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Artikel aus dem EXTRA LexikonPrint this

Zum 75. Geburtstag des Kinderbuchautors und Songwriters Shel Silverstein

Silverstein: Schöpfer von Penicillin Penny

Hände hoch: Shel Silverstein als Cowboy. Foto: Flying Fish Records

Hände hoch: Shel Silverstein als Cowboy. Foto: Flying Fish Records

Von Francesco Campagner

Was machen Kinderbuchautoren, wenn sie gerade keine Bücher schreiben? Manche verdingen sich in sogenannten Brotberufen oder sie schreiben für eine ältere Lesergruppe. Roald Dahl verfasste makabere Kurzgeschichten, Theodor Seuss Geisel, besser bekannt als Dr. Seuss, schrieb Satiren. Der US-Amerikaner Shel Silverstein komponierte Songs und war als Cartoonist und Autor für den "Playboy" tätig.

Der am 25. September 1930 geborene Silverstein hatte 1956, frisch aus der Army entlassen, in der er Cartoons für die Zeitschrift "Pacific Star and Stripes" zeichnete, auf Anraten eines Freundes in seiner Heimatstadt Chicago Playboy-Gründer Hugh Hefner kennen gelernt. Silverstein produzierte für das Herren-Magazin Cartoons und lieferte Reiseberichte aus verschiedensten Orten auf der ganzen Welt. Unter dem Namen "Uncle Shelby" erklärte er der Leserschaft satirisch das Alphabet und die wesentlichen Merkmale des Pfadfindertums. Seine letzte Arbeit für "Playboy" war eine Erwachsenenadoption von Hamlet ("Hamlet as Told on the Street"), die im Jänner 1998 erschien.

182 Wochen auf Bestenliste

Seine Tätigkeit als Kinderbuchautor begann eher zufällig. Ein Freund (der Zeichner und Kinderbuchautor Tomi Ungerer) hatte Silverstein überreden können, Ursula Nordstrom, Leiterin des Kinderbuchbereichs bei Harper Collins, zu treffen. Sein erstes Buch, "The Giving Tree" ("Der glückliche Baum"), erschien 1964, nachdem es zunächst wegen seines traurigen Endes mehrere Jahre auf Eis lag und als unverkäuflich galt. Es folgten weitere Bücher, u. a. "Lafcadio, the Lion Who Shot Back" und "Falling Up" sowie "A Light In The Attic" (alle drei von Harry Rowohlt auf Deutsch übersetzt), das sich rekordverdächtige 182 Wochen in der "New York Times"-Bestenliste halten konnte. Bis heute wurden über 20 Millionen Bücher des kauzigen Amerikaners verkauft, der wegen seiner vielfältigen Talente gerne als Mann der Renaissance bezeichnet wurde.

Populär wurde Silverstein auch als Songwriter. 1969 hatte Johnny Cash bei seinem Auftritt in San Quentin "A Boy Named Sue" vorgetragen. Das Lied eroberte die Country- und Pop-Charts und wurde zu einem der größten Erfolge des "Man in Black". Cash hatte den Song erst eine Woche vorher bei einem gemeinsamen Abendessen mit Silverstein, Bob Dylan, Kris Kristofferson, Joni Mitchell und Graham Nash gehört und war restlos begeistert ( "the most cleverly written song I’ve ever heard" ). Silverstein ließ neben dem Bub namens Sue noch viele weitere sonderliche Charaktere entstehen: die Drogenverkäuferin Penicillin Penny, die ihren Kunden Nummern statt Namen gibt, die Prostituierte Acapulco Goldie, die mit dem Acapulco Gold (ein Synonym für Marihuana) davonläuft, oder die am Leben gescheiterte Lucy Jordan. Unter den Künstler, die diese Geschichten interpretierten, befanden sich Dr. Hook & The Medi cine Show, Marianne Faithfull, Bob Dylan, Emmylou Harris, Jerry Lee Lewis und Marilyn Manson.

Silverstein schrieb über 800 Songs: melancholische Liebesballaden ("Sylvia’s Mother"), Kinderlieder ("Sahra Cynthia Sylvia Stout"), Countrysongs ("Hills Of Shiloh"), Bierzelthadern ("Tequila Sheila") und irrwitzig komische Stücke ("Freaker’s Ball") – und das praktisch überall: in Bars, Hotels oder im Auto, auf Papier, Bierdeckeln, Speisekarten, Hemden – und sogar auf der eigenen Haut. Für einige Künstler schrieb er auch Liner Notes für deren Platten, etwa für Folk-Legende Rambling Jack Elliott. Allerdings hörte er damit auf, als Elliott deswegen von seiner Frau verlassen wurde. Der Folk-Sänger hatte die biographischen Zeilen, die auch von seinen Liebschaften handelten, nicht nur bei Konzerten den Fans vorgetragen, sondern voller Begeisterung auch der eigenen Frau. Sowohl Kris Kristofferson als auch Bill Cosby mussten daraufhin auf Silversteins Verse verzichten. Auch als Interpret war "Uncle Shelby" einzigartig, allerdings nicht wegen seines harmonischen Gesangstils, sondern wegen seiner schrillen, räudigen und komischen Interpretationsweise. Einen Grammy erhielt er allerdings nur für die CD-Version seines Buches "Where the Sidewalk Ends" – "recited, sung and shouted by Shel Silverstein" wie es auf dem Cover so schön heißt. Für seine Filmmusik zum Streifen "Grüße aus Hollywood" (mit Meryl Streep und Shirley MacLaine) wurde er für den Oscar nominiert.

Schicksalsschläge

Die Öffentlichkeit scheute der Künstler seit Mitte der 70er Jahre, als seine Kinderbücher immer populärer wurden. Schicksalsschläge hatten den Lebemann, der Freiheit über alles liebte und Abhängigkeiten hasste, zugesetzt. Die Tochter Shoshanna starb im Alter von 12 Jahren 1982, deren Mutter war bereits einige Jahre davor verstorben. Die Arbeit, "eine Gewohnheit" wie er es einmal definierte, bestimmte jedoch weiter sein Leben. Es entstanden Theaterstücke für den Broadway, auf Wunsch eines Freundes sogar Krimi-Erzählungen und weitere Songs für alte Country-Helden mit dem bezeichnenden Namen "Old Dogs".

1999 war es mit der vielen Arbeit vorbei. Am 10. Mai wurde er in seinem Haus in Florida tot aufgefunden. Das Herz des Unermüdlichen hatte seinen Dienst quittiert. Country-Sänger Bobby Bare meinte 2002 bei der Feier zur Aufnahme Silversteins in die Nashville Songwriter Hall Of Fame: "Die Wörter Silverstein und tot passen nicht zusammen. Wir müssen uns daher fragen, ist er zu früh gegangen oder sind wir zu lange geblieben?"

CD-Tipps:

Shel Silverstein: The Best Of (Columbia/SonyBMG).

Freakin At The Freakers Ball (Columbia/SonyBMG).

The Great Conch Train Robbery (Flying Fish Records).

I’m So Good That I Don’t Have to Brag! (Edsel Records).

Dr. Hook: I Got Stoned And I Missed It – The Best From Shel Silverstein 1971–1979 (Raven).

Freitag, 23. September 2005 17:29:05

Lexikon



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