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Artikel aus dem EXTRA LexikonPrint this

Vor 20 Jahren starb Friedrich Torberg

Torberg, Friedrich: Der hervorragende Formulierer

Von Alexander Glück

Friedrich Torberg ist vor 20 Jahren gestorben. Heute wäre er gerade 91 Jahre alt. Er hat das österreichische Kulturleben nach dem Zweiten Weltkrieg nachhaltig
beeinflusst, war ein reger und sorgfältiger Briefschreiber und ein hervorragener Formulierer. Als Theaterkritiker, Sportreporter und Feuilletonist war er eine Instanz. Seine Geschichten sind
hintergründig, seine Kritiken treffend, seine Übersetzungen brillant.

Wie aber nähert man sich ihm, wenn man ihn nicht kannte und kaum sein Zeitgenosse war? Bücher und Zeitungsartikel über Torberg auswerten? Den Nachlass in der Wiener Stadt- und Landesbibliothek
sichten, die im Jüdischen Museum aufbewahrte Brille in Augenschein nehmen? Gerhard Bronner zu den wenigen Zeiten, wo er in Wien weilt, Fragen stellen? Oder Marietta Torberg anrufen?

Ein Ausflug nach Breitenfurt, westlich von Wien, nächst Preßbaum, ist ein stimmungsvollerer Zugang. Der Besuch bringt zwar keine gewaltigen Funde hervor, vermittelt jedoch einiges von der Idylle des
Wiener Umlands, in dem Friedrich Torberg 16 Jahre lang gelebt und gearbeitet hat. Breitenfurt gliedert sich in zwei Teile: Breitenfurt-Ost ist der falsche. Gerhard Bronner besaß in Breitenfurt-West
Haus und Grund, und auf diesem wurde für Friedrich Torberg ein Haus errichtet. Das Haus Bronners existiert noch, an der Stelle, wo das Haus Torbergs stand, wurden inzwischen weiße Reihenhäuser
errichtet. In Breitenfurt-West ist es nicht schwierig, die Parzelle zu finden, wo Torbergs Haus stand. Da gibt es eine Schlosskapelle, unterhalb derer besagtes Grundstück liegt.

Friedrich Torberg war im Exil, und er kehrte nach Hause zurück. Er sagte von sich, niemals das geringste jüdische Minderwertigkeitsgefühl gehabt zu haben: „Ich gehöre weder zu jenen Juden, die
erst den Hitler gebraucht haben, um dahinter zu kommen, dass sie es sind, noch auch zu jenen, die es sich von Hitler nicht „vorschreiben" ließen."Er kehrte früher zurück als andere und er setzte
sich bereits kurz nach Kriegsende dafür ein, dass andere heimkehrten. Sein Verhältnis zum Judentum zieht sich denn auch durch fast das gesamte Werk, und er setzt sich in dieser Hinsicht mit
existentiellen Grundfragen auseinander, am stärksten in den Werken „Mein ist die Rache" und „Hier bin ich, mein Vater." „Auch das war Wien" thematisiert hingegen, wie massiv die
Nationalsozialisten in zwischenmenschliche Beziehungen eingriffen und wie sich das Leben um das Jahr 1938 in Österreich wandelte.

Friedrich Torberg hieß eigentlich Friedrich Ephraim Kantor; Berg war der Mädchenname seiner Mutter. Am 16. September 1908 kam er in der Porzellangasse 7a in Wien 9 zur Welt, am 10. November 1979
starb er im Krankenhaus Lainz. Er war Sohn eines Fabriksdirektors und verbrachte seine Kindheit in Wien und einen Teil seiner Schulzeit auf dem Wasa-Gymnasium. 1921 übersiedelte die Familie nach
Prag, und dort bereits veröffentlichte er Gedichte und kurze Erzählungen unter seinem Pseudonym. 1928 begann er am „Prager Tagblatt" journalistisch zu arbeiten. Nach der Matura lebte er
abwechselnd in Prag und Wien, wo er philosophische Vorlesungen hörte. Bis 1938 lebte er als Publizist, Theaterkritiker und Vortragender in Prag und Wien. 1933 wurde er in Deutschland mit
Publikationsverbot belegt; er flüchtete 1938 über die Schweiz nach Frankreich, wo er sich 1939 zur tschechischen Exilarmee meldete, und 1940 in die USA. Dort lebte er zunächst in Hollywood als
Drehbuchautor, 1944 bis 1951 wohnte er in New York; er publizierte in Exilzeitschriften und war Berater des Bermann-Fischer-Verlags.

1942 schrieb Torberg das Gedicht „Sehnsucht nach Alt-Aussee." Ab 1951 lebte er dann in Alt-Aussee, ab 1963 in Breitenfurt. Er war zunächst Mitarbeiter des „Wiener Kuriers", der
„Sendergruppe Rot-Weiß-Rot" und Wiener Kulturkorrespondent der „Süddeutschen Zeitung." 1954 bis 1965 leitete Torberg die von ihm mitbegründete kulturpolitische Zeitschrift FORVM. Der
darin geäußerte Antikommunismus · Torbergs Warnung vor Verseuchung mit „Brechtokokken" · prägte die kulturelle Atmosphäre im Nachkriegsösterreich wesentlich mit.

Große Erfolge auch außerhalb Österreichs errang Friedrich Torberg vor allem mit dem Erinnerungsbuch „Die Tante Jolesch oder Der Untergang des Abendlandes in Anekdoten," in dem er Gestalten und
Milieu des jüdisch-liberalen Bürgertums und der Bohème des ehemals habsburgischen Kulturkreises 1918 bis 1938 satirisch-nostalgisch beschwört. Wichtig ist Torberg als Herausgeber der Werke von Fritz
von Herzmanovsky-Orlando sowie derer von Peter Hammerschlag und als Übersetzer der Bücher Ephraim Kishons aus dem Englischen. 1979, kurz vor seinem Tod, erhielt Torberg den Großen Österreichischen
Staatspreis für Literatur.

Auch Süßkind von Trimberg verdankt einen guten Teil seiner Bekanntheit dem gleichnamigen Roman Friedrich Torbergs. Er lebte als Sangspruchdichter in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts. Die
„Große Heidelberger Liederhandschrift" überliefert von ihm zwölf Strophen in sechs Tönen; sie bezeichnet ihn als Juden. Süßkind ist als jüdischer Name belegt, der Sänger aber nicht urkundlich
zu identifizieren. Manche seiner Strophen formulieren Perspektiven des sozialen Außenseiters, etwa Unrecht durch äußeren Zwang. Eben dies thematisierte auch Torberg in mehreren seiner Werke, zuerst
und sehr eindringlich in dem Roman „Der Schüler Gerber hat absolviert".

Dieses vielbeachtete Erstlingswerk wurde von Torberg im Alter von 20 Jahren verfasst. Gegenüber dem lange entwickelten Lebenswerk „Süßkind von Trimberg" liegt hier das rasch und mit großer
Beobachtungsgabe formulierte erste Buch vor. Gegenwärtig sind junge Autoren eine Modeerscheinung bei vielen Verlagshäusern, man denke nur an den vielgelobten Benjamin Lebert, der es im Alter von
lediglich 17 Jahren zuwege gebracht hat, immerhin eine geschlossene Geschichte niederzuschreiben. Gerade beim Vergleich mit dem ganz jungen Torberg schneidet Lebert aber schlecht ab. Leberts
Ausdrucksweise ist jugendlich und direkt, und damit hat sich's. Torberg gibt an zahlreichen Stellen seines Romans Beschreibungen und Momentaufnahmen von hohem sprachlichen Niveau. Und während andere
Autoren, die sich über die Schule äußern, die Lehrer meist karikieren, hat Torberg es geschafft, die Lehrer plastisch hervortreten zu lassen. Wenn man darüber hinaus vergleicht, wie Benjamin Lebert
und Friedrich Torberg in ihren Erstlingswerken die Liebe thematisieren, rundet sich das bereits gewonnene Bild. Denn es wird überdeutlich, dass Friedrich Torberg einer Klasse von Schriftstellern
angehört hat, die wir endgültig verloren haben.

Freitag, 12. November 1999 00:00:00
Update: Dienstag, 01. März 2005 16:46:00

Lexikon



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