbst das 1-Cent-Stück ist noch viel zu groß, der Mond nicht einmal halb so klein.

Tatsächlich überschätzt man seinen Durchmesser stark; besonders dramatisch dann, wenn er knapp über dem Horizont weilt. Der Mond wirkt dann gut doppelt so groß wie hoch oben am Himmel. Dies ist allerdings bloß Täuschung. Gelehrte haben seit Jahrhunderten über die Ursache der so genannten "Mondillusion" spekuliert. Einer älteren Erklärung nach setzen wir den tief stehenden Mond unwillkürlich mit irdischen Objekten in Bezug; am Horizont erscheinen uns Häuser oder Bäume winzig, obwohl wir wissen, dass sie in Wahrheit viele Meter messen. Letztlich soll die Wahrnehmung hochrechnen, den Mond dabei mitvergrößern. Das ist heute aber nur eine von mehreren konkurrierenden Theorien, über die sich vortrefflich streiten lässt.

Wieso "Mondkalb"?

Keine Illusion ist der "Mond im Zerrspiegel". Manchmal erblickt man das reflektierte Mondgesicht in einem nicht allzu fernen Fenster. Wölbt sich die Scheibe ein klein wenig von uns weg, gerät sie zum meterweiten Hohlspiegel, wie man ihn - in freilich besserer Qualität - auch in mächtigen Teleskopen einsetzt. Der Mond kann die Scheibe völlig ausfüllen. Die Mondmeere lassen sich dann darin vergrößert beäugen wie Hautunreinheiten im Rasierspiegel.

Ein oder zwei Tage nach Neumond taucht die schmale Mondsichel erstmals am Abendhimmel auf: das so genannte "Neulicht". Die Sichelgestalt erinnert an die Hörner eines Rinds. Gern wurden Mondriten früher mit Kühen oder Stieren verbunden. Schon in Mesopotamien nannte man den Mondgott auch den "kleinen Jungstier" oder den "flinken Stier". Bei uns machte man das Himmelslicht später für das Auftreten von Missgeburten bei Kühen verantwortlich. So entstand der Begriff "Mondkalb".

Die Sichel weckte außerdem Assoziationen mit einer Bogenwaffe. Die Griechen verwoben den Mond mit ihrer Jagdgöttin Artemis. Die Römer setzten diese später mit ihrer Mond- und Jagdgottheit Diana gleich. Künstler stellten sie sich gern mit hochgeschürztem Jagdgewand vor. Beide Göttinnen sind Geburtshelferinnen - was zur uralten Vorstellung passt, wonach das Gestirn jedes Mal nach Neumond "wiedergeboren" würde.

So lange der Mond jung ist, macht man neben der direkt vom Sonnenlicht angestrahlten Sichel ganz matt und aschgrau auch den eigentlich unbeleuchteten Teil der Mondscheibe aus. Früheren Beobachtern schien es, als schlummere "der alte Mond in den Armen des neuen". Manche meinten, der Erdbegleiter sei transparent und ließe ein wenig Sonnenlicht hindurch schimmern. Andere glaubten, seine Oberfläche strahle selbst etwas Licht aus. Tatsächlich beleuchtet aber unser Planet die noch dunkle Seite des Mondes. Deshalb heißt das Phänomen "Erdschein".

Neuerde und Vollerde

Die Phasen von Mond und Erde sind komplementär. Während der Mond zunimmt, nimmt die Erde, vom Mond aus betrachtet, ab. Bei Vollmond herrscht Neuerde, bei Neumond Vollerde. Vor 30 Jahren konnten Apollo-Astronauten unsere Heimat am pechschwarzen Mondhimmel zuletzt bewundern. Verglichen mit dem uns vertrauten Mond besitzt sie dort den 3,7-fachen Durchmesser, nimmt die 13,5-fache Fläche ein.

Sie ist zudem ein besserer Reflektor als das dunkle Mondgestein, wirft fast ein Drittel des einfallenden Sonnenlichts ins All zurück. So gleißt die Vollerde am lunaren Himmel mit der Kraft von etwa 60 Vollmonden; sie hellt die finstere Mondnacht auf.

Beim Studium des jungen Mondes liegt jene Erdregion, die das Sonnenlicht zum Begleiter spiegelt, weit westlich von uns. Sehen Mitteleuropäer die schlanke Mondsichel am Abendhimmel, erblickte ein fiktiver Mondbewohner auf der noch fast voll beleuchteten Erdscheibe Teile des Pazifiks, die beiden amerikanischen Kontinente und den Atlantik. Manchmal schöbe sich die Arktis, dann die Antarktis in sein Blickfeld.

Eis und Wolken reflektieren besser als unbedecktes Land oder Ozeane. Deshalb variiert der Erdschein im Glanz. Manchmal lassen sich darin sogar die Mondmeere deutlich erkennen. Der Radius der aschgrauen Mondscheibe kommt uns dabei etwas kleiner vor als jener der silbrigweißen Mondsichel - so, als hätte jemand zwei unterschiedlich eingestellte Zirkel verwendet. Helle Objekte wirken nämlich größer als dunkle. "Irradiation" heißt diese Täuschung.

Frau Luna gibt uns damit einen Tipp, den man auch aus der Welt der Mode kennt: Dunkle Kleidung macht scheinbar schlanker, helle trägt auf.

Freitag, 31. Mai 2002 00:00:00
Update: Dienstag, 01. März 2005 14:47:00

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