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Artikel aus dem EXTRA LexikonPrint this

Ein Nachruf auf die Schriftstellerin Hannelore Valencak

Valencak, Hannelore: "Rüstzeug für das Weiterleben"

Von Evelyne Polt-Heinzl

Hannelore Valencak gehört trotz zahlreicher Auszeichnungen zu den Stillen im Lande - ein Standardsatz in den Verlagsaussendungen wie in den Rezensionen ihrer Bücher. Das ist ein Etikett, das immer auch ein Quentchen (Selbst)Kritik enthält: Weshalb hat denn niemand genauer hingesehen, weshalb hat sich niemand gefunden, der sich mit ihren Romanen und Erzähungen intensiver beschäftigt hätte?

Inzwischen war es um die Autorin so still geworden, dass ihr 75. Geburtstag am 23. Jänner dieses Jahres medial völlig unbeachtet blieb. Nun aber ist es für Würdigungen reichlich spät: Hannelore Valencak ist in der Nacht zum 10. April nach kurzer, schwerer Krankheit verstorben.

Geboren am 23. Jänner 1929 in

Donawitz, studierte sie Physik an der Universität Graz. Nach der

Promotion 1955 blieb sie ihrer obersteirischen Heimat und der Metallindustrie treu: Bis 1962 arbeitete sie als Metallurgin in Kapfenberg. 1959 verunglückte ihr erster Mann, mit dem sie einen Sohn hat; 1962 heiratete sie ein zweites Mal und ging nach Wien, als freiberufliche Patentsachbearbeiterin zunächst, seit 1975 als freie Schriftstellerin.

Zeittypische Atomangst

Zu publizieren begann Hannelore Valencak um 1950, in den Anthologien der fünfziger Jahre, wie "Stimmen der Gegenwart" und "Tür an Tür", ist sie wiederholt mit Lyrik und Erzählungen vertreten. Bereits 1954 erhielt sie den Georg Trakl-Anerkennungspreis, 1956 folgte der Lyrikpreis der Stadt Graz und 1957 der Förderungspreis im Rahmen des Österreichischen Staatspreises für ihren Roman "Die Höhlen Noahs", der erst 1961 erschien. Das Setting dieses Buches ist - wie Marlen Haushofers Roman "Die Wand" (1963) - der zeittypischen Atomangst verpflichtet: Es geht um das Überleben einer Gruppe von Menschen nach einer Katastrophe und um die Frage, "ob es verantwortet werden kann, das Leben in einer absterbenden Umwelt fortzusetzen".

Dieser Selbstkommentar ist dem ausführlichen Werkstattbericht zu entnehmen, den Edwin Hartl schon bei Erscheinen des Bandes "Erzählungen (1973) als "überaus lesenswerte Besonderheit" bezeichnete.

1961 bis 1964 arbeitete Valencak an dem umfangreichen Roman "Ein fremder Garten", der auch heute noch bemerkens- und lesenswert erscheint, vor allem dank der subtilen und sprachlich fein gearbeiteten Beobachtungen (zwischen)menschlicher Verwirrungen. Die Ich-Erzählerin ist - wie häufig bei Valencak - eine unsichere junge Frau, die versucht, sich aus äußerst bedrängenden Familienverhältnissen zu lösen. Der Roman spielt 1954, doch die unmittelbare Zeitgeschichte bildet nur den unausgesprochenen Hintergrund. Dass sich die Geschäfte eines ungleichen Stiefbrüderpaares absolut konträr entwickelt haben, ist nur indirekt als Folge der Zeitereignisse zu entschlüsseln: Der in seine Rechtschaffenheit wie eingepanzerte Jakob kann mit seinem Geschäft nach Kriegsende nicht wieder Fuß fassen, während es der Stiefbruder zu märchenhaftem Reichtum bringt. Sympathisch sind sie beide nicht, auch wenn die Autorin uns immer zu verstehen gibt, wie ihre Figuren wurden, was sie sind. Etwa die Mutter, die als verhärmte, der glorreichen Vergangenheit nachtrauernde Kriegswitwe "ihr Schicksal wie eine Beute" mit sich herumträgt: "Ihr Rüstzeug für das Weiterleben bestand aus einer Garnitur strenger, nützlicher Anschauungen, die sie handhabte wie einen Schlüsselbund."

Den Ausbruch aus der quälenden Enge versucht die Ich-Erzählerin über zwei Liebesbeziehungen - die eine so tragisch, wie die andere unbeschwert. Es ist nicht primär die Handlungsführung, die an manchen Stellen etwas zu sehr dem Zufall vertraut, es sind vor allem die minutiösen und scharfen Figurenporträts, die beim Wiederlesen beeindrucken.

Zurück an den Start

1967 folgte der Roman "Zuflucht hinter der Zeit", der 1977 unter dem Titel "Das Fenster zum Sommer" in der Reihe "Die phantastischen Romane" im Zsolnay Verlag wiederaufgelegt wurde.

Es ist ein Spiel mit brüchig werdenden Zeit- und Bewusstseinsebenen. Die jungverheiratete Ursula erwacht eines Morgens in

der bedrückenden Atmosphäre ihrer Jugend. Zurück an den Start, lautet das Kommando, das sie zwingt, ihr jugendliches Leben unter der beklemmenden Herrschaft ihrer Tante wieder aufzunehmen, numehr aber ausgestattet mit dem Bewusstsein der späteren jungen Frau.

Das ergibt einen radikal neuen Blick auf ihre früheren Verhältnisse - beeindruckend sind vor allem die Schilderungen der Ödnis des Büroalltags - und stellt die Frage nach den Möglichkeiten verändernder Eingriffe ins Leben.

Die stärksten autobiographischen Züge trägt der 1972 erschienene Roman "Vorhof der Wirklichkeit", der vor dem Hintergrund von Kriegs- und Nachkriegszeit die schwierige Balance zwischen Berufstätigkeit, schriftstellerischen Ambitionen und Familie beschreibt. Mit der Brüchigkeit der Realität spielt auch der 1981 erschienene Roman "Das magische Tagebuch", in dem eine schriftliche "Beschwörung" den verunglückten Partner tatsächlich weiterleben lässt. Dass die Geschichte trotzdem nicht gut ausgeht und die Beziehung an ganz normalen Zerrüttungen scheitert, ist vielleicht als eine Art Tröstungsversuch über die im Laufe eines Lebens verlorenen Menschen zu verstehen.

Flucht ins Kinderbuch

Ab 1970 schrieb Hannelore Valencak vor allem Kinder- und Jugendbücher wie "Montag früh ist nicht das Leben" (1970), "Ich bin Barbara" (1974), "Meine schwererziehbare Tante" (1975) oder "Bettina und das eiserne Versprechen" (1989), das in die obersteirische Heimat zurückführt. Es wäre spannend, diese "Flucht ins Kinderbuch", die so viele Autorinnen der Nachtkriegszeit antraten, einmal genauer zu untersuchen. 1977 erhielt Hannelore Valencak übrigens den Österreichische Staatspreis für Kinderbücher.

Dann folgte die große Stille - und da auch ihre Frauenfiguren keine lauten Töne für ihre schonungslosen Blicke auf die Welt finden, hat die feministische Literaturwissenschaft die Bücher Hannelore Valencaks bis heute nicht entdeckt. Aber das ist hoffentlich nur mehr eine Frage der Zeit, denn es ist lohnend, ihre Panoramen aus dem kleinbürgerlichen österreichischen Alltag auf die gezeigten Herrschafts- und Geschlechterverhältnisse hin zu befragen.

Freitag, 23. April 2004 00:00:00
Update: Dienstag, 01. März 2005 12:14:00

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