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Artikel aus dem EXTRA LexikonPrint this

Klassiker der Satire: Carl Techets Schmähschrift über Tirol

Techet, Carl: "Alles Unhail auf dera Wölt"

Von Wolfgang Ludwig

Carl Techet hatte es nicht leicht im Leben: 1877 in Wien geboren, studierte er Biologie und Chemie und begann seine Lehrerlaufbahn an einer Realschule in Triest. Trotz guter Dienstbeschreibungen eckte der überzeugte Demokrat und Antimonarchist mit seinen pädagogischen Vorstellungen und Forderungen nach individueller Selbstständigkeit im konservativen Lehrerkollegium an. Eine Versetzung nach Tirol im Jahre 1907 war die nicht überraschende Folge.

Leben und Arbeit in Kufstein müssen für den kritischen Freigeist eine besondere Strafe gewesen sein. Er litt unter "der Enge der sozialen Umwelt und an kulturellem sowie wissenschaftlichem Mangel". Das mag wohl der Anlass gewesen sein, sich in einer kritischen Schmähschrift in satirischer Weise mit den Tirolern zu beschäftigen - vorsichtshalber unter dem Pseudonym Sepp Schluiferer. Am 26. Oktober 1909 erschien "Fern von Europa - Tirol ohne Maske" mit dem Untertitel "Kurze Geschichten aus finsteren Breiten" in einem Münchner Verlag - in Tiroler Verlag wäre damals (im Gegensatz zu heute, wo die Innsbrucker Edition Löwenzahn das Buch verlegt) nie zur Veröffentlichung bereit gewesen.

Techet stellt die Tiroler - er spricht nur von den "Tarrolern" - als hinterwäldlerisch, dumm und einfältig dar und bekräftigt diese Aussage durch zahlreiche Illustrationen.

Auch mit dem Klima im Land hadert er: "Sieben Monate herrscht der Winter, die anderen fünf Monate ist es kalt. Wenn sich die Eiskrusten langsam in Kot verwandeln und statt des Schnees Regen fällt, dann bedeutet dies Frühling, Sommer und Herbst."

Techet gibt zu, dass es in Tarrol auch europäische Einrichtungen wie Post, Telefon und Eisenbahn gebe, allerdings seien überall nur Tarrola angestellt, die "außer ihrer Muttersprache weder Deutsch noch eine andere europäische Sprache verstehen". Das kann durchaus unangenehme Folgen haben: Eines Tages, berichtet Techet, kam ein Brief aus Frankreich an den Bürgermeister von Innschbruckchch nach Tarrol, adressiert mit den Worten: Monsieur le maire d'Innsbruck sowie mit Straßennamen und Hausnummer. Der Briefträger konnte den Brief aber leider nicht zustellen, da in dem betreffenden Haus "nua da Burgamoasta und nocha sei Hausmasta" wohne, und der heiße Zingerle und nicht "Mair(e)". Die schlaue Post machte schließlich zwei "Mair" mit "i" ausfindig, von denen der Erste jedoch erklärte, er habe als anständiger Mensch und Katholik niemals Kontakt zu Franzosen, der Zweite gab an, dass sämtliche seiner Bekannten und Verwandten, die zudem alle in Tarrol lebten, genauso wenig wie er lesen und schreiben könnten. Der Brief wurde daraufhin als unzustellbar zurückgeschickt.

Die wesentlichen Eigenschaften der Tarrola sind unter anderen: der tiefe Glaube (aus einer Predigt: "Alles Unhail auf dera Wölt kchemt von denen, die wos koane Kchrischtn nöt sain.") und ein kritischer Zugang zur Bildung (ein Pfarrer zum Kirchenvolk: "Kchrischtliche Mitbrida, i sog enk, mit'n les'n und schrei'm kchemt die Söl dem Teifel ima näha, bis daß oana o'fangt in dö Biach'ln zan les'n, wo steht, daß der Mensch vom Offn o'stommt.").

Die Veröffentlichung dieser Schmähschrift hatte fatale Folgen für Carl Techet. Wenige Wochen nach ihrem Erscheinen wurde er im Dezember 1909 als Autor enttarnt und musste vor dem Volkszorn nach München flüchten. Der Fall wurde von der Schulbehörde abgehandelt und Techet vom Schuldienst suspendiert. Im April 1919 wurde er strafweise nach Mähren versetzt, wo er noch fünf Jahre arbeitete und schließlich krankheitshalber in Frühpension ging. 1920 starb er als 43-Jähriger.

Es braucht nicht erwähnt zu werden, dass sämtliche Buchrezensionen in Tirol das Werk in der Luft zerrissen und die satirische Absicht nicht erkannten. Der "Tiroler Grenzbote" sprach im Dezember 1909 von einem "elenden Machwerk". Positive Kritiken gab es nur aus dem Ausland. In der "Münchner Post" heißt es im Dezember 1909: "Ein köstliches Buch, eine Sammlung von Satiren über Tirol", das auch einmal "die Schattenseiten des verhimmelten Touristen-Paradieses" zeigt.

Sepp Schluiferer: Fern von Europa. Tirol ohne Maske. Taschenbuch-Edition Löwenzahn, Innsbruck 1996, 119 Seiten.

Freitag, 01. September 2000 00:00:00
Update: Dienstag, 01. März 2005 15:17:00

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