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Artikel aus dem EXTRA LexikonPrint this

Zum 75. Geburtstag der Nobelpreisträgerin

Morrison, Toni: Sprachanwältin der Farbigen

Von Peter Mohr

Noch nicht, es kommt noch“, antwortete Literaturnobelpreisträgerin Toni Morrison kürzlich auf die Frage, ob sie ihr Meisterwerk schon geschrieben habe. „Sklavenhandel und Sklaverei sind Themen, an die sich niemand erinnern will. Weder die Schwarzen noch die Weißen. Ich meine, es herrscht eine nationale Amnesie“, erklärte die Autorin im Zusammenhang mit ihrem 1988 erschienenen Erfolgsroman „Menschenkind“, für den sie mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet wurde und der 1999 (in der Regie von Jonathan Demme und mit der Hauptdarstellerin Oprah Winfrey) auch verfilmt worden ist.

Das Schicksal der Farbigen in den USA ist eines der ständig wiederkehrenden Themen in Toni Morrisons Werk. Schon für ihr Frühwerk "Salomons Lied" (1977) – die Erforschung der Familiengeschichte eines einfachen Milchmannes – erhielt sie den Preis der amerikanischen Literaturkritiker, die dieses Werk auf eine Stufe mit Alex Haileys "Roots" stellten.

Toni Morrison wurde am 18. Februar 1931 als Chloe Anthony Wofford in Lorain/Ohio geboren. Ihr Studium an der renommierten Cornell University schloss sie mit einer Arbeit über den Selbstmord in den Werken von William Faulkner und Virginia Woolf ab. Danach arbeitete sie zunächst als Lektorin bei Random House und später als Professorin in Princeton.

Unter dem Einfluss von James Baldwin hatte Toni Morrison bereits 1960 zu schreiben begonnen, doch bis zur Veröffentlichung ihres ersten Romans dauerte es noch zehn Jahre. "Spracharbeit ist das Maß eines gelungenen Lebens" , erklärte sie in ihrer Stockholmer Dankesrede, als sie 1993 als erste farbige Autorin den Nobelpreis erhielt.

Sprachlich und kompositorisch hat sich Toni Morrison von ihren Anfängen bis heute gewaltig weiter entwickelt. Geblieben ist aber ihr ungebremster Aufklärungswille und ihr leidenschaftliches emanzipatorisches Grundmotiv. "Rassismus ist heute so virulent wie zur Zeit der Aufklärung" , erklärte Toni Morrison vor einigen Jahren.

Sie ist nicht nur gegen die Unterdrückung der Farbigen schreibend zu Felde gezogen, sondern hat auch immer für die Rechte der Frauen gestritten – zuletzt im 1999 in deutscher Übersetzung erschienenen Roman "Paradies". Ihr bis heute gelungenstes, weil formal anspruchsvollstes Werk ist aber die Ballade "Jazz" (1992), die von amerikanischen Kritikern als " eine Mischung aus Duke Ellington, William Faulkner und Maria Callas" bezeichnet wurde. In diesem postmodernen Sprachspielwerk hat Toni Morrison aus jazzartigen Versatzstücken ein blutiges Beziehungsgeflecht zwischen drei Frauen und einem Mann komponiert.

Vor zwei Jahren ist ihr bisher letzter Roman, "Liebe", erschienen, der aus Rückblicken, die bis in die 30er Jahre zurückreichen, ein opulentes Hassgemälde malt und dessen tatsächliches Handlungssujet die Zerstörung der Liebe ist.

Toni Morrison, die international anerkannte Stimme der farbigen US-Bevölkerung, feiert ihren heutigen 75. Geburtstag in Princeton. Dort lebt sie seit mehr als zehn Jahren – seit sie bei einem Wohnungsbrand in Nyack wertvolle Originalmanuskripte verloren hat.

Lesetipps:

Toni Morrison: Liebe. Roman. Aus dem Englischen von Thomas Piltz. Rowohlt Verlag, Reinbek 2004, 280 Seiten.

Toni Morrison: Jazz. Roman. Übersetzt von Helga Pfetsch. Rowohlt Taschenbuch, 256 Seiten.

Heidi Thomann Tewarson: Toni Morrison. Rowohlt-Monografie. Rowohlt Taschenbuch, 160 Seiten.

Printausgabe vom Samstag, 18. Februar 2006
Update: Freitag, 17. Februar 2006 16:44:00

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