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Eco: Philosophie als Belletristik

Umberto Eco.  Foto: epa

Umberto Eco. Foto: epa

Von Peter Mohr

Aufzählung Zum 75. Geburtstag des Romanciers, Essayisten und Semiotikers Umberto Eco.

"Warum ich 1978 beschloss, einen Roman zu schreiben, wird wohl Stoff für einen Psychoanalytiker bleiben", wusste Umberto Eco einst selbst keine plausible Erklärung für seinen erfolgreichen Einstieg in die Belletristik. Als sein in 29 Sprachen übersetzter und mehr als zehn Millionen Mal verkaufter Roman "Der Name der Rose" 1982 erschien, war Eco bereits ein international renommierter Wissenschafter. Doch seine heutige weltweite Popularität erlangte er nicht als Professor für Semiotik, sondern als Romancier.

Umberto Eco, der am 5. Jänner 2007 seinen 75. Geburtstag feiert, wuchs in Alessandria (Piemont) auf und promovierte bereits mit 22 Jahren über die Ästhetik bei Thomas von Aquin. Als Wissenschafter und Publizist veröffentlichte er mehr als 40 Bücher (u. a. "Das offene Kunstwerk", "Apokalyptiker und Integrierte"), lehrte viele Jahre an der Universität Bologna, war einer der Gründungsväter der Elite-Universität in San Marino und bekleidete Gastprofessuren in den USA, in Brasilien und Argentinien.

Heute gehört der Bücherliebhaber, der eine rund 30.000 Exemplare zählende Privatbibliothek besitzt, zu den bekanntesten und streitbarsten Persönlichkeiten Italiens.

Nach dem immensen Erfolg seiner thrillerhaft geschriebenen Mittelalter-Parabel "Der Name der Rose", die mit Sean Connery in der Hauptrolle verfilmt wurde, hatte sich Eco zunächst vor dem gigantischen Medienrummel zurückgezogen, seinen Bart abrasiert, um unerkannt in die Öffentlichkeit treten zu können. Mittlerweile genießt Eco seine Popularität in vollen Zügen, lässt kaum eine Talkshow aus und provoziert seine sportbegeisterten Landsleute mit seiner eloquenten Abneigung gegen Fußball.

Ecos Erfolgsrezept

Auch sein zweiter Roman, "Das Foucaultsche Pendel" (1989), in dem Eco den Wahn eines stetig wachsenden Erkenntnisstrebens anprangert, das in der Zerstörung des Individuums mündet, wurde ein globaler Bestseller. Ecos Erfolgsrezept besteht darin, dass er es wie kaum ein anderer Autor versteht, mit leidenschaftlicher Faszination und spielerischer Raffinesse philosophische Fragen in spannende Romanhandlungen zu integrieren.

Ein weiterer Beweis dafür war der 2002 erschienene Roman "Baudolino", in dem Eco seine Hauptfigur, einen begabten Bauernsohn, durch die Wirren des 12. Jahrhunderts schickt. Baudolino studiert in Paris, wird enger Vertrauter des Königs Barbarossa, und macht sich mit elf Freunden auf eine abenteuerliche Reise ins Reich des Priesters Johannes.

In einem Interview unmittelbar nach Erscheinen dieses Romans bekannte Eco: "Ich fand es sehr amüsant, über einen Lügner zu schreiben, aber Baudolino ist einer von der Sorte, dessen Lügen akzeptiert und unmittelbar umgesetzt werden. Er ist also ein Lügner, der Geschichten produziert und sie schließlich selbst glaubt. Wenn jemand an die eigenen Erfindungen glaubt, handelt es sich nicht mehr um Lügen, sondern um Utopien."

Ebenso mysteriös wie "Baudolino" ist auch Ecos letzter Roman, "Die geheimnisvolle Flamme der Königin Loana" (2004). Der Protagonist wacht nach einem Infarkt aus dem Koma auf und kann sich nicht mehr an seinen Namen erinnern. Stattdessen gehen ihm Zitate durch den Kopf, in denen stets das Wort "Nebel" vorkommt.

Ecos Arbeitspensum ist immer noch enorm, ob als regelmäßiger Kolumnist für das Wochenmagazin "L‘Espresso" oder als Essayist, der aktuelle Themen unter die Lupe nimmt. Im Herbst erschien "Quasi dasselbe mit anderen Worten", ein Band, in dem sich der Autor mit Kunst und Tücken des Übersetzens beschäftigt, und im März 2007 werden Ecos Gedanken über die Auswüchse populistischer Kriegsberichterstattung unter dem Titel "Im Krebsgang voran" in Buchform (wie alle Titel auf Deutsch im Carl Hanser Verlag) vorgelegt.

Ecos Selbstverständnis hat sich im Laufe der Jahre verändert, aber der Wissenschafter neidet dem Romancier inzwischen die Popularität nicht mehr: "Heute glaube ich, dass auch die Belletristik Teil meiner philosophischen Arbeit ist, denn es gibt Fragen, die man nicht mit einem klaren Essay abhandeln kann, sondern in all ihrer Zweideutigkeit und Widersprüchlichkeit in Szene setzen muss."

Printausgabe vom Samstag, 30. Dezember 2006
Online seit: Freitag, 29. Dezember 2006 15:09:18

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