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Artikel aus dem EXTRA LexikonPrint this

Auf der Suche nach Signalen außerirdischer Intelligenzen

Ist da jemand?

Von Rainer Kayser

Seit fast 40 Jahren schon lauschen die Radioastronomen mit ihren großen Antennen nach Signalen außerirdischer Zivilisationen · bislang ohne Erfolg. Nun wenden sich amerikanische
Himmelsforscher einem anderen Kommunikationsmittel zu: Sie fahnden nach ultrahellen Laserblitzen aus der Umgebung ferner Sterne. In den kurzwelligen Laserpulsen läßt sich, so die Überlegung der
Forscher, Information sehr viel dichter gepackt versenden als in langwelligen Radiosignalen. Außerdem durchdringt Laserlicht das dünnverteilte Gas zwischen den Sternen im Gegensatz zu Radiosignalen
nahezu ungestört. Und schließlich gibt es auf der Empfängerseite keine Probleme mit Störungen durch lokale Sender · von Satelliten über Mobiltelefone bis hin zu elektronischen Garagenöffnern.

„Wir könnten heute bereits einen Laserpuls in die Milchstraße hinausschicken, der 1.000mal heller ist als die Sonne!", erläutert Paul Horowitz, Leiter des „Optical SETI"-Projekts der Elite-
Universität Harvard an der amerikanischen Ostküste.

SETI steht für „Suche nach extraterrestrischen Intelligenzen". Seit Oktober letzten Jahres suchen Horowitz und seine Mitarbeiter 2.500 sonnennahe Sterne mit einem 1,5-m-Teleskop nach Laserblitzen ab.
Das Leistungsvermögen der stärksten Laser verdoppelt sich alle zwei Jahre. Eine fortschrittliche Zivilisation könnte, so folgert Horowitz, ein Laser-Leuchtfeuer betreiben, welches ihren Heimatstern
um das Millionenfache überstrahlt · und mit diesem Leuchtfeuer in jeder Minute 1.000 Sterne überstreichen. Das plötzliche Aufblitzen des Sternenlichts bei einer einzigen Wellenlänge wäre weitaus
einfacher zu erkennen als ein Radiosignal · und eindeutig künstlicher Herkunft.

Horchposten „Phoenix"

Die Idee, nach Lasersignalen zu suchen, ist nicht neu, sie stammt bereits aus den sechziger Jahren. Und bereits in den siebziger Jahren versuchten sich Astronomen in der damaligen Sowjetunion ·
erfolglos · an dem anspruchsvollen Vorhaben. Erst die rasante Entwicklung der elektronischen Detektoren in den letzten Jahren hat „Optical SETI" zu einer realisierbaren Alternative zu den
Radioprojekten gemacht. Das bedeutet freilich nicht das Ende der Suche im Radiobereich · ganz im Gegenteil: Der Fortschritt in der Elektronik erlaubt auch hier den Bau immer empfindlicherer
Nachweisgeräte, die einen immer größeren Frequenzbereich abtasten können.

Über 90 SETI-Vorhaben wurden in den vergangenen 40 Jahren weltweit durchgeführt. Das zur Zeit anspruchsvollste Vorhaben ist „Phoenix", ein mit privaten Spenden finanzierter Detektor, der seit
September letzten Jahres am größten Radioteleskop der Welt, der 300-m-Antenne in Arecibo (Puerto Rico), installiert ist. Phoenix horcht auf zwei Milliarden Frequenzen 1.000 sonnenähnliche Sterne in
einem Umkreis von 200 Lichtjahren ab. Während die SETI-Projekte bislang zumeist mit niedriger Priorität im Huckepackverfahren neben anderen Beobachtungen herliefen, dürfen die beteiligten Forscher
jetzt sogar erstmalig auf ein eigenes Großinstrument hoffen: Im Februar kündigten die Universität Berkeley und das private SETI-Institut in Kalifornien den gemeinsamen Bau einer großen Antennenanlage
an, deren Hauptzweck die Suche nach außerirdischen Signalen sein soll. Statt einer einzigen großen · und damit teuren · Antenne sollen 500 bis 1.000 kleine Antennen zu einem „One Hectar Telescope
(1HT)" zusammengeschaltet werden. Das Instrument hätte die Empfindlichkeit einer 100-m-Antenne · bei einem Zehntel der Kosten. Weiterer Vorteil: Durch die geschickte Verknüpfung der Signale der
einzelnen Antennen kann die Anlage gleichzeitig über 100 verschiedene Sterne beobachten. Die Baukosten in Höhe von 25 Mill. Dollar will das SETI-Institut aus privaten Spenden aufbringen · schon heute
finanziert das Institut sieben unterschiedliche SETI-Projekte aus Spendenmitteln. Das „1HT" soll bis zum Jahr 2004 auf dem Gelände der Sternwarte der Universität Berkeley errichtet werden.

Gründer und Präsident des SETI-Instituts ist der Radioastronom Frank Drake, seit Jahrzehnten einer der Wortführer der SETI-Forschung.

Drake war der erste, der Anfang der sechziger Jahre eine gezielte Suche nach außerirdischen Signalen durchführte. Drei Monate lang richtete er im Rahmen seines Projekts „Ozma" · benannt nach der
Königin des Märchenlandes Oz · jeweils für sechs Stunden am Tag die 25-m-Antenne des Observatoriums Green Bank auf Tau Ceti und Epsilon Eridani, zwei nahe, sonnenähnliche Sterne. Drake
hatte zwar keinen Erfolg, aber sein Projekt weckte bei vielen seiner Kollegen Interesse an SETI. In beständig anspruchsvoller werdenden Projekten lauschen die Radioastronomen seither hoffnungsvoll
ins All.

Während Drake nur bei einer einzigen Wellenlänge auf Empfang gehen konnte, suchen die heutigen Detektoren den Himmel in Millionen oder gar Milliarden Frequenzbändern ab. Computer fahnden in dem
Datenwust automatisch nach schmalbandigen Signalen und eliminieren alle Störungen irdischer Herkunft · eine Arbeit, die bei den ersten SETI-Projekten von den Wissenschaftern noch in peinvoller
Handarbeit erledigt werden mußte. Der Sinn all dieser Projekte · ob im Radiobereich oder nach optischen Laserblitzen gesucht wird · ist allerdings in Expertenkreisen bis heute umstritten. Während
SETI für die einen die wichtigste Investition der Menschheit in ihre Zukunft ist, ist es für die anderen schlicht Geldverschwendung. Denn SETI ist die Suche nach der Stecknadel im galaktischen
Heuhaufen · mit einem zusätzlichen Haken: Die SETI-Forscher wissen nicht, wie viele Stecknadeln im Heuhaufen versteckt sind · nicht einmal, ob es dort überhaupt auch nur eine einzige gibt.

Die „Drake-Gleichung"

Frank Drake versuchte bereits 1960, der Frage nach den Erfolgsaussichten der Suche ein wissenschaftliches Gewand zu verpassen. In seiner später als „Drake-Gleichung" berühmt gewordenen Betrachtung
zerlegte er die Berechnung der Anzahl der beobachtbaren Zivilisationen in eine Reihe von Einzelproblemen · von der Häufigkeit von Planeten bei anderen Sternen über die Wahrscheinlichkeit der
Entstehung von Leben bis hin zur Lebensdauer einer technischen Zivilisation. Die Entstehung von Planeten ist, da sind sich die Astronomen heute nach den Erfolgen der „Planetenjäger" · über ein
Dutzend Planeten bei anderen Sternen wurden in den letzten Jahren entdeckt · weitgehend einig, eher die Regel denn die Ausnahme: Vielleicht kreisen um jeden zweiten Stern Planeten, vielleicht sind
Planeten sogar noch häufiger.

Uneinigkeit herrscht indes bei der Frage, wie viele dieser Planeten Leben beherbergen könnten. Denn die meisten der bislang entdeckten Planetensysteme bei anderen Sternen haben keinerlei Ähnlichkeit
mit unserem eigenen · zumeist finden die Astronomen riesige Gasplaneten in Umlaufbahnen, die im Sonnensystem den erdähnlichen Planeten vorbehalten sind. Doch das mag ein Auswahleffekt sein: Bislang
sind die Suchmethoden der Forscher eben nur für große Planeten empfindlich genug. Und vielleicht könnte sogar auf etwaigen Monden der Gasplaneten Leben entstehen. Wenn ein geeigneter Planet oder Mond
vorhanden ist, dann wird, da sind die Experten wiederum optimistisch, auch tatsächlich Leben entstehen. Denn die chemischen Grundbausteine für die Lebensentstehung · bis hin zu Aminosäuren · finden
sich sogar im lebensfeindlichen Weltall.

Auf der Erde sind die ersten primitiven Lebensformen sofort entstanden, als die Erdkruste genügend abgekühlt war, um eine Stabilität der komplexen Lebensmoleküle zu ermöglichen · der Schritt von der
chemischen zur biologischen Evolution scheint mithin ein kleiner zu sein. Doch danach wird es offenbar schwieriger: Während die Entstehung des Lebens nahezu instantan erfolgte, vergingen auf
der Erde fast vier Milliarden Jahre bis zum Aufstieg einer intelligenten Spezies · eine Zeitspanne, die etwa genauso groß ist wie die typische Lebensdauer eines Sterns von zehn Milliarden Jahren. Ist
die Entstehung von Intelligenz also keineswegs das logische Endprodukt der Evolution, sondern ein unerhört seltener Zufall?

Hätte vor 65 Millionen Jahren nicht der Einschlag eines Asteroiden das Ende der Dinosaurier-Ära eingeläutet, so hätten die Säugetiere vielleicht weiter ein Schattendasein gefristet · nichts wäre es
gewesen mit dem Aufstieg der Primaten. „Vermutlich verdanken wir unsere Existenz einer guten Portion Glück", meint denn auch der amerikanische Paläontologe Stephen Jay Gould. Würde man den Film
der Evolution zurückdrehen und neu starten, so wäre es nach Goulds Meinung extrem unwahrscheinlich, daß erneut intelligente Wesen die Bühne des Lebens betreten. Zwar hat ihre Intelligenz der Gattung
Homo gegenüber anderen Lebewesen einen gewaltigen Vorteil verschafft · ein Vorteil, der letztlich zum Bau von Radioteleskopen und zu SETI-Projekten geführt hat. Doch ob dieser Vorteil von Dauer ist
oder ob die Menschheit kaum mehr als eine Fußnote in der Geschichte des Planeten Erde bleibt, muß sich erst noch zeigen.

Während Pessimisten auf Überbevölkerung, ABC-Waffen und Umweltverschmutzung verweisen und das „Fenster" der interstellaren Kommunikation für höchstens 100 Jahre offen sehen, glauben die Optimisten
unbeirrt an eine Jahrmillionen währende, goldene Zukunft für die menschliche Zivilisation. Kein Wunder also, daß die Schätzungen der Anzahl der technischen Zivilisationen in der Milchstraße weit
auseinandergehen · von mehreren Millionen bis zu einer einzigen, nämlich unserer eigenen.

Wo sind sie?

Die Optimisten sehen sich allerdings mit einem weiteren Problem konfrontiert, welches der Physiker Enrico Fermi schon 1950 · also lange vor den ersten SETI-Projekten · auf eine simple Frage
zuspitzte: Wo sind sie? Unsere Milchstraße durchmißt rund 100.000 Lichtjahre. Selbst wenn eine raumfahrende Zivilisation die Galaxis mit einer Geschwindigkeit von nur einem Tausendstel der
Lichtgeschwindigkeit erforschte, würde sie innerhalb von 100 Millionen Jahren jeden noch so entlegenen Winkel der Milchstraße erreicht haben. Eine lange Zeit · und doch nur ein winziger Bruchteil des
Alters der Milchstraße von zehn Milliarden Jahren! Schon vor Milliarden von Jahren könnte Leben entstanden sein · und die gesamte Galaxis müßte längst besiedelt oder zumindest mit den Artefakten
zahlreicher Zivilisationen gepflastert sein.

Erich von Däniken und seine Anhänger würden zwar vehement widersprechen, doch bislang gibt es keinerlei wissenschaftlich haltbare Anzeichen für die Anwesenheit außerirdischer Raumfahrer in unserem
Sonnensystem. Haben also die Pessimisten Recht? Oder sollten intelligente Wesen auf anderen Planeten einfach keinen Wert auf die Eroberung des Weltalls legen? Bei einer großen Anzahl technischer
Zivilisationen erscheint dies unwahrscheinlich, immerhin reicht eine einzige unternehmungslustige Rasse von Außerirdischen aus, um die Milchstraße zu besiedeln.

Galaktischer Kodex?

Es gibt eine weitere, exotische Erklärungsmöglichkeit, die sogenannte „Zoo-Hypothese": Die Milchstraße brodelt tatsächlich von intelligentem Leben, aber ein strenger galaktischer Kodex verbietet
den fortschrittlicheren Zivilisationen die Kontaktaufnahme mit „primitiven" Planeten, deren Bewohner sich mit Keulen, Atombomben und Anthrax-Bakterien gegenseitig an den Kragen gehen. Vielleicht
braucht es aber auch gar kein Verbot, um eine Kontaktaufnahme zu verhindern. Wenn es tatsächlich seit Milliarden von Jahren eine galaxisweite Zivilisation gibt, welches Interesse sollten diese Wesen
daran haben, mit uns zu kommunizieren? Welches Interesse haben wir Menschen daran, unser Wissen mit Schimpansen auszutauschen? Dabei trennen uns von den Schimpansen nur wenige Millionen Jahre
Evolution; der Entwicklungsunterschied zu den galaktischen Superwesen könnte das Tausendfache betragen.

Die SETI-Enthusiasten lassen sich von all diesen Überlegungen freilich nicht entmutigen. „Die Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg ist schwer abzuschätzen", gaben die Physiker Giuseppe Cocconi
und Phillip Morrison zu, als sie 1959 in der angesehenen Fachzeitschrift „Nature" erstmalig zur Suche nach Radiosignalen kosmischer Zivilisationen aufforderten, „aber wenn wir nicht suchen,
so sind die Erfolgsaussichten gleich Null!"

SETI im World Wide Web:

SETI Institute:

http://www.seti.org/setitop.html

Optical SETI (Harvard):

http://mc.harvard.edu/oseti

One Hectar Telescope:

http://www.seti.org/1ht.html

Freitag, 14. Mai 1999 11:25:00
Update: Dienstag, 01. März 2005 16:50:00

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