Wiener Zeitung Neu in der Linkmap:
 
  Wiener Zeitung Homepage Amtsblatt Homepage LinkMap Homepage Wahlen-Portal der Wiener Zeitung Sport-Portal der Wiener Zeitung Spiele-Portal der Wiener Zeitung Dossier-Portal der Wiener Zeitung Abo-Portal der Wiener Zeitung Suche Mail senden AGB, Kontakt und Impressum Das Unternehmen Benutzer-Hilfe
 Politik  Europa  Kultur  Wirtschaft  Computer  Wissen  extra  Panorama  Wien  Meinung  English  MyAbo 
 Lexikon Interview  Glossen  Bücher  Musik  Debatten 
Artikel aus dem EXTRA LexikonPrint this

Über die schwierigen Lebensbedingungen von Schriftstellerinnen

Kinder oder Bücher?

Die Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek führt ein eher außergewöhnliches Autorinnenleben. Foto: Beatrix Neiss

Die Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek führt ein eher außergewöhnliches Autorinnenleben. Foto: Beatrix Neiss

Von Anita C. Schaub

Die Literatur-Saison hat wieder begonnen. Lesefeste, Lesewochenenden, Buchmessen, Buchwochen und Theatervorstellungen füllen die Terminplaner des literarischen Publikums. Was bei den Buchpräsentationen allerdings erst bei näherem Hinsehen auffällt, ist bei den Theaterstücken auf den ersten Blick erkennbar: Texte von Frauen werden seltener präsentiert als jene von Männern. Genauere Nachforschungen nach den Gründen ergeben: Der Alltag schreibender Frauen, vor allem von Frauen mit Kindern, unterscheidet sich in vielerlei Hinsicht wesentlich von dem schreibender Männer.

Zwar befinden wir uns im dritten Jahrtausend, viele Jahrzehnte nach der gesetzlichen Gleichstellung von Mann und Frau. Trotzdem finden Frauen nicht die gleichen Arbeits- und Lebensbedingungen vor wie Männer. Denn die Diskriminierung geschieht – auch und vor allem – im Privatleben, fernab der Öffentlichkeit.

Das Problem ist ein doppeltes: Erstens wird von Frauen nach wie vor die Erledigung der Arbeit im Haus und die Erziehung der Kinder erwartet, zweitens erfordert es der Beruf der Autorin, zu Hause zu arbeiten. Das heißt, es ist naheliegend, dass die Frau, da sie ohnehin nicht zur Arbeit außer Haus gehen muss, gleich die anfallenden Hausarbeiten miterledigt. Zwischen den Absätzen, sozusagen.

So erzählt Renate Welsh: "Einmal musste ich Tränen lachen, als mir ein Kollege erzählt hat, wie das bei ihm zu Hause funktioniert mit dem Schreiben: Die Kinder laufen auf Socken herum, damit es leise ist, wenn der Papa dichtet, und die Frau kommt hereingeschwebt und stellt eine Tasse Kaffee oder ein Glas Rotwein auf seinen Schreibtisch. Und ich habe gedacht: Wenn du eine Frau bist, kommen die Kinder herein und sagen, kannst du mir schnell bei meinem Aufsatz helfen . . ." Trotzdem hat Renate Welsh es geschafft, sich als Autorin zu etablieren. Sie kann heute vom Schreiben leben.

Schreiben in der Nacht

Elfriede Hammerl war eine erfolgreiche Journalistin, bevor sie sich als freischaffende Autorin etablierte und eine Familie gründete. Die Beziehung ging schief, plötzlich trug sie allein die Verantwortung für ihre Tochter. Solange diese klein war, blieben ihr nur die Nächte zum Arbeiten: "Als ich schwanger war, haben die Leute gesagt, das wird ganz einfach sein, das Kind wird spielen und du wirst daneben schreiben – das ist aber ein völliger Unfug, niemand kann ‚daneben‘ schreiben. " Von dem Vater ihres Kindes hat Eflriede Hammerl sich getrennt, weil er sich zu stark aus allem ausklinkte. Er unterstützte sie in ihren freiberuflichen Ambitionen, aber nur, wie sie im Rückblick meint, damit sie ihren Zeitplan besser auf den seinen abstimmen konnte. "Im Grunde wollte er immer eine Frau, die sich ihm anschmiegt wie Bepanthen." In der Zeit als Alleinerzieherin beschäftigte sie sich tagsüber mit dem Kind, nachts schrieb sie: "Für mich selber ist fast nichts mehr übriggeblieben."

Von den Schwierigkeiten als allein erziehende Mutter berichten viele Autorinnen. Da nur wenige literarisch Tätige mit ihrer schriftstellerischen Arbeit genug verdienen, um davon gut leben zu können, sind schreibende Frauen oft gezwungen, Brotberuf, Dichtkunst und Familienarbeit unter einen Hut bringen.

In der Familie Nöstlinger war Geld nie ein großes Problem, dank einer Haushaltshilfe konnten sich Herr und Frau Nöstlinger ihrer Arbeit widmen. Christine Nöstlinger begann zu schreiben, um ihrem Hausfrauendasein nach der Babypause zu entkommen. Ihre ersten Manuskripte hat sie mit Gulaschflecken abgeliefert, wie sie sich erinnert. Die Schreibmaschine stand praktischerweise am Küchentisch.

Ganz anders erging es der Frauen- und Sachbuchautorin Hilde Schmölzer. Sie war Alleinerzieherin und arbeitete viele Jahre als freiberufliche Journalistin, bevor sie sich ganz dem Schreiben widmen konnte. Obwohl sie erfolgreich ist, kann und konnte sie nie vom Schreiben leben. Völlig auf sich allein gestellt, zeitweise ohne finanzielle Unterstützung, lebte sie mit ihrem kleinen Kind, das häufig erkrankte, die Öffnungszeiten der Kindergärten waren zu kurz bemessen, eine Babysitterin zu teuer, Freundinnen weit und breit keine zu sehen. Wie sie es geschafft hat? "Du kannst die Kraft nur aus dir selber holen. Wenn du das nicht kannst, gehen du und dein Kind vor die Hunde." Jetzt lebt sie von einer Erbschaft; denn, obwohl sie regelmäßig Bücher veröffentlicht, reichen die Tantiemen bei weitem nicht aus: "Ich recherchiere sehr gründlich, und das braucht seine Zeit."

Ausschließlich vom Schreiben zu leben, ist nur Wenigen möglich. Lesungen, Schreibworkshops, Arbeiten für Rundfunk, Fernsehen, Theater sind notwendig, um zu überleben. Das gilt im Prinzip auch für schreibende Männer, aber schreibende Frauen sind eben immer noch ein wenig mehr davon betroffen, da sie meist noch die Betreuung der Kinder übernehmen (müssen).

Um Schreibende, die keine Pension aus ihrer Arbeit beziehen, kümmert sich heute die Literar-Mechana, ein Sozialfond der Literarischen Verwertungsgesellschaft. Elfriede Gerstl z.B. bekommt von dort Unterstützung. Sie hat schon schlechtere Zeiten erlebt, meint sie, die die Literaturszene der fünfziger Jahre noch im Kopf hat: "Heute geht es schreibenden Frauen schon besser. Damals waren männliche Schreibende, zumindest in der Öffentlichkeit, weit in der Überzahl" , schreibt sie in ihrem Essay- und Gedichtband "Unter einem Hut". In einem Gespräch mit Konstanze Fliedl und Christa Gürtler weist Elfriede Gerstl auf die zwiespältige Situation der schreibende Frau hin: "Sie hat Schuldgefühle, dass sie so einen ausgefallenen und verrückten Beruf sich anmaßt und ihrer Familie und ihrem Freund, Ehemann, wem auch immer, noch Rechenschaft ablegen muss, dass sie dergleichen tut."

Finanzielle Probleme

Als Elfriede Haslehner sich diesen "ausgefallenen, verrückten Beruf" "anmaßte" , hatte sie bereits eine gescheiterte Ehe hinter sich, aus der drei Kinder hervorgegangen waren. Anfangs schrieb sie nur ein paar Gedichte, die ihr im Teenageralter eingefallen waren, später verarbeitete sie schreibend ihre Eheprobleme. Elfriede Haslehner gab ihrem Mann zuliebe den Plan auf, die Modeschule Hetzendorf zu besuchen. Auch ihr konservatives Elternhaus war gegen die Ausbildung. Später bereute sie es, keinen richtigen Beruf erlernt zu haben, und begann zu jobben: Neben ihrer Arbeit als Hausfrau und Mutter war die vielseitige Autorin, die auch malt und singt, im Büro, als Sozialarbeiterin, in einem feministischen Verlag tätig, bot VHS-Kurse an, schrieb Rezensionen. Spät entschloss sie sich zu einem Hochschulstudium, promovierte in Philosophie und Germanistik. Die Lyrik blieb immer ihr Schreibschwerpunkt. Doch leben konnte und kann sie davon nie, finanzielle Probleme begleiteten sie, seit sie sich von ihrem Mann getrennt hat bis zu ihrer Pension. Auf Unterhaltszahlungen hatte sie damals – leichtsinnigerweise, wie sie jetzt zugibt – verzichtet.

Diese Problematik ist auch ein Thema der Texte von Frauen. Ob es sich nun um Elfriede Hammerls feministisch-satirische "profil"-Kolumnen und Romane, um Hilde Schmölzers Sachtexte, um Elfriede Haslehners Lyrik oder um Hilde Langthalers Dramen handelt. Die Autorinnen versuchen, auf ihre Situation aufmerksam zu machen und ihre Anliegen mitzuteilen. Was allerdings nicht immer honoriert wird: "Wenn man feministische Positionen vertritt, hat man mehr Probleme", sagt Elfriede Hammerl, die auch das Frauenvolksbegehren mitinitiiert hat. Trotzdem gibt sie nicht auf, ihr Rezept heißt Humor: "Es ist mir gelungen, in den unterhaltsamen Texten genug von dem zu verpacken, was mir wichtig ist."

Dabei ist es durchaus nicht so, dass Kinder von Schriftstellerinnen als Hindernisse empfunden werden. Im Gegenteil, meint die Autorin Barbara Frischmuth, ebenfalls einst allein erziehende Mutter. Aber sehr diszipliniert musste sie schon sein, um durchzukommen und das Auslangen zu finden mit diesem unsicheren Beruf. Ihr Roman "Kai und die Liebe zu den Modellen" berichtet davon.

Aber auch jüngere Paare leben nach wie vor in traditionellen Familiensystemen. Sie sind gleich alt, haben dieselbe Ausbildung und wissen um die Problematik weiblicher Arbeitsbedingungen. Sobald jedoch Kinder da sind, stecken die Frauen freiwillig zurück, die Männer machen Karriere. Wenn die Kinder erwachsen sind, ist der Wiedereinstieg für Frauen beinahe unmöglich. Zudem verdienen Männer meist mehr als Frauen (auch bei gleicher Qualifikation) und die Familie kann es sich nicht leisten, auf dieses Einkommen zu verzichten.

Auch Marlene Streeruwitz hatte unter der Doppelbelastung zu leiden. Sie musste sich lange Zeit mit anderen Jobs über Wasser halten, bevor sie mit der Literatur so viel verdiente, um davon leben zu können: "Ich ... habe eine Familie ernähren müssen und meine Kinder alleine großgezogen, ich kann mir nicht vorstellen, dass dafür das Geld bei jemandem, der ausschließlich literarisch tätig ist, reicht."

Außer der Dreifachbelastung von Broterwerb, Familie und Schreiben gilt es für weibliche Schreibende noch andere Hindernisse zu überwinden. So beklagt Marlene Streeruwitz die männliche "Grundskepsis schreibenden Frauen gegenüber, und die Möglichkeit, schreibende Frauen und ‚Frauenliteratur' verächtlich zu stereotypisieren. "

Wenn eine Frau keine Familie versorgen muss, hat sie es etwas leichter – so wie die Autorin Petra Ganglbauer. Sie betreut Schreibwerkstätten und produziert Hörspiele. Lesungshonorare, Jurytätigkeit und die Betreuung von Projekten machen einen Gutteil ihres Einkommens aus. Sich gut zu präsentieren, ist ihr ein Anliegen, denn "Frauen haben es schwerer in Literaturbetrieb, der auf männliche Proponenten und männliche Protagonisten zugeschnitten ist".

Der sichere Brotberuf

Hilde Langthaler arbeitete nie als freischaffende Autorin, sie zog den Brotberuf der Ärztin vor, ihre schriftstellerischen Ambitionen mussten in die Freizeit verlegt werden. Die Haushaltsarbeit versuchte sie, mit ihrem Mann zu teilen: "Mein Mann hilft mir im Haushalt . . . , er meint aber immer, er leiste mehr als ich – und ich behaupte das Gegenteil. Beide halten wir uns für ausgebeutet" , schmunzelt die Feministin.

Zu den ganz, ganz Großen kann eine Frau wohl nur dann gehören, wenn sie auf familiäre Verpflichtungen weitgehend verzichtet, wie Elfriede Jelinek. Ihr Mann lebt in München, die beiden führen getrennte Haushalte und sehen einander nur wochenweise. Kinder haben sie keine.

Frauen können also nur schreiben, wenn sie auf eine eigene Familie verzichten, wenn genügend Geld da ist, Familienarbeit zu delegieren, oder wenn sie bereit sind, große Opfer zu bringen. Schreibende Männer widmen sich selten der Familienarbeit, werden häufig von ihren Partnerinnen unterstützt und können sich in der Öffentlichkeit besser präsentieren. Frauen übernehmen automatisch mehr Verantwortung für die Versorgung der Familie, auch wenn es auf Kosten ihrer eigenen Arbeit und Identität geht. Dass sich dies ändern müsste, beweist auch eine Anekdote von Renate Welsh: ",Du schreibst also Bücher‘, sagte ein Mädchen bei einer Lesung mir. ‚Erlaubt das denn dein Mann?‘ "

Anita C. Schaub , geboren 1959, lebt als Pädagogin, Psychologin und Germanistin in Wien. Ihr Buch "FrauenSchreiben. Gespräche mit 17 österreichischen Autorinnen" ist 2004 in der Edition Roesner, Maria Enzersdorf, erschienen.

Freitag, 25. November 2005 11:54:25
Update: Freitag, 25. November 2005 12:07:00

Lexikon



Wiener Zeitung - 1040 Wien · Wiedner Gürtel 10 · Tel. 01/206 99 0 · Impressum · AGB